Kia ziehts nach oben. Nicht bloss bei den Verkaufszahlen, sondern auch bei der Positionierung der Marke, die künftig die sportlich-dynamische Tochter von Konzernmutter Hyundai spielen soll. Mit dem gerade enthüllten batterieelektrischen EV9 im XXL-Format geht der südkoreanische Autobauer jetzt den nächsten Schritt. Blick kennt die wichtigsten Neuerungen.
Konzept
Der Familienvan ist tot – es lebe der Familienvan, einfach auf neuem Niveau. Während klassische Siebenplätzer langsam, aber sicher aus den Modellprogrammen verschwinden, lebt die Idee des Grossfamilienautos im EV9 wieder auf. Allerdings im SUV-Format und damit mit hoher Sitzposition und einem Konzept, das von Japan über China und Europa bis hin nach Kalifornien Fans finden dürfte. Vor allem auf den nordamerikanischen Märkten ist ja auch eine gewisse Grösse nötig, damit Kundinnen ein Modell überhaupt wahrnehmen: Knapp über fünf Meter lang, fast zwei Meter breit und 1,76 Meter hoch ist nun die Serienversion des EV9.
Design
Wo ist die Tigernase? So hiess im Kia-Jargon bisher der trapezförmige Frontgrill mit Einbuchtungen oben und unten. Aber einen Kühler wie beim Benziner braucht ein Stromer nicht – und so wurde aus der Tigernase jetzt ein Tigernäschen mit nur zwei schwarzen Andeutungen in der sonst glatten Front. Auch sonst räumten die Designer um den Ex-BMW-Gestalter Karim Habib mächtig auf: Eckige Radläufe, aussergewöhnliche viergeteilte Felgen, dazu ein Glashaus wie ein riesiges Flugzeug-Cockpit und viele schnurgerade Linien krempeln das bisherige Kia-Design mächtig um. Die Linien der Tagfahrlichter erinnern gar an die US-Edelmarke Cadillac – keine schlechte Assoziation, um Kia in den USA höher zu positionieren.
Rücksitze
Wer Van sagt, muss auch Variabilität sagen: Bloss mit umklappbaren Rücksitzlehnen macht man noch keine Familie glücklich. Deshalb lassen sich im Siebenplätzer mit drei Sitzreihen je nach Konfiguration die Sitze in zweiter Reihe um je 180 Grad drehen – praktisch, um auf Langstrecken Spiele zu spielen, wenn das die Mägen mitmachen. Auch Shuttle-Services dürften diesen Sitztrick mögen. Um 90 Grad gedreht, lassen sich so auch Kindersitze ganz leicht montieren. Und bei Ladepausen strecken sich vordere und mittlere Sitze zum Daybed und man döst ein wenig, während die Batterie sich füllt.
Antrieb
Wie schon der EV6, basiert auch der EV9 auf 800-Volt-Technologie, die das kroatische Elektrosportler-Start-up Rimac beisteuert – praktischerweise ist Kia-Mutter Hyundai dort mit zehn Prozent beteiligt. Zum Start wohl im Herbst gibts drei Antriebe: Basis ist die Version mit Heckantrieb und 218 PS (160 kW) und der kleineren Batterie mit 76,1 Kilowattstunden (kWh). Die Long-Range-Version kommt mit nur 204 PS (150 kW), aber dafür mit dem grösseren Akku mit 99,8 kWh Kapazität für bis zu 541 Kilometer Reichweite. Die grosse Batterie trägt auch die Topversion mit Allrad und 384 PS (283 kW) – da wäre leistungsmässig früher kein Familienvan mitgekommen.
Pilotiertes Fahren
Der Hype ums autonome Fahren hat sich abgekühlt. Aber auch Kia kommt jetzt immerhin mit Technologie fürs pilotierte Fahren. Heisst: Das Auto macht nicht alles allein, aber übernimmt mit seinen Assistenzsystemen viele Fahrfunktionen unter bestimmten Bedingungen. Der EV9 kommt mit 15 Sensoren – darunter zwei Lasersensoren –, die das Umfeld 360 Grad scannen. Je nach Fahrsituation wird es auf der Autobahn so möglich, für kurze Strecken unter eng definierten Bedingungen auch mal das Steuer loszulassen. Im Kauderwelsch des autonomen Fahrens bezeichnet das Level 3 von insgesamt 5.
Updates
Neue Autos halten sich selbst up to date – per Software-Update über das Mobilfunknetz. Das beherrscht auch der EV9. Aber während viele Marken bislang vor allem Komfortfunktionen, Navi oder die Ladeprogramme für die Batterie so aktualisieren, lässt sich im EV9 optional auch ein Drehmoment-Plus von 100 Newtonmetern hinzu ordern. Mehr Leistung im Sinne von PS allerdings nicht: Technisch wäre es möglich, aber in Europa ists noch nicht erlaubt, weil die exakte Leistung im Fahrzeugausweis steht. Und der lässt sich nicht optional updaten.
Veganes Interieur
Fertig Leder: Im neuen EV9 gibts mehr nachhaltige und umweltfreundliche Materialien, weil sich allein mit Elektroantrieben die angepeilte CO2-Neutralität bis zum Jahr 2045 nicht schaffen lässt. Bis 2030 will Kia den Anteil von Recycling-Plastik in seinen Modellen auf 20 Prozent steigern. Ausserdem gibts mehr Interieurteile aus Bio-Materialien wie Mais- und Zuckerrohrabfällen oder natürlichen Ölen statt erdölbasiertem Plastik.