Vordenker der Mobilität: Martin Erb
So geben wir Mobilität ein Ziel

Böse Autos, guter ÖV: Für Martin Erb braucht es alle Verkehrsträger für die Mobilität der Zukunft. Nur bitte nicht in der Innenstadt, findet der CEO des Flottendienstleisters Alphabet.
Publiziert: 21.09.2021 um 13:13 Uhr
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Seit seinem Berufseinstieg arbeitet Martin Erb (57) in der Automobilbranche, seit 2013 leitet er die Schweizer Dépendance von Alphabet: «Ich bin ein Autofan. Aber ich schaue über den Tellerrand der Branche hinaus.»
Foto: Alphabet Handout
Andreas Faust

Seit seinem Berufseinstieg arbeitet Martin Erb (57) in der Automobilbranche, seit 2013 leitet er die Schweizer Dépendance von Alphabet, dem Flottendienstleister der BMW Group: «Ich bin ein Autofan. Aber ich schaue über den Tellerrand der Branche hinaus.» Sein wichtigstes Credo: «Der Mensch bewegt sich nicht ohne Grund.» Und: «Durch höhere Geschwindigkeit wird keine Zeit gewonnen.» Früher sei man eine Stunde ins Dorf gelaufen, heute fahre man in der gleichen Zeit 70 Kilometer ins Büro. «Die Entfernung von Wohn- und Arbeitsplatz nimmt zu, weil sie technisch überbrückbar ist.» Die Folge: Zersiedelung, ein grundsätzliches Problem in der Schweiz.

Mobilität wird ihm zu partikulär diskutiert: «Wir argumentieren immer im Schema Gut gegen Böse – das ist nicht sachgerecht.» Erb wirbt für eine pragmatische, gelassene Herangehensweise, die Menschen in all ihren Facetten einbezieht, statt Ideologien zum Massstab zu machen. «Verhaltensänderungen bewirkt man nachhaltig nur, wenn man Herz, Verstand, Seele und die materiellen Bedürfnisse gleichermassen anspricht. Nicht durch plumpe Anreize oder Verbote», ist er überzeugt.

Alle Interessen mit einbeziehen

Elektrifizierung? «Nur dann der richtige Weg, wenn die Rahmenbedingungen – auch in der Stromproduktion – stimmen», sagt er. Sharing? Werde erst mit dem autonomen Fahren den Durchbruch erleben, weil heute das Verhältnis von Kosten, Nutzen und Aufwand nicht marktgerecht sei. Der Automarkt in Westeuropa? Sei längst gesättigt, es gehe nur noch um gegenseitiges Verdrängen der Anbieter. Mobilität werde nicht ganzheitlich genug diskutiert. Sich über Einzelthemen die Köpfe heiss zu reden, sei Energieverschwendung.

Einen Plan könne man nur mit allen Anspruchsgruppen gemeinsam entwickeln; er müsse für den Ausgleich der Interessen sorgen. «Ein Beispiel: Die Bereitschaft, sich zu Fuss zu bewegen, hängt mit der Attraktivität des Umfelds zusammen. Parkierte Autos neben Gehwegen werden als unattraktiv empfunden.» Wer das verstehen möchte, solle zuerst nach Berlin und dann nach Wien reisen – oder umgekehrt. Wien gelte seit vielen Jahren immer wieder als eine der lebenswertesten Städte der Welt – auch unter Autofahrern: «Weil sie in Wien die Stadt den Autos wegnehmen und den Menschen zurückgeben.» Für Erb ist ganz klar: «Es geht vieles – wenn es nur den politischen Willen dazu gibt.»

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