Und plötzlich löste sich ein Schuss
So fahrlässig gehen Soldaten mit der Waffe um

Nicht alle Soldaten habe ihre Waffe unter Kontrolle. Das zeigt ein Blick in die Entscheide der Militärjustiz. Immer wieder kommt es zu ungewollten, aber gefährlichen Schussabgaben.
Publiziert: 16.12.2024 um 00:32 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2024 um 06:25 Uhr
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Nicht immer haben Schweizer Soldaten ihre Waffe im Griff.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Soldaten gehen teils fahrlässig mit Waffen um. Es kommt immer wieder zu ungewollten Schussabgaben
  • Die Armeejustiz muss sich um solche Fälle kümmern
  • Die Strafen sind teils milde, auch wenn andere in Gefahr gebracht wurden
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

In der Stadtkaserne Frauenfeld knallte es frühmorgens. Der 20-jährige Rekrut E. hatte sein Sturmgewehr aus dem Rechen genommen. Bei der Sicherheitskontrolle zog er den Verschluss so weit nach hinten, dass der Schlagbolzen gespannt war. Um das «Problem» zu lösen, zielte der Rekrut kurzerhand auf die Wand neben dem Zimmer und drückte ab. Um 5.45 Uhr ging der Schuss an jenem Montag los. Am Sonntag hatte der junge Mann noch Cannabis und Kokain konsumiert. 

In der Truppenunterkunft «Chüechlibunker» in Schwyz knallte es dagegen abends. Der Gefreite I. (24) richtete, wohl aus Jux, den Lauf seiner Waffe auf eine Türe und zog den Abzug. Warum im Patronenlager noch eine Kugel war, konnte später nicht mehr ermittelt werden. Der Schuss durchschlug eine Türe. Die zwei Soldaten, die daneben standen, beklagten einen leichten Tinnitus, der rasch wieder abklang. 

Soldat S. (23) wiederum muss wahnsinnig erschrocken sein. Er wollte sein Sturmgewehr vom Bauch auf den Rücken umhängen. Die Waffe verhakte sich, ein Schuss löste sich. Der Soldat hatte zuvor versehentlich seine Waffe geladen, der Sicherheitshebel war nicht eingerastet. «Nur durch Zufall sind keine Personen geschädigt worden», schreibt der Militärrichter in seinem Urteil. 

Es gibt kaum Zahlen

Die Strafen fielen in den genannten Fällen relativ milde aus, trotz lebensgefährlicher Umstände: Zwischen 10 Tagessätzen à 100 Franken und 26 Tagessätzen à 80 Franken Strafe erhielten die Armeeangehörigen wegen Nichtbefolgung der Dienstvorschriften, alles bedingt. Hinzu kamen im einen Fall zehn Tage Arrest, im anderen 400 Franken Busse.

Wie oft knallt es in Schweizer Truppenunterkünften? Wie gefährlich sind Soldaten, die ihre Sturmgewehre und Pistolen nicht im Griff haben? Dazu gibt es keine Zahlen. Die Straftaten werden nicht gesondert erfasst. Ein wenig Aufschluss geben die Strafbefehle der Schweizer Militärjustiz.

Blick hat die rechtskräftig gewordenen Entscheide eines Monats angeschaut. Drei von 23 Strafbefehlen sind in diesem Monat auf ungewollte Schussabgaben zurückzuführen. Der weitaus grösste Teil der Verurteilungen ist auf Unfälle und Verkehrsdelikte zurückzuführen. 

Zahlen der Unfallversicherung Suva wiederum zeigen: 2022 erlitten im Dienst zwei Personen Schussverletzungen, 2023 waren es sechs Armeeangehörige. Der weitaus grösste Teil der rund 140 jährlichen Waffenunfälle, nämlich 80 Fälle, machen allerdings Zahnschäden aus, etwa wenn Soldaten beim Ein- oder Aussteigen in Fahrzeuge die Zähne am Gewehr anschlagen. Darauf folgen Gehörschäden (41 Fälle im 2023).

Armee setzt auf Ausbildung

Die Armee hält auf Anfrage fest: «Die Ausbildung und Sensibilisierung für den sicheren Umgang ist von grösster Bedeutung.» Dafür gibt es nicht nur Schulungen, sondern auch Reglemente. Waffenträger hätten grundsätzlich etwa die Pflicht, alle Waffen immer als geladen zu betrachten oder «nie eine Waffe auf etwas zu richten, das man nicht treffen will». Auch die Kontrolle der Waffe ist vorgeschrieben.

Armeesprecher Mathias Volken sagt: «In der Grundausbildung werden mehrmals wöchentlich die Manipulationen an der Waffe trainiert.» Darüber hinaus habe die Armee auch eine Plakatkampagne gestartet. 

In weiteren Fällen aber ist wiederum eine Waffe Grund für die Militärrichter, aktiv zu werden. In einigen Fällen geht es um Sturmgewehre, die vorschriftswidrig, etwa mit geladenem Magazin und Verschluss in der Waffe, gelagert wurden oder zugänglich für andere Leute waren. In einem Fall meldete ein SBB-Angestellter ein vergessenes Sturmgewehr auf dem Zugperron. Das gab 400 Franken Busse für den Soldaten, der nicht aufgepasst hatte.

Die beste Idee war nicht gut genug

Nicht immer erfüllen vermeintlich gute und sichere Aufbewahrungsideen ihren Zweck. Ein Genfer Arzt schob seine Waffe in die Verpackung eines Werbekits für werdende Mütter und verstaute dies in der Arztpraxis. 

Als eine Angestellte abgelaufene Medikamente entsorgte, war auch das Werbekit mit der Waffe drin für immer fort – und der Oberstleutnant musste sich wegen der verschwundenen Waffe vor der Militärjustiz verantworten. Jede vermisste Waffe sei eine zu viel, heisst es bei der Armee. Sensibilisiert würden die Soldaten deshalb auch beim richtigen Aufbewahren der Gewehre und Pistolen.


 

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