Die tiefen Temperaturen im Winter entlarven unsere Verbrenner-Autos. Ihre schmutzigen Abgase sind deutlich zu sehen, wie sie als Qualm aus dem Auspuff dampfen. Die Zusammensetzung mit Kohlendioxid (CO2), Stickoxiden (NOx) und weiterem Feinstaub ist umweltschädlich und ungesund. Feinstaub ist für den Menschen deshalb gefährlich, weil er so mikroskopisch klein ist, dass die gefährlichen Stoffe nicht von unseren Nasenhaaren und den Schleimhäuten im Rachen und Nasenraum herausgefiltert werden. So können sie sich in unserer Lunge ablagern und in der Folge zu Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs führen.
Diesel reinigt Luft
Es ist also verständlich, dass die Behörden Grenzwerte für die Feinstaub-Emissionen erlassen und auch die Autohersteller versuchen, die Feinstaubbelastung ihrer Verbrennungsmotoren zu minimieren. Diese Anstrengungen haben auch Früchte getragen. Moderne Motoren sind so sauber wie nie. Das Fachblatt «Auto Motor und Sport» hat in einem Feldversuch sogar herausgefunden, dass heutige Diesel unter optimalen Bedingungen die Luft reinigen.
Trotzdem ist die Feinstaubbelastung durch Autos nicht so stark gesunken wie erhofft, schreibt die deutsche «Automobilwoche». Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet sogar, dass sie in Zukunft wieder zunehmen wird, obwohl in den nächsten Jahren immer mehr Elektroautos auf unseren Strassen fahren. Der Grund: Beim Auto verursachen nicht nur die Verbrennungsmotoren Feinstaub. Auch Reifenabrieb, Bremsabrieb und der Abrieb des Strassenbelags wird zu Feinstaub.
Feinstaub aus Motoren vernachlässigbar
Wenn also die individuelle Mobilität weiter zunimmt, steigt auch die Feinstaubbelastung weiter – unabhängig vom Antrieb. Denn laut den OECD-Forschern macht bei modernen Euro-6-Motoren der Feinstaub aus Bremsen, Reifen und Belag zwischen 88 und 98 Prozent aus. Die Elektroautos sind dabei beim Bremsen sauberer, weil sie meistens rekuperieren. Die Verbrenner verursachen dagegen eine geringere Feinstaubbelastung durch Reifenabrieb, weil sie ohne eine grosse Batterie leichter sind. Markant ist der Unterschied vor allem bei E-Autos mit grosser Reichweite, sprich grösserer und schwerer Batterie.
Beim Feinstaub wird zwischen zwei Grössen unterschieden: die grösseren PM10-Partikel sowie die kleineren und gefährlicheren PM2,5-Partikel. Bei den grösseren Partikeln ist das E-Auto laut OECD fünf bis neun Prozent sauberer als ein Verbrenner. Bei den kleineren Partikeln zeigt sich die Auswirkung des Gewichts auf die Feinstaubbelastung. So sind «leichtere» E-Autos mit Akkus für rund 160 Kilometer Reichweite elf bis 13 Prozent sauberer als Verbrenner. Die «schwereren» E-Autos mit bis zu 500 Kilometern Reichweite sollen dagegen eine um drei bis acht Prozent höhere Feinstaubbelastung haben als Verbrenner.
Reifenabrieb wird grosses Problem
Das zeigt: Ab einem gewissen Gewicht ist der Reifenabrieb bei einem E-Auto so gross, dass der geringere Bremsabrieb bei der Feinstaubbelastung bedeutungslos ist. Denn der Reifenabrieb macht den grössten Anteil der sogenannten Non-Exhaust-Emissions (Nicht-Auspuff-Emissionen) aus und wird das Feinstaubproblem der Zukunft sein. So verliert ein Reifen bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von rund 40'000 Kilometern bis zu einem Drittel seiner Masse. Davon landet das meiste als Feinstaub in unserer Luft. Allerdings gibt es grosse Unterschiede: Schlechte Reifen können bis zu viermal mehr Abrieb haben als gute Reifen.
Schweiz schafft Abhilfe
Die OECD-Forscher räumen zwar ein, dass die Forschungs- und Datenlage noch unbefriedigend sei. Genau hier will ein aktuelles Projekt der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) Abhilfe schaffen. Zwei Empa-Forscher entwickeln ein neues Verfahren, um den Bremsstaub zu messen. Dieses soll genauer sein als die Messidee der
UN-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE). Diese will die Bremsen getrennt vom Auto in einem geschlossenen Prüfstand testen.
Die Empa hat aber eine Metallbox entwickelt, die die Vorderbremse umschliesst. Ein Druckluftschlauch bringt die nötige Kühlluft zur Bremse, wie wenn das Auto fahren würde, und bläst die Luft danach mit den Feinstaubpartikeln ins Messgerät. Dieses sortiert die Partikel nach Grösse. Resultat: Beim Bremsen lösen sich feine Partikel, die zum Beispiel Fussgänger auf dem Trottoir der Hauptstrasse einatmen und sich in deren Lunge festsetzen können. Nach ersten Tests mit einem Hybridfahrzeug will die Empa nun herausfinden, wie sich die Feinstaub-Emission bei unterschiedlichen Antrieben wie etwa Benzin- oder reinem Elektromotor verändern.
Feinstaubabgaben auch für E-Autos
Auch wenn die Daten erst noch ermittelt werden müssen, ist eines laut der OECD schon klar: Da die Emissionen aus dem Verbrennungsmotor eine zunehmend geringere Rolle spielen, wird die Feinstaubbelastung aus dem Strassenverkehr mit der Umstellung auf E-Autos kaum sinken. Die OECD erwartet gar einen Anstieg, da sich der Bedarf des Personenverkehrs in urbanen Räumen bis 2050 mehr als verdoppeln wird.
Deshalb fordert die OECD staatliche Regulierungen für die bislang unbeachteten Non-Exhaust-Emissions. Gemeinden und Städte sollen diese Emissionen ebenfalls in ihre Regeln miteinbeziehen. Hierbei könnte das Empa-Messverfahren helfen. Die OECD könnte sich Abgaben nach dem Fahrzeuggewicht oder dem Reifenmaterial vorstellen. Dabei sollten E-Autos nicht pauschal von Abgaben befreit werden, vor allem nicht von solchen, die den Zugang zu Innenstädten regulieren.