Die Apparatur ist nicht besonders eindrucksvoll. Eine Kiste, aus der mehrere Schläuche in Kanister führen. In den Behältern befinden sich Diesel und Wasser. «Mit geringem Aufwand kann man den Diesel so verändern, dass er sauber wird», sagt Anton Ledwon, Leiter Anlagenbau des Start-ups Heion. Zusammen mit Waldemar Leftschenko, einem ehemaligen Juwelier und Kunstmaler, will Ledwon die Treibstoffherstellung revolutionieren. So viel ist jetzt schon klar: Haben die beiden Alchemisten Erfolg, gehören viele Probleme der Dieselmotoren der Vergangenheit an.
Geheimnis: Reaktor
Doch warum sollten ausgerechnet die beiden Tüftler schlauer sein als Heerscharen von Ingenieuren und Chemikern, die sich seit über 100 Jahren mit der Herstellung von umweltfreundlichen und synthetischen Treibstoffen beschäftigen, aber sich bislang die Zähne daran ausgebissen haben? Das Geheimnis sei der Reaktor, in dem das Wasser sowie der Diesel zusammengeführt würden und unter einem genau definierten Druck zu einem speziellen Zeitpunkt eine Synthese der beiden Stoffe erfolge, erklärt Andreas Heine, der für Heion in den USA unterwegs ist. «Wir radikalisieren erst die chemische Struktur des Diesels mit anschliessender Stabilisierung durch Veresterung oder Verätherung.» Wie der Prozess genau abläuft, verrät er allerdings nicht. Schliesslich ist das Verfahren patentiert.
«Grüne Synthese»
Um die Struktur eines Dieselkraftstoffs zu verändern, sind normalerweise viel Energie, eine hohe Temperatur oder ein hoher Druck nötig. Nicht so beim Verfahren, das Ledwon und Leftschenko entwickelt haben. Ihr Prozess ist fast schon ein chemisches Perpetuum mobile. Die Energie für die Herstellung des neuen Diesels stammt aus der chemischen Reaktion der beiden Ausgangsstoffe. Die zentrale Idee hinter dem Verfahren, mit dem lange Kohlenwasserstoff-Moleküle in kurzkettige umgewandelt werden, ist die Kavitation. Von «grüner Synthese» sprechen die beiden Tüftler aus Siblin, bei der sie die Moleküle der Edukte (aus Rohstoffen abgeschiedener Stoff) kontrolliert zu einer bestimmten mechanischen Spannungsgrenze bringen. Anschliessend wird die eingesetzte Energie kontrolliert und dann in eine chemische Reaktion überführt.
Skeptische Experten
Klingt spannend. Doch was sagen Experten dazu? Bei Audi winkt man ab: «Dazu äussern wir uns nicht», lässt ein Sprecher ausrichten. Bei VW wird man deutlicher und meldet Zweifel an: «Die Funktion des Reaktors, der die chemische Struktur des Diesels verändern soll, bleibt unklar. Unser Eindruck ist aber, dass im Reaktor weniger die chemische Struktur des Diesels verändert wird, sondern eher eine temporäre Diesel-Wasser-Emulsion gebildet wird.» Auch Christian Bach, Automobil-Ingenieur und Fahrzeugantriebsexperte bei der Empa in Dübendorf ZH, hält wenig vom Sibliner Wunderdiesel. Er vermutet ebenfalls, dass lediglich das Wasser aufgeheizt und dann mit Diesel vermischt wird – eine normale Diesel-Wasser-Emulsion also. «Und dies», so Bach, «ist nichts Neues. Sie hat den Vorteil, dass die Verdampfung des Wasseranteils zu einer inneren Kühlung des Brennraums führt, was die thermische Stickoxidbildung vermindert. Aber auch Nachteile, wie eine Leistungsreduktion oder Korrosion.» Deshalb ist Bach nicht überzeugt, dass uns Diesel-Wasser-Emulsionen wirklich weiterbringen.
Erste Tests laufen
Die Tüftler von Heion sehen dies natürlich anders: «Unsere Ergebnisse sind klar.» Andreas Heine verweist auf Tests mit einem Mercedes W124 250D mit Real-Driving-Emissionsgerät auf der Autobahn: «Wir haben 96 Prozent weniger Russpartikel und 29,2 Prozent weniger Stickstoff-Dioxide (NO2) gemessen.» Bleibt die Frage: Wie verhält sich der «Wunderdiesel» in einem Hightech-Motor? Diese Tests stehen noch aus. «Unser Treibstoff erfüllt die Norm EN 590, mit der die Eigenschaften von Dieseltreibstoff definiert wird. Ich sehe deshalb keinen Grund, warum das bei einem modernen Motor nicht klappen sollte», sagt Heine. Und wie stehts um die industrielle Umsetzung des Heion-Verfahrens? «Im Reagenzglas geht viel», meint dazu ein grosser Mineralölkonzern. Doch auch da hat Heine eine Antwort parat. «Für den Betrieb unseres Reaktors, der täglich 5000 Liter produziert, benötigen wir etwa so viel Strom pro Stunde wie ein Staubsauger. Für die Grossserie würden wir die Reaktoren vermutlich einfach in Serie schalten.»