Interview mit TCS-Zentralpräsident Peter Goetschi
«Was passiert ohne die Autobahn-Erweiterungen?»

Die Abstimmungsvorlage um den Ausbau der Nationalstrassen vom 24. November ist umkämpft. Der grosse Mobilitätsverband TCS ist für den geplanten Ausbau der sechs Autobahnabschnitte. Warum, erklärt TCS-Zentralpräsident Peter Goetschi (58).
Publiziert: 03.11.2024 um 10:41 Uhr
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Aktualisiert: 06.11.2024 um 15:25 Uhr
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Die gefahrenen Kilometer haben sich auf unseren Autobahnen zwischen 1990 und 2019 um 137 Prozent erhöht. Die Folge sind rekordhohe Stauzahlen und chronische Überlastungen an neuralgischen Punkten.
Foto: Sven Thomann

Auf einen Blick

  • Ausbau soll Stau auf Autobahnen reduzieren
  • Erweiterung bringt mehr Sicherheit und Lebensqualität für die lokale Bevölkerung
  • Die Gelder für den aktuellen Ausbauschritt stammen aus dem Nationalstrassenfonds
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Blick: Bringt der geplante Ausbau der sechs Autobahnabschnitte wirklich das Ende des Stauärgers?
Peter Goetschi: Auf diesen chronisch überlasteten Abschnitten werden die Staus zurückgehen. Man muss sich aber fragen, was ohne die gezielten Erweiterungen passiert? Dazu äussern sich die Gegner nicht, denn die Antwort ist klar: Der Verkehr verlagert sich in die umliegenden Dörfer, wenn die Autobahn überlastet ist. Dies geschieht auf Kosten der Verkehrssicherheit und der Lebensqualität der Anwohner. Deshalb sind die Erweiterungsprojekte nötig und werden auch von der lokalen Bevölkerung befürwortet.

Gegner der Vorlage behaupten, ein Ausbau führe nicht zur Entlastung, sondern zu noch mehr Verkehr auf unseren Autobahnen.
Das ist falsch. Es gibt keine Schweizer Studie, die belegt, dass die gezielten Spurerweiterungen auf insgesamt 53 Kilometern die Verkehrsmenge wachsen lassen. Hingegen, und das ist wichtig, werden sie dafür sorgen, dass Dörfer und Städte weniger Ausweichverkehr haben. Strassen sind kommunizierende Gefässe – wenn es auf der Autobahn staut, weicht der Verkehr auf die Kantons- und Gemeindestrassen aus. Das wollen und müssen wir mit dem Ausbauschritt 2023 eindämmen und die Autos so weit als möglich auf den Autobahnen kanalisieren. In den Dörfern verbessert sich dadurch die Verkehrssicherheit und die Lebensqualität. Davon profitieren ÖV, Velofahrer und Fussgänger.

Der geplante Ausbau sei mit rund fünf Milliarden zu teuer, sagen die Kritiker. Was sagen Sie zum Vorschlag, das Geld besser in eine zukunftsgerichtete Verkehrspolitik, zum Beispiel in den ÖV, zu investieren?
Das Schweizer Volk hat in den Jahren 2014 und 2017 der Schaffung eines Schienenfonds und eines Strassenfonds zugestimmt. Zweck dieser Fonds ist es, die Gelder für eine funktionierende und verlässliche Verkehrsinfrastruktur – Strasse und Schiene – bereitzustellen. Die Gelder für den aktuellen Ausbauschritt stammen aus dem Nationalstrassenfonds, der mit Steuern und Abgaben der Strassenbenützer finanziert wird. Die Erweiterungen sind nötig, wenn wir auch in Zukunft mobil sein wollen. Dafür wird übrigens auch die Schieneninfrastruktur laufend angepasst. Momentan sind 300 Schienen-Projekte in der Höhe von 28 Milliarden Franken geplant, deutlich mehr als jetzt für den Ausbauschritt der Nationalstrassen.

Persönlich: Peter Goetschi

Der studierte Jurist Peter Goetschi (56) arbeitete als Rechtsanwalt und bei der Unternehmenberatung KPMG. Seit November 2011 leitet er den TCS als hauptamtlicher Zentralpräsident. Goetschi ist verheiratet und lebt in seiner Geburtsstadt Freiburg.

Der studierte Jurist Peter Goetschi (56) arbeitete als Rechtsanwalt und bei der Unternehmenberatung KPMG. Seit November 2011 leitet er den TCS als hauptamtlicher Zentralpräsident. Goetschi ist verheiratet und lebt in seiner Geburtsstadt Freiburg.

Seit 2008 wurden unsere Autobahnen nur um 17 Kilometer erweitert. Seit 2015 stieg die Zahl gefahrener Kilometer auf den Nationalstrassen weniger stark als auf dem übrigen Strassennetz. Können die Autobahnen das überproportional steigende Verkehrswachstum nicht mehr schlucken?
Die gefahrenen Kilometer haben sich auf der Autobahn zwischen 1990 und 2019 um 137 Prozent erhöht. Die Folge sind rekordhohe Stauzahlen und chronische Überlastungen an neuralgischen Punkten. Unternehmen wir nichts, verschärft sich die Lage und immer mehr Regionen sind von Staus betroffen. Für diese Gebiete wäre das eine grosse Belastung und würde die Verkehrssicherheit deutlich verschlechtern.

Stichwort Verkehrssicherheit: Was wird bei einem Ausbau der Autobahnspuren sicherer, wenn noch mehr Autos sie benutzen?
Autobahnen sind die sichersten Strassen der Schweiz und der Ausweichverkehr in den Dörfern das grösste Sicherheitsrisiko – insbesondere für Kinder, Fussgänger und Velofahrer. Das zeigt eine aktuelle Studie des Büros CSD Ingenieure. Ausserdem sind richtungsgetrennte Tunnels deutlich sicherer als Tunnel mit Gegenverkehr. Mit den gezielten Erweiterungen verlagert sich zudem Ausweichverkehr von den Kantons- und Gemeindestrassen zurück auf die Autobahn, wo er hingehört. Das erhöht die Sicherheit in den Dörfern, besonders an neuralgischen Stellen wie Schulen und Dorfzentren.

Zusätzliche Spuren lassen sich auch ohne milliardenteure Bauten realisieren, indem etwa Standspuren bei hohem Verkehrsaufkommen zu Fahrspuren umfunktioniert werden. Warum wird das nicht flächendeckender praktiziert? Es wäre billiger und schneller umsetzbar.
Bevor der Bund Erweiterungen in Betracht zieht, sind bereits andere Massnahmen zum Zug gekommen. Pannenstreifenumnutzungen und Geschwindigkeitsharmonisierungen sind wichtige Massnahmen, aber nicht immer umsetzbar und im Besonderen alleine nicht genügend. Auf der A1 entlang des Genfersees kann der Pannenstreifen nicht umgenutzt werden, weil er aus den 1960er Jahren stammt und der Verkehrslast nicht standhalten würde. Dort macht es deshalb Sinn, eine dritte Spur zwischen Genf und Nyon zu realisieren. Diese würde auch ermöglichen, dass eine Spur für Fahrgemeinschaften reserviert wird, wie es der Kanton Genf fordert.

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