VW Grand California im Camper-Check
Ist dieser Bulli wirklich Grand?

Neben dem Klassiker California, besser bekannt als Bulli, bietet VW seinen Campingbus auch als grösseren Grand California an. Blick schnappte sich den grossen Bulli für ein Weekend und klärt die Frage: Ist dieser Bulli wirklich Grand?
Publiziert: 11.09.2021 um 02:03 Uhr
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Der gewöhnlichen California (links), der schlicht Bulli genannt wird, ist der Inbegriff für Campervans. Seit 2019 bietet VW den Klassiker aber auch als grösseren Grand California an.
Foto: zVg
Andreas Engel

Die Vorfreude ist riesig: Drei Kollegen, ein ganzes Weekend Campieren und Discgolf spielen bei bestem Wetter in Kreuzlingen TG am Bodensee. Discgolf kennen Sie nicht? Halb so tragisch. Der Sport, bei dem Frisbees anstelle von Bällen in Körbe statt in Löcher versenkt werden müssen, bedeutet für diesen Ausflug vor allem eines: viel Extra-Gepäck neben der normalen Ausrüstung für drei Tage und zwei Nächte auf dem Campingplatz.

Blick-Autojournalist und Discgolf-Enthusiast Andreas Engel (36) hat für den Trip in die Ostschweiz deshalb ein spezielles Vehikel organisiert: den VW Grand California. Der gewöhnliche California, der im Volksmund meist Bulli genannt wird, ist der Inbegriff für Campervans und nicht erst seit dem pandemiebedingten Ausbruch des Campingbooms der Traum vieler Freiheitssuchender. Engel war schon einige Male im Bulli unterwegs und weiss, dass es für drei Erwachsene eher eng wird (Der Bulli im Test: Wer campen will, muss warten). Für die Reise an den Bodensee soll es deshalb der seit 2019 erhältliche Grand California sein – der grosse Bruder des Bulli quasi.

Auf der Strasse wie ein PW

Statt wie der California auf dem T6.1 baut der Grand California auf VWs grossem Transporter Crafter auf und ist mit rund sechs Metern Länge und drei Metern Höhe auch jeweils einen Meter über den Massen des Bulli. Das hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: Tiefgaragen oder normale Parklücken sind für den Grand schlicht zu klein. Umso mehr staunt Engel, als er den Camper Richtung Ostschweiz fährt: Gefühlt wähnt er sich in einem etwas grösseren PW.

In engeren Kurven resultieren aus dem grösseren Aufbau zwar stärkere Wankbewegungen, sonst gibts aber keine Einschränkungen. Der Zweiliter-Turbodiesel bietet mit 177 PS genug Leistung, um auf der Autobahn und der Landstrasse locker im Verkehr mitzuschwimmen. Die zahlreichen Assistenten an Bord wie adaptiver Tempomat und Totwinkelwarner sorgen für tiefenentspannte Fortbewegung, die Rückfahrkamera für leichtes Rangieren auf dem Campingplatz.

Wie der Bulli zu seinem Namen kam

Offiziell darf VW seinen Camper erst seit 2005 Bulli nennen. Der Name etablierte sich jedoch früh im deutschsprachigen Raum: Seit dem Start 1950 im Volksmund schlicht als VW Bus bezeichnet, setzte sich ab den 1970er-Jahren der Namen Bulli durch – als Kürzel für den Mix aus Bus und Lieferwagen. Die inzwischen nicht mehr ganz billigen Busse und Ersatzteile gibts zuhauf – etwa auf der Kleinanzeigen-Seite Bugbus.net von Tour-Mitorganisator Claude Schaub.

Dominique Zahnd

Offiziell darf VW seinen Camper erst seit 2005 Bulli nennen. Der Name etablierte sich jedoch früh im deutschsprachigen Raum: Seit dem Start 1950 im Volksmund schlicht als VW Bus bezeichnet, setzte sich ab den 1970er-Jahren der Namen Bulli durch – als Kürzel für den Mix aus Bus und Lieferwagen. Die inzwischen nicht mehr ganz billigen Busse und Ersatzteile gibts zuhauf – etwa auf der Kleinanzeigen-Seite Bugbus.net von Tour-Mitorganisator Claude Schaub.

