Verbrauchsangabe Elektroautos
Wie weit fahren E-Autos wirklich?

Viele neue Elektroautos locken mit grossen Reichweiten. Meistens sind diese aber deutlich höher angegeben, als sie sich im Alltag erreichen lassen. Blick klärt auf, wieso beim Stromverbrauch Theorie und Alltagspraxis nicht übereinstimmen.
Publiziert: 15.11.2024 um 10:11 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2024 um 11:03 Uhr
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Hersteller von Elektroautos geben oft eine viel zu hohe WLTP-Reichweite an.
Foto: TESLA

Auf einen Blick

  • WLTP-Verbrauchsangaben sind realistischer als frühere NEFZ-Werte
  • Elektroauto-Reichweiten im Alltag oft zu optimistisch
  • Smart #1: 62 kWh Batterie, 356 km realistische Reichweite
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Lorenzo Fulvi und Erich Schwizer

Vor zehn und mehr Jahren war allen Autofahrern klar: Die Verbrauchsangaben der Hersteller sind im Alltag nicht zu schaffen. Damals wurden Werksverbräuche noch nach dem alten NEFZ-Messzyklus gemessen. Dem lag ein uraltes und längst realitätsfernes Streckenprofil zugrunde, das der Messingenieur auf einem Prüfstand nachfuhr. Die Folge: Zwischen Theorie und Praxis klafften oft 1,5 Liter Mehrverbrauch und mehr.

Das hat sich mit dem neuen WLTP-Zyklus (steht für worldwide harmonized light vehicles test procedure, deutsch: weltweit einheitliches Leichtfahrzeuge-Testverfahren) deutlich geändert. Viele Verbrenner schaffen in Blick-Autotests die nach dem neuen Zyklus gemessenen Werte locker und unterbieten sie sogar manchmal. Gilt das auch bei Elektroautos?

So erfolgt die Messung

Dass bei Stromern die angegebene Reichweite – auch WLTP-Reichweite genannt – meist unrealistisch ist, sollte vielen Autofahrern bereits bewusst sein. Doch warum ist das eigentlich so und vor allem: Wie wird das überhaupt gemessen? Blick hat bei TCS-Experte Erich Schwizer nachgefragt. Dem 23 km langen und vierteiligen WLTP-Zyklus werden bei Elektroautos zwei weitere Teile angehängt. Somit entsteht ein etwa 31 km langer Zyklus, welcher als dynamisches Segment (DS) bezeichnet wird.

«Dieses Segment fährt man einmal mit voller Batterie und einmal mit etwas mehr als 10 Prozent Restkapazität. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist Rekuperieren mit voller Batterie nicht möglich, zum anderen muss man Betriebsbedingungen wie eine abnehmende Batteriespannung sowie Veränderungen der Batterietemperatur während der Fahrt berücksichtigen können», erklärt uns Schwizer. Für die erste Berechnung eines kombinierten Verbrauchs und Stadtverbrauchs werden die WLTP-Abschnitte gewichtet und aus beiden DS ermittelt.

Kompliziert? Definitiv: Damit das Batterieladeniveau nahe 10 Prozent schneller erreicht wird, fährt man konstant mit 100 km/h nach dem ersten DS. «Auf die Messung im zweiten DS folgt wiederum eine Konstantfahrt, bis die Geschwindigkeit von 100 km/h nicht mehr gehalten werden kann. Erfasst wird die gesamte Energiemenge, die während den beiden DS und beiden Konstantfahrten aus der Batterie entnommen wurde», meint Schwizer dazu. Die kombinierte Reichweite in den technischen Daten eines Fahrzeugs ergibt sich aus dieser gesamten Energiemenge dividiert durch den oben erwähnten kombinierten Verbrauch.

Um die WLTP-Verbrauchsangabe für die technischen Daten zu ermitteln, wird die Batterie vollständig aufgeladen und dabei die gesamte, der Steckdose entnommene Energiemenge, gemessen. «Der WLTP-Verbrauch im Prospekt ergibt sich aus der nachgeladenen Energiemenge, dividiert durch die zuvor berechnete Reichweite», sagt uns der Experte.

Reichweiten sind oft optimistisch

Und was bedeutet das im Alltag? Der WLTP-Zyklus führt zu einer deutlich realistischeren Verbrauchsangabe als der frühere NEFZ. Unter günstigen Wetter- und Betriebsbedingungen kann der Halter den angegebenen WLTP-Verbrauch tatsächlich erreichen oder sogar leicht unterschreiten. Die nach WLTP ermittelten Reichweiten sind hingegen meistens zu optimistisch. Einen realistischeren Reichweitenwert, erhält man, wenn man die im Prospekt angegebene Netto-Batteriekapazität (nutzbare Kapazität) durch den angegebenen WLTP-Verbrauch teilt. Das führt zu realistischen Werten, sofern nicht Hitze, Kälte oder schnelle Autobahnfahrten im Spiel sind.

Smart #1 Pro+

Antrieb 1 Elektromotor, Leistung 272 PS (200 kW), 343 Nm, 1-Gang-Getriebe, Hinterradantrieb, Akku brutto 66 kWh (netto 62 kWh)
Fahrleistungen 0–100 km/h 6,7 s, Spitze 180 km/h
Masse L/B/H 4,27/1,82/1,64 m, Leergewicht 1800 kg, Kofferraum 323–986 l + 15 l Frunk
Verbrauch WLTP/Test 17,4/16,3 kWh/100 km = 420/380 km Reichweite, CO₂-Ausstoss 0 g/km, Energie A
Preis Testwagen Pro+ für 38'490 Fr., Premium für 41'480 Fr., Launch Edition für 42'780 Fr., Brabus für 45'480 Fr.

Antrieb 1 Elektromotor, Leistung 272 PS (200 kW), 343 Nm, 1-Gang-Getriebe, Hinterradantrieb, Akku brutto 66 kWh (netto 62 kWh)
Fahrleistungen 0–100 km/h 6,7 s, Spitze 180 km/h
Masse L/B/H 4,27/1,82/1,64 m, Leergewicht 1800 kg, Kofferraum 323–986 l + 15 l Frunk
Verbrauch WLTP/Test 17,4/16,3 kWh/100 km = 420/380 km Reichweite, CO₂-Ausstoss 0 g/km, Energie A
Preis Testwagen Pro+ für 38'490 Fr., Premium für 41'480 Fr., Launch Edition für 42'780 Fr., Brabus für 45'480 Fr.

Im Beispiel des Smart #1 führt die Nettokapazität von 62 Kilowattstunden (kWh) dividiert durch den «selbst gefahrenen Durchschnittsverbrauch» 16.3 kWh/100 km zu einer Reichweite von 380 km. Wenn man die Nettokapazität 62 kWh durch den Verbrauch im Prospekt 17.4 kWh/100 km dividiert, ergibt sich dann eine realistische Reichweite von 356 km.

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