So steht es um den Sportwagenbauer Lotus
Vom Schweizer Fiasko zum chinesischen Märchen?

Lotus ist ein klingender Name in der Autowelt. Unter Gründer Colin Chapman wurde die britische Marke zur Legende. Danach stürzte ein Schweizer sie beinahe ins Verderben. Mit chinesischer Hilfe soll Lotus endlich wieder auf die Erfolgsspur zurückfinden.
Publiziert: 10.04.2022 um 05:11 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2022 um 06:34 Uhr
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Gestatten, Lotus! Ein grosser Name der Autowelt, hier die langjährigen Modelle Elise, Exige und Evora.
Foto: Lotus
Martin A. Bartholdi

Leicht, leichter, Lotus: Nach diesem Motto baut die britische Traditionsmarke seit 70 Jahren puristische Sportwagen. Und jetzt das: Ein Lotus-SUV steht vor der Tür! Das ist, als gebe die katholische Kirche mal eben eines der Zehn Gebote auf. Denn SUVs sind gross und schwer, aber der Erfolg der Marke basiert bisher auf der Leichtbau-Philosophie von Lotus-Gründer Colin Chapman (1928–1982): Die puristischen Flundern aus Hethel in Ostengland sind meist schwächer und trotzdem schneller als ihre deutlich schwereren Konkurrenten. Und der Leichtbau kann auch die Zukunft von Lotus sichern: Jene ist elektrisch, und bei Elektroautos ist Gewicht der natürliche Feind der Reichweite.

Bleibt die Frage, ob Lotus genug finanzielle Reichweite hat, um dieses Ziel zu erreichen. Kaum ein Autohersteller rutschte so häufig um ein Haar ins Aus wie die britische Traditionsmarke. Nach Chapmans Tod 1982 kam es zu mehreren Besitzerwechseln. Die Neueigner versuchten mit wechselndem Erfolg, die Marke neu zu beleben. Unvergessen ist das Fiasko um den Schweizer CEO. 2009 besass der malaysische Autobauer Proton Lotus und machte Dany Bahar (51) zum Boss. Der Schweizer wollte mit Lotus Porsche herausfordern und zeigte am Pariser Salon Prototypen von fünf neuen Modellen. Keines kam auf die Strasse. Bahar wurde zwei Jahre später mit dem Vorwurf der Veruntreuung von Firmengeldern gefeuert. Klagen beider Seiten wurden aussergerichtlich beigelegt.

Die Übergangsjahre

Die folgenden Jahre entkam Lotus nur dank der reichen Historie dem Vergessen. Wie Chapman die F1 mit Monocoque, seitlichen Kühlern und Aerodynamik revolutionierte. Oder wie der Esprit von 1976 als Dienstwagen von James Bond in «Der Spion, der mich liebte» 1977 zum U-Boot wurde – unvergesslich. Bei neuen Modellen sassen die Lotus-Fans hingegen während des letzten Jahrzehnts auf dem Trockenen. Das neuste Modell war der Evora von 2009, die Elise und der Exige waren noch älter. Für Neues fehlte das Geld.

Wer ist Geely?

Geely ist die Konzernmutter von Lynk & Co, Volvo, deren Elektromarke Polestar und dem britischen Sportwagen-Leichtgewicht Lotus. Ausserdem baut das 1986 gegründete chinesische Unternehmen die typischen London-Taxis und hat ein paar China-Automarken unterm Schirm, von denen wir noch nie gehört haben. Seit 2018 gehören ihm 9,7 Prozent vom Daimler-Konzern. Im Jahr 2023 setzte Geely mit 120'000 Mitarbeitenden umgerechnet über 22,4 Milliarden Franken um.

Geely ist die Konzernmutter von Lynk & Co, Volvo, deren Elektromarke Polestar und dem britischen Sportwagen-Leichtgewicht Lotus. Ausserdem baut das 1986 gegründete chinesische Unternehmen die typischen London-Taxis und hat ein paar China-Automarken unterm Schirm, von denen wir noch nie gehört haben. Seit 2018 gehören ihm 9,7 Prozent vom Daimler-Konzern. Im Jahr 2023 setzte Geely mit 120'000 Mitarbeitenden umgerechnet über 22,4 Milliarden Franken um.

Das änderte sich 2017. Der chinesische Geely-Konzern übernahm 51 Prozent der Anteile und integrierte Lotus in sein Automarken-Portfolio, zu dem auch Volvo und Polestar, Lynk & Co. oder Smart gehören. Allen Unkenrufen zum Trotz hat Geely gerade mit der schwedischen Edelmarke Volvo gezeigt, wie man eine Marke wieder auf Kurs bringen kann. Gelingt das auch mit Lotus? Zwei Jahre nach der Übernahme enthüllen die Briten ihr erstes neues Modell seit zehn Jahren: den elektrischen Hypercar Evija. Mit seinen 2000 PS (1470 kW) soll er nicht weniger als das stärkste Serienauto der Welt werden.

Nur viel heisse Luft?

Doch die Lotus-Fans sind inzwischen gebrannte Kinder, auch die Fachwelt reagiert zurückhaltend. Folgen auf gewohnt grosse Ankündigungen aus Hethel diesmal wirklich Taten? Und tatsächlich: Kunden der 130 geplanten Evija warten immer noch auf ihren für letztes Jahr angedachten Hypersportler. Aber diesmal ist es offenbar keine Ankündigungs-Seifenblase, die platzt. Corona-Pandemie und Chip-Krise haben auch Lotus einen Strich durch die Rechnung gemacht und alles verzögert. Wohl Ende Jahr startet nun der Evija.

DCX STORY: doc7kg749n6h04b39qiia8 [Der Lotus-SUV Eletre]

Ein Fiasko wie 2010 kann sich Geely nicht leisten. Der Konzern hat 2,3 Milliarden Pfund (ca. 2,8 Mia. Fr.) in die Marke Lotus investiert, um den Evija, den letzten Benzinsportler Emira und den E-SUV Eletre zu entwickeln. Weiter haben die Chinesen das Werk in Hethel modernisiert und ein ganz neues Werk im chinesischen Wuhan gebaut. In England soll die Produktion damit langfristig von jährlich zuvor 1800 Exemplaren der inzwischen eingestellten Elise, Exige und Evora auf 4500 bis 5000 Stück erhöht werden. Dazu zählt der Emira, denn der Lotus-Hauptsitz bleibt das Zuhause der Sportwagen. Die Lifestyle-Modelle wie die geplanten SUVs werden dagegen in China gebaut. Das Werk ist dort entsprechend für eine Produktion 150'000 Autos im Jahr ausgelegt – alle elektrisch.

Es scheint, als gebe Geely Lotus den nötigen Nährboden, um wieder aufzublühen. Und allen SUV-Plänen zum Trotz wird die Leichtbau-Tradition nicht gänzlich aufgegeben. Der Evija ist mit 1670 Kilo laut Lotus der leichteste elektrische Hypercar. In Zukunft heisst es also nicht mehr «je leichter, desto schneller», sondern eher «je leichter, desto weiter».

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