Ein schöner Samstagnachmittag, Ende Mai vergangenen Jahres. Ich – Blick-Autoredaktor Lorenzo Fulvi (23) – bin zum Grillfest im idyllischen Grunschen-Park in Dietikon ZH eingeladen. Mit dem BMW-Testwagen will ich in der blauen Zone vor dem Park eine Lücke ergattern. Keine Chance: Baugeräte und -container besetzen die spärlich vorhandenen Parkflächen.
Ich fahre die Strasse ab und sehe ein nicht beschildertes Parkfeld. Ob es öffentlich oder privat ist, bleibt unklar. Ich stelle das Fahrzeug dennoch ab, möchte aber bei den Anwohnern klären, ob ich den Parkplatz nutzen kann. Doch trotz mehrmaligem Klingeln öffnet niemand die Tür. Ich will keinen Ärger und klemme einen von Hand geschriebenen Zettel mit meiner Handynummer unter die Windschutzscheibe – für den Fall der Fälle.
Busse statt Anzeige
Nach dem Fest dann der Schock: Unter dem Wischer hängt ein weiterer Zettel. Professionell vorgefertigt und mit einem Foto von «meinem» Auto, wie es auf dem Parkfeld steht. «Sie parken auf einem Privatparkplatz» steht in grossen Lettern – ein mulmiges Gefühl kommt hoch. Den Zettel hat Parkplatzmieter Michael T.* erstellt. Seine Forderung: Wenn ich innerhalb einer Woche 60 Franken Umtriebskosten auf sein Bankkonto überweise, sehe er von einer Anzeige ab, die mich schlimmstenfalls 2000 Franken kosten könnte (auch interessant: 1250 Franken Busse in der Blauen Zone).
Mein erster Gedanke: Ich zahle umgehend die 60 Franken und erspare mir viel Ärger. Trotzdem werde ich stutzig und rufe bei der örtlichen Polizei an. Der freundliche Beamte am Apparat rät zu meinem Erstaunen, die Busse nicht zu zahlen. Seine Begründung: Solange es kein gut sichtbares Schild auf dem Gelände gebe, das auf ein richterliches Verbot hinweise, könne der Mieter keine Forderungen stellen. Ich versuche, mit Michael T. direkt in Kontakt zu treten, doch auf dem Zettel sind weder Mailadresse noch Telefonnummer vermerkt. Auch nach längerer Internetrecherche kann ich den vermeintlichen Parkplatzmieter nicht ausfindig machen. Mein Verdacht: Parkplatzbesitzer Michael T. hat hier nicht zum ersten Mal eine vermeintliche Busse ausgestellt und nennt seinen echten Namen nicht, um sich selber juristischen Ärger zu ersparen.
Ohne Tafel kein Verstoss
Ich kontaktiere Stefano Rossi, Rechtsanwalt und Partner bei Legal Partners Zürich. Rechtlich sei eine Frage entscheidend, erklärt Rossi: War eine offizielle Tafel mit einem richterlichen Verbot aufgestellt oder nicht? «Wenn Sie das Auto abstellen und es dort eine Tafel mit einem richterlichen Verbot gibt, dann verletzen Sie eine richterliche Anordnung gemäss Art. 258 aus der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), sofern Sie nicht zum Parkieren berechtigt sind.» In diesem Fall wäre Michael T. im Recht und dürfte Anzeige erstatten. T. könne aber bei Zahlung der Umtriebsentschädigung darauf verzichten. «Ohne diese Tafel fehlt es aber an einer Straftat, ergo fehlt das Druckmittel von Michael T. und eine Anzeige sollte keinen Erfolg haben», sagt Rossi. Kurz gesagt: Ohne Schild auf dem Grundstück kein Verstoss gegen ein richterliches Verbot.
Hin und wieder komme es vor, dass Mieter eines Parkplatzes kleine Tafeln mit der Aufschrift «Privat» oder «Reserviert» anbringen. «Für eine Strafanzeige und eine solche Busse genügt das aber nicht», meint Rechtsanwalt Rossi. «Das Schild mit richterlichem Verbot muss klar ersichtlich auf dem Grundstück aufgestellt sein». Allerdings sei Parkieren auf einem gekennzeichneten privaten Parkplatz auch ohne die Möglichkeit einer Strafanzeige meistens nicht zu empfehlen, drohe doch im schlechtesten Fall das Abschleppen des Fahrzeuges oder eine Zivilklage.
Richterliches Verbot kostet Geld
Die Zahlungsfrist von Michael T. ist mittlerweile seit über einem Jahr verstrichen, ohne dass ich die geforderten 60 Franken bezahlt hätte. Von der angedrohten Anzeige gibts keine Spur. Wie erwartet habe ich nichts mehr von T. gehört, da auch er wisse, dass seine Selbstjustiz rechtlich weder Hand noch Fuss hat. Eine Anzeige würde nämlich nicht durchkommen, da er belegen müsste, dass ich gegen ein richterliches Verbot verstossen habe – was hier aufgrund des fehlenden Schilds nicht der Fall sei.
Am Ende bleiben dennoch viele Fragen offen: Wie lange zieht Michael T. diese Masche wohl schon durch? Wie viele Automobilisten hat er damit schon abgezockt? Ohne einen Beweis dafür, dass meine Busse tatsächlich kein Einzelfall war, würde eine Anzeige gegen Michael T. allerdings nichts bringen: Der selbst ausgestellte Bussenzettel sei dafür zu wenig.
*Name von der Redaktion geändert