Verbrauchsmessung: Aus NEFZ wird WLTP
Weiterhin alles Lüge?

Seit 1. September 2018 gilt für die offiziellen Auto-Verbrauchsangaben der WLTP-Zyklus. Was hat sich im Vergleich zum NEFZ geändert? Sind die Angaben seither realistischer? Oder ist weiterhin alles Lüge?
Publiziert: 11.07.2019 um 16:36 Uhr
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Seit 1. September 2018 gilt für die Auto-Verbrauchs- und Abgaswerte der strengere WLTP-Messzyklus (World Harmonized Light Vehicle Test Procedure).
Foto: Werk
Raoul Schwinnen

Autohersteller werben im Prospekt mit tiefen Verbrauchswerten für ihre Neuwagen. Im Alltag liegen wir dann aber oft bis zu 30 Prozent darüber. Das war zumindest bis letzten Herbst so: Seit 1. September 2018 gilt der neue Testzyklus WLTP (World Harmonized Light Vehicle Test Procedure) und löst nach 26 Jahren den NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) ab. Ziel: Die Verbrauchsangaben der Hersteller sollen endlich realistischer werden.

Was viele nicht wissen: Der 1992 eingeführte NEFZ diente gar nie dazu, Alltagsverbräuche abzubilden. Vielmehr gings darum, Autos global miteinander vergleichbar zu machen. Darum wurde der Normverbrauch auch unter identischen Laborbedingungen ermittelt. Verbräuche weltweit zu vergleichen, blieb freilich ein Ding der Unmöglichkeit, weil die Testbedingungen in Asien, den USA und Europa unterschiedlich blieben. 

WLTP-Verfahren gilt nicht weltweit

Vor rund einem Jahrzehnt scheiterte ein erster Harmonisierungsversuch. Auch für den nun flächendeckend eingeführten WLTP gelten bereits wieder zahllose Sonderregelungen und Ausnahmen, sodass von einem weltweiten Vergleich weiterhin keine Rede sein kann. So gilt der WLTP in der EU (plus Grossbritannien, Island, Israel, Liechtenstein, Schweiz und Türkei) und in abgewandelter Form in Japan und Südkorea. Aber Australien, Russland, einige Staaten im Mittleren Osten und Südamerika bleiben beim NEFZ. Die USA sowie Brasilien verwenden nochmals andere Zyklen. Und China als Autonation Nummer 1 nutzt den WLTP nur als Testverfahren, zur Verbrauchsermittlung aber weiterhin den NEFZ – und plant künftig ein eigenes Messverfahren.

Immerhin: Die ersten WLTP-Messungen zeigen im Vergleich zum NEFZ deutlich realitätsnähere Verbrauchswerte, zumal die Schere zwischen Labor und Alltag beim NEFZ in den letzten Jahren zum Beispiel wegen der vielen neuen Turbobenziner deutlich zugelegt hatte. Mit dem WLTP wurde das Testszenario entsprechend angepasst. So dauert der Testzyklus mit 30 Minuten nun doppelt so lang, die Standzeit reduziert sich von knapp 24 auf 13 Prozent. Dagegen verlängert sich die gefahrene Strecke von 11 auf 23 Kilometer, und das Durchschnittstempo erhöht sich von 34 auf 46 km/h.

Klimaanlage wird nicht berücksichtigt

Auch die Prüfvorgaben wurden strenger: So wird nicht mehr bloss die Basisvariante getestet, sondern auch Derivate, da Sonderausstattungen Einfluss auf die Messwerte haben. Zum WLTP, der weiterhin überwiegend auf einem Rollenprüfstand gefahren wird, zählt neu auch der Realtest RDE (Real Driving Emissions) auf der Strasse. Dieser sorgt dafür, dass die Grenzwerte für Stickoxide und Partikel eingehalten werden. Was dagegen wie ein schlechter Witz anmutet, ist, dass sich die WLTP-Verantwortlichen nicht einigen konnten, welchen Einfluss eine eingeschaltete Klimaanlage hat. Und deshalb wird bis auf Weiteres einer der grössten Energieverbraucher im Auto nicht berücksichtigt!

Immerhin: Die Plug-in-Hybride, deren Verbrauchswerte früher nach NEFZ-Zyklus alle utopisch tief lagen, müssen nun das Testprozedere zwei Mal absolvieren – einmal wird mit vollem Akku gestartet, das zweite Mal mit leerer Batterie. Aus beiden Tests errechnet sich dann der auszuweisende Verbrauch und CO2-Mittelwert.

Der WLTP-Messzyklus hat den Herstellern und Importeuren eine Menge Homologationsaufwand beschert. Deshalb kam es während und kurz nach der Umstellung teils zu Anpassungen im Angebot und Lieferengpässen. Mittlerweile hat die Industrie ihre Hausaufgaben gemacht, und wir Konsumenten – zumindest in Europa – profitieren so von endlich realistischeren Verbrauchs- und CO2-Angaben.

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