WLTP-Werte sind laut TCS realistischer
Der Normverbrauch lügt nicht mehr

Eineinhalb Jahre nach Einführung ist es still um den WLTP-Zyklus zur Verbrauchsmessung geworden. Nun stellen der TCS und die BLICK-Autoredaktion fest: Gegenüber dem alten Messzyklus NEFZ liegen Papier- und Alltagswerte neu viel dichter beieinander.
Publiziert: 22.04.2020 um 17:07 Uhr
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Aktualisiert: 24.07.2020 um 21:29 Uhr
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Der TCS verzeichnet seit dem Wechsel vom NEFZ zum WLTP nun deutlich weniger Abweichung vom Test- zum Normwert.
Foto: Grafik TCS (zVg)
Timothy Pfannkuchen

Vor zwei Jahren war es der grosse Aufreger in der Autobranche: die Änderung des Messverfahrens bei den Werksverbräuchen. Seit 1992 wurden diese nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) ermittelt. Dessen Messbedingungen waren aber so weit vom realen Fahrverhalten entfernt, dass sich die vergleichsweise tiefen Werksverbräuche kaum einmal im Alltag erzielen liessen. Resultat: Unzufriedene Kunden, Schummelvorwürfe an die Industrie. Dabei nutzte diese nur die erlaubten Spielräume im NEFZ-Verfahren aus, um die Verbrauchswerte zu drücken.

Seit Herbst 2018 gilt nun der neue Normzyklus World Harmonized Light Vehicle Test Procedure (WLTP). Und seitdem entpuppen sich die Prospektangaben zum Verbrauch tatsächlich als weit realitätsnäher als im alten NEFZ.

Nur ein Beispiel: Im Test des neuen Renault Clio kam BLICK jüngst auf 0,5 l/100 km «Realitäts-Zuschlag» vom WLTP zum Alltag. In einem BLICK-Test des alten Clio lag die Abweichung 2013 bei 1,7 l/100 km vom NEFZ zur Realität – in beiden Fällen mit hubraumkleinen Turbobenzinern. Gerade deren Verbreitung hatte sich als Hauptursache der zuletzt immer weiter wachsenden Diskrepanzen zwischen NEFZ und Alltagstest erwiesen, weil sie im NEFZ kaum, im Alltag dagegen dauernd im Turbolader-Bereich fahren.

TCS nur noch 0,3 l/100 km

Dies bestätigt jetzt auch eine Veröffentlichung des Touring Club Schweiz (TCS), der in Emmen LU Normtests durchführt und zudem etliche eigene Realtests fährt. In TCS-Tests lag die Abweichung im NEFZ von 2014 bis 2017 im Schnitt bei 1,6 bis 1,8 l/100 km nach oben – Tendenz steigend. Im WLTP hat sich das auf 0,3 l/100 km reduziert.

Der WLTP-Zyklus wird zwar ebenfalls auf dem Rollenprüfstand gefahren, aber die Messstrecke ist fast doppelt so lang, die Tempi sind höher, und vor allem ist der Fahrstil dynamischer: nicht sportlich, aber alltagsnah. Zudem können die Fahrzeuge nicht mehr wie noch im NEFZ für den Test optimiert werden. Wichtig: Mit Abgasbetrug bei Schadstoffemissionen hat die Verbrauchsmessung übrigens zunächst mal nichts zu tun.

E-Reichweiten realistischer

Der Effekt durch den neuen Messzyklus schlägt sich auch in den Reichweiten von Elektroautos nieder. Auch hier ein Beispiel: Noch 2016 kam BLICK im Test des alten Nissan Leaf auf 200 statt gelobter 250 NEFZ-Kilometer – also minus 20 Prozent. Im Test des neuen Nissan Leaf waren es 2019 dagegen nicht weniger, sondern gar 2,5 Prozent mehr: WLTP 270, BLICK-Test 277 Kilometer.

Illusorische Plug-in-Hybride

Also alles gut? Naja: Trotz WLTP bleiben leider die Normwerte bei Plug-in-Hybriden illusorisch, weil der Normwert – grob vereinfacht gesagt – noch immer eher die ersten 100 Kilometer mit vollem Akku und elektrischer Teilstrecke abbildet. Ein Beispiel: Im BLICK-Test des Ford Explorer lag die WLTP-Werksangabe bei 3,2 l/100 km + 22 kWh/100 km, der Testwert bei 9,4 l/100 km + 13 kWh/100 km. Allerdings: Wie jede Norm muss der WLTP Kompromisse machen: Auch ohne elektrische Strecke wärs unrealistisch.

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