Aktienkurs und Kundenzufriedenheit im Keller
Tesla kämpft mit enormen Problemen

Lange stromerte Tesla mit CEO Elon Musk von Erfolg zu Erfolg. Doch seit einem Jahr läufts nicht mehr rund. Der Aktienkurs von Tesla ist aktuell ebenso tief im Keller wie die Stimmung vieler Kunden.
Publiziert: 17.01.2023 um 11:01 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2023 um 14:06 Uhr
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In der Schweiz verkauft sich das Tesla Model Y noch prima. Es war 2022 gar der meistverkaufte Neuwagen. Doch auf dem weltgrössten Markt in China dümpeln die Tesla-Verkäufe vor sich hin. Grund: Grosse Konkurrenz und zu hohe Preise.
Foto: AP
Stefan Grundhoff und Raoul Schwinnen

Die Tesla-Aktie war eine der Verlierer-Aktien des Jahres 2022. Lag sie im vergangenen Frühling noch bei über 384 US-Dollar, stürzte das US-Papier in weniger als einem Jahr auf 101 Dollar ab – mehr als 70 Prozent minus. Das bedeutet ein Börsenwert-Verlust von über 750 Milliarden Dollar.

Auch bei den Autoverkäufen blieb Tesla zuletzt hinter den Erwartungen zurück. In der Schweiz war 2022 das Tesla Model Y zwar der meistverkaufte Neuwagen und in der Markenhitparade tauchte die seit dem dritten Quartal 2019 profitable Marke erstmals in den Top-Ten auf. Doch auf dem weltgrössten Markt China harzt der Tesla-Absatz. Um dort die dümpelnden Verkäufe anzukurbeln, wurden bereits zum zweiten Mal die Preise von Model 3 und Model Y um bis zu 20 Prozent gesenkt. Sehr zum Unmut all jener chinesischen Kunden, die ihr Model 3 oder Y kurz zuvor noch zum höheren Preis erworben hatten.

Mehr aufs Kerngeschäft konzentrieren

Es läuft aktuell nicht mehr rund bei Tesla. Die Gründe dafür sind deutlich vielschichtiger als nur ein CEO, der sich im letzten Quartal mehr mit der Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter einen Namen machte, als mit der Pflege seiner Automarke. Viele Kunden nehme Elon Musk (51) die Twitter-Übernahme übel. Musk soll sich besser auf seine Autosparte konzentrieren, statt Politik zu machen, lautet der Tenor.

Bei den Autos hat Tesla seinen Vorsprung auf die Konkurrenz inzwischen eingebüsst. Das gilt nicht nur für den Nebenschauplatz Europa, wo Marken wie Audi, BMW, Mercedes, Polestar oder Porsche Tesla ein- und überholt haben. Auch in Amerika sind General Motors (GM) und Ford aus ihrem «Elektroschlaf» erwacht, und haben mittlerweile Elektroautos auf den Markt gebracht, die es locker mit jenen von Tesla aufnehmen können. Und die Ankündigung des Stellantis-Konzerns letzte Woche an der Consumer Electronic Show CES in Las Vegas (USA), weltweit auf Elektromobilität zu setzen, erhöht den Druck auf Tesla weiter.

Noch übler als auf dem Heimmarkt USA sieht die Konkurrenzsituation für Tesla in China aus. Dort schiessen alle paar Wochen neue Elektroauto-Hersteller aus dem Boden oder die renommierten Grosskonzerne wie BYD gründen neue Elektromarken (zum Beispiel Yangwang). Die chinesischen Hersteller sind nicht nur technologisch längst auf der Höhe, sondern müssen sich auch beim Design nicht mehr verstecken. Dazu liegen nicht nur aufgrund der lokalen Fertigung – Tesla produziert schliesslich auch im Grossraum Shanghai – die Verkaufspreise der chinesischen Wettbewerber deutlich unter dem Tesla-Niveau.

