Im September das erste Auto gebaut – und jetzt gehts schon an die Börse: Das Elektro-Startup Rivian aus Plymouth im US-Bundesstaat Michigan hat bei seinem Börsengang an der New Yorker Wall Street den bisher grössten Börsengang des Jahres hingelegt. Die Ausgabe von 153 Millionen Aktien zum Stückpreis von 78 US-Dollar spülte 11,9 Milliarden US-Dollar in die Kassen; umgerechnet knapp elf Milliarden Franken. Am ersten Handelstag knackte der Kurs schon locker die 100-US-Dollar-Marke.
Angekündigt hatte Rivian die Ausgabe von «nur» 135 Millionen Aktien zum Stückpreis von 72 bis 78 US-Dollar. Nach dieser Finanzierungsrunde wird Rivian mit einem Wert von knapp über 82 Milliarden Franken bewertet. Und toppt damit etablierte Konkurrenten wie BMW mit einem Börsenwert von 62 Milliarden Franken oder den des US-Konkurrenten General Motors (GM) mit 66 Milliarden Franken Börsenwert. GM-CEO Mary Barra konnte es kaum glauben: Der Rivian-Börsengang zeige, wie «unterbewertet General Motors sei.» GM bereitet derzeit ebenfalls eine Elektro-Offensive vor, beflügelt von den Plänen von US-Präsident Joe Biden für ein landesweites Ladenetz: Mit neuen Modellen und digitalen Dienstleistungen soll Tesla überholt werden und dem Verbrenner bis 2035 der Garaus gemacht werden.
Was steckt hinter dem Hype?
Ist Rivian also ein absurder Hype? Schliesslich hat die Marke erst diesen Herbst mit der Auslieferung seines allerersten Modells, des 800 PS starken Elektro-Pickups R1T, begonnen. Der soll die E-Mobilität in die Weiten des bisher noch Benziner-verliebten Mittleren Westens der USA bringen und startet so viel früher als Teslas lange angekündigter Cybertruck. Aber dennoch viel später, als ursprünglich geplant, weil der aktuelle Chipmangel auch Rivians Produktion über Wochen ausbremste. Ausserdem nervte ein Rechtsstreit mit Konkurrent Tesla um den angeblichen Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen. Resultat: Fast kein Umsatz und tiefrote Zahlen.
Aber der aufsehenerregende Börsengang ist eine Wette auf die Zukunft, egal wie harzig die Rivian-Gegenwart ist. Schon in den letzten Finanzierungsrunden räumte die erst 2009 gegründete Marke ab; beflügelt durch den Einstieg des Onlinehändlers Amazon, der bis 2030 bei Rivian 10'000 Elektro-Lieferwagen bestellen will, um unabhängig von etablierten Lieferdiensten zu werden.
Immerhin einer der überholten Etablierten dürfte sich über den gelungenen Börsenstart freuen: Auch US-Autobauer Ford – Börsenwert nur rund 49 Milliarden US-Dollar – hat in Rivian investiert.