Grosser Kühlschrank, enger Schlafbereich

Dort angekommen, gehts ans Einrichten: Ruckzuck sind die optionale Markise (1077 Fr.) rausgekurbelt und die in den Hecktüren verstauten Sitze und der Tisch (523 Fr.) aufgebaut. Getränke und Grillwaren für das abendliche BBQ sind längst im grosszügigen Kühlschrank verstaut, der gar ein Tiefkühlfach bietet. Ein Parzellen-Nachbar, der ebenfalls im Grand California unterwegs ist, beobachtet das bunte Treiben und erkundigt sich kurze Zeit später, wer denn in den sauren Apfel beissen und auf der ausfahrbaren Liege (3000 Fr.) oberhalb des Cockpits übernachten muss. Fragende Blicke in der Runde. «Die beiden Schlafplätze da oben sind eigentlich für Kinder», erklärt der Camping-Profi. Für Erwachsene sei es dort viel zu eng.

Engels Kollege Severin Wirth (37) macht die Probe aufs Exempel und klettert via Klappleiter in den oberen Schlafbereich. Tatsächlich sind die Platzverhältnisse, milde ausgedrückt, beengt. In diagonaler Liegeposition sollte es aber für zwei Nächte gehen, meint Wirth. Derweil liegen Engel und Mitcamper Nummer drei, Stefan Pfister (36), im unteren Bereich Probe. Auch hier gibts ausserplanmässige Einschränkungen: «Sich bequem auszustrecken, liegt nicht drin», urteilt Pfister. Das Problem: Statt wie im normalen Bulli längs liegen Passagiere im Grand California quer. Bei einer nutzbaren Breite von rund 1,90 Meter sind so für beide Kollegen mit Körpergrössen um die 1,85 Meter die Platzverhältnisse eher knapp bemessen. Der erste Eindruck bestätigt sich auch in den folgenden zwei Nächten.

VW Grand California 600

Antrieb 2,0-R4-Turbodiesel, 177 PS (130 kW), 410 Nm@1500/min, 8-Gang-DSG, Front
Fahrleistungen 0-100 km/h k.A. s, Spitze 156 km/h
Masse L/B/H 5,99/2,04/3,09 m, 3120 kg
Verbrauch Werk/Test 12,3/10,1 l/100 km, 324/267 g CO2/km
Preis Ab 65'790 Franken (Testwagen mit Optionen: 87'703 Fr.)

Antrieb 2,0-R4-Turbodiesel, 177 PS (130 kW), 410 Nm@1500/min, 8-Gang-DSG, Front
Fahrleistungen 0-100 km/h k.A. s, Spitze 156 km/h
Masse L/B/H 5,99/2,04/3,09 m, 3120 kg
Verbrauch Werk/Test 12,3/10,1 l/100 km, 324/267 g CO2/km
Preis Ab 65'790 Franken (Testwagen mit Optionen: 87'703 Fr.)

Ausstattung ist Grand

Doch wo genau ist der Grand California denn Grand, wie es der Name suggeriert? Auch hier werden die Kollegen schnell fündig: Rund um den hinteren Schlafplatz etwa gibt es jede Menge Platz in den aufklappbaren Staufächern. Auch rund um den Küchenbereich mit seinen beiden Gaskochfeldern und dem Spülbecken gibts Ablagen und ausklappbare Arbeitsflächen in Hülle und Fülle. Das Highlight bildet allerdings die separate Duschkabine mit integriertem WC, dank der der nächtliche Toilettengang bequem «on board» erledigt werden kann.

Zudem wartet auch der Grand California mit pfiffigen Detaillösungen auf, wie man sie vom Bulli kennt: Fahrer- und Beifahrersitz können um 180 Grad gedreht werden, womit der Wohn- zum Essbereich für vier Personen wird. Ausziehbare Mückengitter an Schiebetür und Ausstellfenstern schützen vor lästigen Mitbewohnern. Ein elektrisch ausfahrbares Trittbrett erleichtert zudem den Einstieg in den Camper, der abseits des Platzes auch autark über die optionale Solaranlage (1928 Fr.) mit Strom versorgt werden kann.

Fazit

Der Klassiker Bulli ist dank seiner handlichen Grösse und der allgemein besseren Platzausbeute das praktischere Auto – besonders, wenn er auch im campingfreien Alltag als Fahrzeug benutzt wird. Der Grand California hingegen ist für all jene interessant, die noch ein Stück mehr Komfort auf Reisen geniessen möchten und auch mal abseits der Campingplätze die grosse Freiheit suchen. Das können jüngere oder ältere Pärchen sein oder die Familie mit schwindelfreien, nicht allzu grossgewachsenen Kids. Ein grosser Pluspunkt ist sicherlich der Preis des Grand California: Mit ab 65'790 Franken ist er kaum teurer als der Bulli, der als gut ausgestatteter California Ocean mit mindestens 64'750 Franken zu Buche schlägt.

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