Elektrischer MG Cyberster erstmals auf Schweizer Strassen
Wie viel Tradition steckt im China-Roadster?

Die ersten Modelle des MG Cyberster haben die Schweiz erreicht. Blick konnte eine kurze Runde im bis zu 510 PS starken Elektro-Roadster drehen und sagt, wie viel britische Tradition tatsächlich noch unter dem chinesischen Blech steckt.
Publiziert: 24.10.2024 um 06:04 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2024 um 17:59 Uhr
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Seit Mitte der 2000er-Jahre gehört die britische Traditionsmarke MG zum chinesischen SAIC-Konzern.
Foto: Kim Hueppin

Auf einen Blick

  • MG bringt ersten Elektro-Roadster seit Tesla 2008
  • Cyberster vereint britische Tradition und modernes Design
  • 510 PS und 725 Nm Drehmoment für beeindruckende Leistung
  • Reichweite von bis zu 500 Kilometern
  • Preis ab 63'990 Franken macht ihn konkurrenzlos
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

In Zeiten des schnellen Wandels besinnen sich nicht nur Autohersteller gern auf ihre traditionsreiche Geschichte. Das ist auch bei der britischen Sportwagenmarke MG nicht anders. An dieser Stelle sei allerdings einzuwerfen, dass die Autos von MG schon lange nicht mehr «made in UK» sind. Seit dem Konkurs Mitte der 2000er-Jahre gehört die Marke zum chinesischen Grosskonzern SAIC. Deshalb ist es umso bemerkenswerter, dass MG neben den mittlerweile auch in Europa zahlreich erhältlichen und durchaus erfolgreichen Elektro- und Hybrid-SUV ab sofort einen rein elektrischen Zweisitzer anbietet. 

Der Cyberster tritt dabei tatsächlich in die Fussstapfen alter Kultmodelle wie MG B oder TF und wird auf den europäischen Verkaufsstart im November hin zum einzigen erhältlichen Elektro-Roadster überhaupt. MG liefert ab, während der einzige aussichtsreiche Konkurrent, der neue Tesla Roadster, noch immer weit vom Launch entfernt zu sein scheint. Noch erstaunlicher ist aber, dass die chinesische Führung überhaupt in einen offenen, kompakten und dazu noch elektrischen Zweisitzer investiert, wo die Autowelt aktuell doch fast nur nach dicken SUV-Modellen giert. Besinnen sich die Chinesen tatsächlich auf alte britische MG-Traditionen zurück? 

Die Geschichte von MG

MG steht für «Morris Garages». So hiess der britische Autobauer bei seiner Gründung 1923. Mit kleinen, spartanischen Roadstern machte sich die Marke einen Namen, was sie nicht davor bewahrte, nach dem Zweiten Weltkrieg zum wirtschaftlichen Spielball zu werden. Ab 1952 gehörte sie zum Konglomerat British Motor Corporation, 1962 erschien mit dem MGB (Bild) das letzte eigenständige Modell. Ab den 1960ern war MG vor allem das Label für die Topmodelle der Schwestermarken Austin und Morris.

1968 wurde MG Teil von British Leyland Motor Corporation (BLMC) – das letzte Aufbäumen der urbritischen Autoindustrie vor dem endgültigen Niedergang. Im Jahr 1976 wurde der Konzern mangels Erfolg verstaatlicht und MG der Rover-Gruppe zugeschlagen – die wiederum von 1994 bis 2000 zu BMW gehörte. Wegen Erfolglosigkeit verkaufte BMW an einen Investor, der machte Rover selbstständig, musste aber 2005 Konkurs anmelden.

Die Namensrechte an Rover gingen an Ford, die Vermögenswerte an die chinesische Nanjing Automobile Corporation. Die wurde 2006 wiederum von Shanghai Automotive Industrial Corporation (SAIC) übernommen, die seither Modelle als MG ausserhalb Chinas anbietet. SAIC ist auch Kooperationspartner von Volkswagen und General Motors für deren China-Geschäft.

MG steht für «Morris Garages». So hiess der britische Autobauer bei seiner Gründung 1923. Mit kleinen, spartanischen Roadstern machte sich die Marke einen Namen, was sie nicht davor bewahrte, nach dem Zweiten Weltkrieg zum wirtschaftlichen Spielball zu werden. Ab 1952 gehörte sie zum Konglomerat British Motor Corporation, 1962 erschien mit dem MGB (Bild) das letzte eigenständige Modell. Ab den 1960ern war MG vor allem das Label für die Topmodelle der Schwestermarken Austin und Morris.

1968 wurde MG Teil von British Leyland Motor Corporation (BLMC) – das letzte Aufbäumen der urbritischen Autoindustrie vor dem endgültigen Niedergang. Im Jahr 1976 wurde der Konzern mangels Erfolg verstaatlicht und MG der Rover-Gruppe zugeschlagen – die wiederum von 1994 bis 2000 zu BMW gehörte. Wegen Erfolglosigkeit verkaufte BMW an einen Investor, der machte Rover selbstständig, musste aber 2005 Konkurs anmelden.

Die Namensrechte an Rover gingen an Ford, die Vermögenswerte an die chinesische Nanjing Automobile Corporation. Die wurde 2006 wiederum von Shanghai Automotive Industrial Corporation (SAIC) übernommen, die seither Modelle als MG ausserhalb Chinas anbietet. SAIC ist auch Kooperationspartner von Volkswagen und General Motors für deren China-Geschäft.

