Blick testet das Tesla Model X Plaid
5:11
Was kann der Superstromer?Blick testet das Tesla Model X Plaid

Tesla Model X Plaid im Blick-Supertest
Powerstromer zwischen Genie und Wahnsinn

Nach zwei Jahren Pause bringt Tesla die Oberklasse-Modelle S und X zurück in die Showrooms. Rundum erneuert und stark wie nie! Blick testete das Model X in der Topvariante Plaid – ein Ritt zwischen Genie und Wahnsinn.
Publiziert: 25.03.2023 um 16:00 Uhr
|
Aktualisiert: 26.03.2023 um 20:24 Uhr
1/34
Seit Januar ist das neue Model X in der Topvariante Plaid in der Schweiz erhältlich. Blick unterzog Teslas Superstromer einem ausgiebigen Test – ein Ritt zwischen Genie und Wahnsinn.
Foto: Kim Hüppin
RMS_Portrait_AUTOR_929.JPG
Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Manche Autos hat man schon wieder vergessen, kaum ist man ausgestiegen. Teslas neues Model X Plaid gehört definitiv nicht dazu. Kein Tag verging, ohne dass uns der Elektro-Crossover im Zehn-Tage-Test überraschte – im positiven wie im negativen Sinn. Wenn Tesla-Boss Elon Musk (51) als Auto reinkarnieren würde, er wäre wohl das Model X Plaid: irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn. Wir haben die fünf grössten Stärken und Schwächen des neuen Super-Tesla dokumentiert.

1

Geniales Raumangebot

Rund 2,5 Tonnen schwer, über fünf Meter lang: Das Model X ist eine imposante Erscheinung. Geöffnet wird bei Tesla schon lange nicht mehr per Schlüssel – hier dient das Smartphone als Türöffner. Und was sich hinter den gewaltigen «Falcon Wings» auftut, ist beeindruckend: Im Plaid gibts Platz für bis zu sechs Passagiere (im Basis-Model X bis zu sieben), wobei in Reihe 3 sogar grössere Gäste bequem sitzen. Und nicht umsonst hat das Model X wie alle Tesla einen Camping-Modus: Im 2600 Liter fassenden Laderaum können zwei Erwachsene bequem nebeneinander nächtigen.

2

Geniale Effizienz

Wir gebens zu: Auch im Autotester-Alltag überwältigt der Spieltrieb manchmal den ökologischen Gedanken. Statt im besonders effizienten «Lässig»-Modus waren wir häufig in «Sport» oder «Plaid» unterwegs. Sprich: Plus an Fahrspass, Minus bei der Reichweite. Dennoch bilanzieren wir: 450 Alltags-Kilometer liegen im Model X locker drin. Bei sparsamer Fahrweise scheinen auch die theoretisch möglichen 543 Kilometer (WLTP) realistisch. An die Effizienz von Tesla kommt aktuell kaum ein anderer Hersteller ran.

3

Geniale Verspieltheit

Obwohl Tesla immer wieder wegen fragwürdigen Arbeitsbedingungen in die Schlagzeilen gerät: Die Entwickler der Unterhaltungssoftware des Model X scheinen Spass an ihrem Job zu haben. Ob furzende Hupe, regenbogengefärbte Anzeige bei aktiviertem Autopilot oder perfekt inszenierte Licht- und Technikshow mit flatternden Flügeltüren – die Verspieltheit der Modelle tut der sonst oft bierernsten Autobranche gut. Doch auch da, wo sie muss und nicht nur kann, punktet die Software: Eine bessere Routenplanung mit exakt getimten Ladestopps als bei Tesla gibts bis anhin nirgends.

4

Genialer Preis

Bei einem Testwagenpreis von über 140'000 Franken «genial» zu schreiben, klingt hirnverbrannt. Doch wenn man in Betracht zieht, was es für den Preis alles gibt – ein ultimatives Elektro-Gadget mit mehr als 1000 PS und Platz für bis zu sieben Personen –, kann man beim Model X Plaid ohne schlechtes Gewissen von preiswert sprechen. Die Leistung ist aktuell konkurrenzlos, Mitbewerber wie BMW iX oder Mercedes EQS SUV liegen preislich teils deutlich über dem Tesla. Die günstigere 4x4-Version des Model X mit immer noch imposanten 670 PS Systemleistung startet ab 107'990 Franken.

5

Geniale Beschleunigung

Highlight im Model X Plaid ist der «Drag Strip»-Modus. Ist das System via Monitor vorkonditioniert, was bis zu einer halben Stunde dauert, gibt der Tesla die maximal möglichen 1020 PS für den Allradler frei. Um den Wahnsinn zu testen, gehen wir aufs Gelände der Antischleuderschule ASSR in Regensdorf ZH. Nach der Bestätigung «Spitzenleistung bereit» im Display gibt uns der Tesla Anweisungen: Linker Fuss auf die Bremse, rechter aufs Gas. Das Model X geht in die «Gepard»-Stellung mit abgesenkter Front – ähnlich wie ein US-Dragster. Nach wenigen Sekunden heissts: Feuer, pardon, Strom frei! Ohne Traktionsverlust schiesst der X los, als gäbe es kein Morgen. Wahnsinn! Auf der knapp 200 Meter langen Piste erreichen wir gut 130 km/h – selbst nach der sechsten Wiederholung!

