Der Trolleybus ist tot, lang lebe der Elektrobus. Mit seinen Stromabnehmern fährt der Trolley seit rund 80 Jahren an Fahr-Oberleitungen geführt durch Schweizer Städte. Diese Fahrleitungen machen den weiteren Ausbau des Busnetzes kompliziert und teuer.
Die Fortschritte beim Elektroantrieb und der Batterietechnik machen den Elektrobus aber zu einer Alternative, die immer mehr Verkehrsbetriebe in Betracht ziehen. Die Stadt Schaffhausen hat beispielsweise seit 2020 schon 13 Elektrobusse in Betrieb genommen und will bis 2027 den gesamten Fuhrpark im Rahmen der normalen Flottenerneuerung ersetzen. Dabei fiel die Auswahl auf das Modell ie Tram des spanischen Busbauers Irizar.
Deutscher Bus auf dem Julier
Auch der deutsche Hersteller MAN hat inzwischen zwei Elektrobusse im Angebot. Den Lion's City gibts in der zwölf Meter langen Version 12E und als 18 Meter langer Gelenkbus 18E. Die kürzere Version haben Engadin Bus und Chur Bus seit diesem Januar in einem Langzeittest. Dabei durfte der Stromer auch schon mal im stürmischen Winter den Julierpass (hier gehts zu den 7 höchsten Pässen der Schweiz) erklimmen. Nicht gerade die klassische Innenstadt, aber ein Härtetest, von dem sich auch MAN neue Erkenntnisse verspricht.
Der Busbauer, der zum Volkswagen-Konzern gehört, rechnet damit, dass schon in drei Jahren die Hälfte aller neuen Busse über einen Elektroantrieb verfügen. Bis 2030 werde dieser Anteil auf 80 bis 90 Prozent steigen. Was die Luft in den Städten markant verbessern würde. Gerade beim ständigen Anfahren stossen die aktuellen Dieselbusse viele Abgase aus und könnten durch Trolleybusse nicht so schnell ersetzt werden, wie durch batterieelektrische Busse.
Power für den 3-Tonnen-Akku
Der kurze Lion's City 12E für bis zu 88 Passagiere wird von einem Zentralmotor an der Hinterachse angetrieben. Seine Dauerleistung beträgt 218 PS (160 kW) und 2100 Nm. Kurzzeitig kann der E-Motor gar 326 PS (240 kW) und 3400 Nm leisten. Im Gelenkbus für bis zu 130 Fahrgäste kommen schon zwei E-Motoren zum Einsatz, einer an der zweiten und einer an der dritten Achse. Ihre kombinierte Dauerleistung beträgt 363 PS (267 kW) und 3500 Nm. Kurzzeitig liefern die beiden E-Motoren gar 435 PS (320 kW).
Die Power ist auch nötig, denn alleine die Akkus sind schon bis zu drei Tonnen schwer. Im Gegensatz zu Personenwagen befinden sie sich bei den MAN-Bussen nicht im Unterboden, sondern auf dem Dach, was sich durch einen hohen Schwerpunkt negativ auf die Fahreigenschaften auswirkt. Im 12E hat die Batterie eine Kapazität von 450 Kilowattstunden (kWh) im 18 Meter langen Gelenkbus sind es bis zu 640 kWh.
VBZ hat zugegriffen
MAN gibt die Reichweite für seine Elektrobusse mit 350 Kilometern an. Danach können sie nach Betriebsende über Nacht im Depot bis zur ersten Fahrt am nächsten Morgen mit 150 kW problemlos wieder vollgeladen werden. Im vergangenen Jahr führten MAN und die Stadt München (D) einen Test unter Realbedingungen in der Innenstadt durch. Im 24-Stunden-Dauerbetrieb schaffte der Elektrobus Lion’s City 12E imposante 550 Kilometer und hatte nach endlosen Touren durch München mit Tür auf, Tür zu, anfahren und abbremsen noch zwei Prozent im Akkupaket. Ein gutes Arbeitszeugnis, das auch die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) überzeugt hat. Und so haben die VBZ 15 Lion's City 12E bestellt.
Engadin Bus testet noch
Aber der Münchner Stadtverkehr ist ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was im Engadin auf den 12E zukommt. Denn da kann es im Winter schnell mal minus 20 Grad werden. Engadin Bus und Chur Bus erhoffen sich aus dem bis Mai 2023 dauernden Langzeit-Test wertvolle Erkenntnisse über die Alltagstauglichkeit von Elektrobussen auch bei winterlichen Bedingungen. Es ist verständlich, dass die Verkehrsbetriebe die Elektrobusse gründlich testen. Denn ein elektrischer MAN Lion's City 12E kostet mit 550'000 Franken fast doppelt so viel wie eine vergleichbare Diesel-Version.