Nutzen wir in Zukunft nur noch batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge? Wie stehts mit der Brennstoffzelle oder synthetischen Treibstoffen, sogenannten E-Fuels? Fragen, welche die Autoindustrie schon seit längerem beschäftigen. Denn setzt ein Konzern jetzt aufs falsche Pferd bei seiner Antriebsstrategie, gerät er später unweigerlich in massive wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Will man nicht in die Glaskugel blicken oder im Kaffeesatz lesen, sind Studien eine gute Alternative. Der deutsche VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik) hat sich des Themas angenommen: Welche Erwartungen haben Politik und Wirtschaft an die Antriebstechnologien der Zukunft – und teilen sie die gleiche Auffassung?
Nur ein Antriebsmix hilft weiter
Die Antworten sind unmissverständlich. Nur mittels eines intelligenten Mix aus allen verfügbaren klimaneutralen Antriebstechnologien (Batterie, Brennstoffzelle und synthetischen Treibstoffen) kann das ambitionierte Klimaziel der EU «Zero Emission» erfüllt werden. Das heisst im Klartext: PW sind ab 2030 hauptsächlich batterieelektrisch unterwegs, während es im gewerblichen Güter- und Schwerlastverkehr einen Mix zwischen Batterie- und Brennstoffzellen-Antrieb geben wird – für lange Strecken Brennstoffzelle, für urbanen und lokalen Lieferverkehr batterieelektrisch. Für sportliche Autos sowie Young- und Oldtimer eignen sich synthetische Treibstoffe. Schliesslich hat die EU-Kommission im Dezember 2019 mit dem «Green Deal» das Ziel vorgegeben, die EU bis 2050 völlig klimaneutral zu machen.
Warum das in der Schweiz interessiert, obwohl sie kein EU-Mitglied ist? Weil sie in der Modellpolitik der Hersteller als Teil Europas gilt. Was in der EU an neuen Autos lanciert wird, kommt auch zu uns. Und bestimmt damit unseren Antriebsmix und die Entwicklung unserer CO2-Emissionen im Strassenverkehr.
Ladeinfrastruktur schnell ausbauen
Betrachtet man die VDE-Studienergebnisse genauer, sind sich Politik und Wirtschaft einig, dass batterieelektrische PW die künftige Alternative zum Fahrzeug mit Verbrennungsmotor sind. Aber: Dazu muss auch die nötige Ladeinfrastruktur bereit sein. Unlängst ergab eine Umfrage des Marktforschungs-Unternehmens Uscale, dass 20 Prozent der E-Autofahrer mit der Ladeinfrastruktur unzufrieden und gar sechs Prozent «sehr unzufrieden» sind. Da verwundert es nicht, erwarten die Befragten aus Politik und Wirtschaft bei steigender Verbreitung von E-Fahrzeugen bald Lade-Kapazitätsengpässe. «Nur mit einer optimalen Ladeinfrastruktur-Dichte schafft man hohe Akzeptanz in der Bevölkerung», bringt es Ralf Petri, Leiter des Geschäftsbereichs Mobility im VDE, auf den Punkt.
Ähnlich siehts beim Schwerlastverkehr aus. Dieser verursacht heute rund ein Drittel der CO2-Emissionen des gesamten Verkehrssektors. Abhilfe könnte die Brennstoffzelle schaffen – vorausgesetzt, sie wird mit «grünem» Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, betrieben. Aber auch bei den schweren Brummis wird die Tank-Infrastruktur entscheidend dafür sein, ob sich diese Antriebsform durchsetzen wird.
Alle Zahnräder müssen ineinandergreifen
Klar scheint nur: Eine einseitige Fokussierung auf lediglich eine Antriebsart endet in einer Sackgasse. Genauso wie das Ausblenden der Bedürfnisse und Wünsche der Autofahrer. «Die Reduktion des Energieverbrauchs um rund 40 Prozent im Verkehrssektor bis 2050 bringen wir nur auf den Weg, wenn alle Zahnräder reibungslos ineinandergreifen. Angefangen bei der Produktion der Energieträger über die Fertigung der Fahrzeuge bis hin zur Entwicklung einer zukunftsfähigen Infrastruktur und eines neuen Mobilitätsbewusstseins in der Bevölkerung», fasst Ralf Petri die Studienresultate zusammen.
Möglicherweise eine schlechte Nachricht für jene Marken, die die Forschung zu alternativen Treibstoffen wie Erdgas oder synthetischem Benzin heruntergefahren haben. Oder die Brennstoffzelle in ihrer Entwicklungsabteilung ignorieren. Wer sich zu früh auf eine Technologie festlegt, könnte rückblickend auf das falsche Konzept gesetzt haben.