Tesla Model X Plaid

Antrieb: 3 Elektromotoren, Systemleistung 1020 PS (750 kW), 1-Gang-Getriebe, Allrad, Batterie 95 kWh (netto)
Fahrleistungen: 0–100 km/h in 2,6 s, Spitze 262 km/h, Reichweite WLTP/Test 543/450 km
Masse: L/B/H 5,04/2,00/1,68 m, Leergewicht 2455 kg, Laderaum 425–2614 l
Verbrauch: WLTP/Test 20,8/23,8 kWh/100 km, 0 g/km CO₂ lokal, Energieklasse A
Preis: ab 127'990 Franken (Testwagen inkl. Optionen 142'380 Fr.)

Antrieb: 3 Elektromotoren, Systemleistung 1020 PS (750 kW), 1-Gang-Getriebe, Allrad, Batterie 95 kWh (netto)
Fahrleistungen: 0–100 km/h in 2,6 s, Spitze 262 km/h, Reichweite WLTP/Test 543/450 km
Masse: L/B/H 5,04/2,00/1,68 m, Leergewicht 2455 kg, Laderaum 425–2614 l
Verbrauch: WLTP/Test 20,8/23,8 kWh/100 km, 0 g/km CO₂ lokal, Energieklasse A
Preis: ab 127'990 Franken (Testwagen inkl. Optionen 142'380 Fr.)

So genial manche Dinge im Model X Plaid sind, so sehr trieb es uns mit anderen Details in den Wahnsinn. Die nachfolgenden fünf Punkte waren im Test echt schwach:

1

Verarbeitungs-Wahnsinn

Dass Tesla bei der Verarbeitungsqualität lange Zeit Probleme hatte, ist bekannt. Umso erstaunter sind wir, als wir im Cockpit des Stromers «Made in USA» Platz nehmen: Überall Karbon, Leder und Alcantara, dazu der gestochen scharfe 17-Zoll-Touchscreen, der sich ergonomisch zum Fahrer oder Beifahrer ausrichten lässt: Das Model X sieht richtig proper aus! Umso ärgerlicher, dass wir schon nach wenigen Metern ein fieses Knarren und Knatschen aus der linken Ecke des Armaturenbretts feststellen – dafür haben auch die grössten Tesla-Fans sicher kein Verständnis.

2

Yoke-Wahnsinn

Woke-Wahnsinn? Nein, in diesem Tesla herrscht Yoke-Wahnsinn! Yoke, so heisst das neue, rechteckige Lenkrad, das auf Wunsch das Rund-Lenkrad ersetzt. Der Sinn erschliesst sich uns nicht: Da der Lenkeinschlag der gleiche ist, muss wie gewöhnlich bei Manövern häufig nachgefasst werden – was beim Yoke bedeutet, dass man ständig ins Leere greift. Im Kreisel beim Verlassen den Blinker stellen? Fast unmöglich, wenn das Lenkrad auf dem Kopf steht – am Yoke gibts nämlich auch keine Hebel mehr. Für uns eine Innovation, die ihren Zweck – das Autofahrer-Leben leichter zu machen – verfehlt. Wir würden deshalb weiterhin das gewöhnliche Rundlenkrad empfehlen.

3

Wende-Wahnsinn

Kommt erschwerend dazu, dass man beim Model X im Vergleich zu anderen SUV-Dickschiffen sogar häufiger ins Lenkrad greifen muss. Schuld ist der extrem grosse Wendekreis: Offiziell gibt Tesla 12,4 Meter an – gefühlt sind es noch mehr. Bedeutet in der Praxis: Wo wir mit anderen Autos bequem in einem Schwung aus der Tiefgaragenausfahrt kommen, geht uns im Tesla der Platz aus. Nur zum Vergleich: Der rund zehn Zentimeter längere Mercedes EQS SUV kommt dank Hinterachslenkung auf einen Wendekreis von nur elf Metern – und auch ohne das Hightech-Extra sinds nur 11,9 Meter.

4

Flügeltür-Wahnsinn

Wir bleiben vorerst in der Tiefgarage – ein Ort, in dem das Model X im Test keine gute Figur machte. Schuld sind die «Falcon Wings» genannten Flügeltüren: Die hochkomplexe Gelenk-Konstruktion soll eigentlich dafür sorgen, dass die Türen selbst dann noch öffnen, wenn das Auto in einer sehr engen Lücke steht. Doch so wenig Platz die Türen zur Seite brauchen, so viel benötigen sie, um komplett nach oben aufzuschwingen. So passierte es im Test immer wieder, dass wir in flachen Tiefgaragen die Türen gar nicht oder nur einen Spalt öffnen konnten und Passagiere gar nicht hätten aussteigen können. Einmal übersahen die Sensoren zudem ein kleines Rohr an der Decke, wovon später zwei kleine Schrammen im Lack zeugten.

5

Autopilot-Wahnsinn

Assistenzsysteme, welche uns auf der Strasse unterstützen, bietet heute jeder Hersteller. Doch nur Tesla war so clever, das Zusammenspiel von Abstand-, Spurhalter und Tempomat werbewirksam als Autopilot zu bezeichnen – selbst fahren dürfen die Autos nämlich bis heute von Gesetzes wegen nicht (auch interessant: Hat Tesla beim Autopilot betrogen?). Zum Glück, denn im Tesla wären wir nicht weit gekommen: Des Öfteren erlebten wir, dass der Tesla den Autopiloten während der Fahrt aus heiterem Himmel deaktivierte und er sich danach auch nicht mehr aktivieren liess. Einmal stieg sogar der einfache Tempomat aus – wahnsinnig lästig.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?