Entwicklungs-Fortschritte verpasst

Der einstige Elektropionier Tesla verpasst aber auch wichtige Entwicklungsschritte. Etwa jenen zur angesagten 800-Volt-Ladetechnik. Diese gibts aktuell bei Audi, Porsche, Kia und Hyundai – und weitere Marken werden noch dieses Jahr folgen. Bei Tesla ist dagegen nichts davon zu hören. Und auch das seit langem von Musk angekündigte Fahrerassistenzsystem der Stufe 3 ist nach wie vor nicht im Angebot und somit die proklamierte Coast-to-Coast-Fahrt in den USA ohne Hände am Steuer weiterhin nicht in Sicht. Schlimmer: Immer wieder sorgt Teslas-Autopilot für Unfälle, wie diese Woche in Los Angeles (USA), als der Autopilot abrupt abbremste und so eine Massenkarambolage auslöste.

Autopilot von Tesla bremst abrupt ab – und verursacht Massenkarambolage
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Massenkarambolage verursacht:Autopilot von Tesla bremst abrupt ab

Tesla leidet zudem darunter, dass man das überschaubare Modellportfolio erst mal auf international solide Füsse stellen musste. Doch jetzt geraten die Tesla-Modelle langsam ins Alter. Das Model S hätte längst abgelöst werden müssen. Und auch der verspätete Verkaufsstart des Topmodells Plaid in Europa sorgt weder für nennenswerten Imagegewinn noch für die nötigen Verkaufszahlen. Ähnlich die Situation beim Model X, dessen Fahrleistungen zwar eine Show sind. Dennoch ist der Luxus-Crossover zu schwer und zu teuer. Dass die meisten technischen Probleme des Flügeltürers inzwischen endlich beseitigt scheinen, ist nur ein schwacher Trost. Auch das Model X müsste angesichts der starken Konkurrenz aus Asien, Europa und den USA langsam ersetzt werden.

Kannibalisierung trotz kleiner Modellpalette

Doch das ist ebenso wenig geplant wie die Ablösung des Urgesteins Model S, das punkto Technik kaum mehr mit den jüngeren Konkurrenzmodellen Audi E-Tron GT, BMW i7 oder Mercedes EQS mithalten kann. Die grösste Konkurrenz des Model S kommt jedoch aus dem eigenen Hause. Statt ein Model S kaufen sich heute viele das deutlich modernere Model 3. Dieses ist zwar kompakter, aber viel preiswerter – wirft jedoch für Tesla einen deutlich kleineren Deckungsbeitrag ab. Ein Problem, mit dem auch das Model X zu kämpfen hat. Statt das grosse und teure Model X wird praktisch nur noch das kompaktere und günstigere Model Y gekauft. Entspannung brächte vielleicht ein weiterer Crossover als kleiner Bruder des Model Y. Ein solches Fahrzeug soll im Hause Tesla auch immer wieder Thema sein. Nur: Konkrete Pläne über eine Fertigung und Vermarktung sind aktuell nicht bekannt.

Dass sich Tesla selbst in der Heimat USA die Butter bei den Fullsize-Pick-ups vom Brot nehmen liess, war noch bis vor kurzem nicht abzusehen. Doch der Ford F-150 Lightning dreht inzwischen dem ohnehin mehr als polarisierenden Tesla Cybertruck eine lange Nase. Und bald kommen mit dem Chevrolet Silverado EV und dem Ram 1500 Revolution BEV die nächsten Bestseller-Pick-ups mit Elektroantrieb. Also auch da schwere Zeiten für Tesla. Musk behauptet zwar weiterhin selbstbewusst, dass vom Cybertruck über eine Million Vorbestellungen vorliegen würden. Doch so mancher Kunde dürfte mittlerweile auf den F-150 Lightning umgeschwenkt sein, der zudem grosse Chancen hat, auch nach Europa zu kommen. Was für den Tesla Cybertruck aktuell nicht vorgesehen ist.

Bleibt die Frage, ob Tesla einen CEO-Wechsel noch lange hinauszögern kann. Denn immer mehr Tesla-Kunden sind von den Produkten zwar nach wie vor überzeugt, wünschen sich jedoch einen neuen Kopf am Tesla-Steuer. Oder zumindest einen CEO, für den Tesla wieder der Hauptarbeitsplatz ist. Zumindest diesbezüglich scheint schnelle Besserung in Sicht. Denn Elon Musk will die Twitter-Führung nach einem User-Votum zeitnah abgeben. Ob er sich danach auch aus der Geschäftsführung heraushält, darf jedoch bezweifelt werden.

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