Aussen schnörkellos, innen überladen

Optisch ist der Cyberster auf alle Fälle ein Hingucker par excellence – und das liegt nicht nur an den auf Knopfdruck weit nach oben elektrisch aufschwingenden Flügeltüren. Hinter der scharfen Front ziehen sich die Blechkanten schnörkellos gen Heck, an dem sowohl die feuerroten Pfeile der LED-Rückleuchten also auch der mächtige Diffusor sofort ins Autofan-Auge stechen. 

Den Plan, das Cockpit voll auf den Fahrer zuzuschneiden, haben die MG-Ingenieure allerdings allzu ambitioniert in die Tat umgesetzt. Die drei nebeneinander aufgereihten Screens für Navigation, Fahrinfos und Infotainment sind zwar an sich eine gute Idee. Zusammen mit dem vierten Bildschirm an der Mittelkonsole, an dem Einstellungen von Klimaanlage oder Assistenzsystemen vorgenommen werden, wird die Bedienung des Cyberster aber schnell zum komplizierten Memory-Spiel, an dem sich der Beifahrer nur mit grosser Mühe beteiligen kann.

Immerhin, das Verdeck und auch die Türen können ohne Umwege per «echtem» Schalter geöffnet werden. Theoretisch. Doch an diesem trüben Oktober-Nachmittag müssen wir die Stoffmütze leider oben lassen und uns den Fahrtwind in den Haaren in unseren Gedanken vorstellen. Und so viel sei verraten: Es wird mehr ein Sturm als ein laues Lüftchen. 

Geschmeidig bis wuchtig

Die von uns getestete Topversion mit doppelter Elektromotoren-Power soll laut Datenblatt auf eine Systemleistung von 510 PS und satten 725 Nm Drehmoment kommen. Vor der Probe aufs Exempel müssen wir uns aber den Weg Richtung Albispass durch die Zürcher Aussenquartiere bahnen – im Komfortmodus eine geschmeidige Sache, weil nicht nur die Gasannahme gedrosselt ist, sondern das Fahrwerk auch ohne adaptive Dämpfer nie zu bockig auf Bodenunebenheiten anspricht.

MG Cyberster 4WD im Schnellcheck

Antrieb: 2 Elektromotoren, 510 PS (375 kW), 725 Nm, 77-kWh-Akku, 1-Gang-Automatik, Allrad
Fahrleistungen: 0 bis 100 km/h in 3,2 s, Spitze 200 km/h
Masse: Länge/Breite/Höhe 4,54/1,33/1,91 m, Gewicht 1985 kg, Kofferraum 249 l
Umwelt: WLTP-Verbrauch: 18,7 kWh/100 km, 0 g CO₂/km, WLTP-Reichweite: 443 km
Preis: ab 67'990 Franken, Cyberster 2WD (340 PS) ab 63'990 Franken

Kim Hueppin

Antrieb: 2 Elektromotoren, 510 PS (375 kW), 725 Nm, 77-kWh-Akku, 1-Gang-Automatik, Allrad
Fahrleistungen: 0 bis 100 km/h in 3,2 s, Spitze 200 km/h
Masse: Länge/Breite/Höhe 4,54/1,33/1,91 m, Gewicht 1985 kg, Kofferraum 249 l
Umwelt: WLTP-Verbrauch: 18,7 kWh/100 km, 0 g CO₂/km, WLTP-Reichweite: 443 km
Preis: ab 67'990 Franken, Cyberster 2WD (340 PS) ab 63'990 Franken

Auf freier Landstrasse wollen wirs dann wissen: «Sport Plus»-Modus rechts unten am Lenkrad gedrückt, linker Fuss auf die Bremse, rechter aufs Gas. Die Anzeige meldet: «Raketenstart aktiviert». Wir lupfen das Bremspedal und schiessen mit einer Wucht nach vorn, als sässen wir am Steuer eines Supersportlers à la Lambo – bestenfalls benötigt der Cyberster nur 3,2 Sekunden für den Ritt zur 100er-Marke. Die Spitze ist bei ausreichenden 200 km/h erreicht. Ansonsten regelt die Software allzu beherzte Stösse aufs Gas vorausschauend, aber etwas übervorsichtig weg. Die Gasannahme wirkt auf den regendurchnässten Pisten nicht mehr so unmittelbar direkt wie bei zunächst noch trockenen Konditionen. 

Üppige Reichweite

Und so wuchtig die 510-PS-Rakete antritt: Das Gewicht von rund zwei Tonnen kann der Cyberster nicht verbergen – weder in Kurven, wo die zu hohe Sitzposition zusätzlich ein schlechteres Gefühl zum Asphalt vermittelt, noch beim Bremsen, wo es die synthetisch agierende Anlage nicht immer einfach macht, die Bremskraft optimal zu dosieren. Das hohe Leergewicht ist dabei vor allem dem 77 Kilowattstunden grossen Akku im Unterboden geschuldet, der dem Allrad-Cyberster eine Reichweite von bis zu 443 Kilometern beschert. Die ebenfalls erhältliche Version mit Heckantrieb und 340 PS (250 kW) stromert bestenfalls sogar rund 500 Kilometer weit. 

Unser Fazit

MG bringt nach Tesla 2008 den ersten wirklichen Elektro-Roadster in Serie auf den Markt – und wird so auch unter chinesischer Führung zum Vorreiter unter den Autobauern. Der Cyberster überzeugt mit tollem Design, irrer Beschleunigung, gutem Handling und grosser Reichweite. Hinzu kommt ein Preis ab 63'990 Franken für die Version mit Heckantrieb bzw. 67'990 Franken für den getesteten Allradler. Auch damit dürfte der MG Cyberster mittelfristig konkurrenzlos bleiben.

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