Erst stoppte Corona die Produktion, jetzt stehen viele Produktionswerke wegen zu wenigen Halbleitern still. Und noch ehe diese Krisen überwunden sind, ziehen schon die nächsten dunklen Wolken am Wirtschaftshimmel auf. Dieses Mal bremst China die Autoindustrie.
Dabei geht es um Magnesium. Dieses droht auszugehen – mit noch nicht abschätzbaren Folgen für die Autoindustrie und ihre Zulieferer. Denn Magnesium ist ein zentraler Bestandteil bei der Herstellung von Aluminium, das bei der Produktion von Autos eine immer wichtigere Rolle spielt. Es kommt vor allem in der tragenden und schützenden Karosserie zum Einsatz.
Darum brauchen Autos Magnesium
Magnesium gilt unter den üblicherweise für strukturelle Anwendungen verwendeten Werkstoffen als der leichteste seiner Art. Es ist etwa um ein Drittel leichter als Alu und verbindet sich leicht mit anderen Elementen.
Die Verwendung von Magnesium im Automobilbau begann wie bei vielen Leichtbaustoffen im Rennsport, wo das Material bereits in den 1920er-Jahren für einige Komponenten verwendet wurde. Heute spielt es in erster Linie bei Aluminiumlegierungen eine wichtige Rolle und spart rund 200 Kilogramm in jedem Auto.
Über die Hälfte kommt aus China
Der grösste Teil des Materials wird aus natürlichen Mineralien wie Dolomit und Magnesit gewonnen. Dafür gibt es zwei Verfahren (Elektrolyse und Pidgeon-Verfahren), die aber beide einen hohen Energiebedarf haben und hohe Emissionen verursachen. Und genau hier liegt der Grund für die drohende Knappheit.
Mit 63,5 Prozent oder 650'000 Tonnen stammt über die Hälfte der weltweiten Magnesiumproduktion aus der chinesischen Provinz Shaanxi. Diese will aber den Energieverbrauch pro Kopf senken und hat deshalb alle Industriebetriebe aufgefordert, die Produktion zu drosseln oder ganz einzustellen.
Die meisten Werke, darunter auch die Magnesiumproduktion, arbeiten bis Ende Jahr nur noch auf 40 Prozent. Wie es danach weitergeht, liegt in den Händen der Regierung von Shaanxi. Lockerungen bei den Energiekürzungen oder Änderungen bei der Priorisierung von Energiebeschränkungen werden die Produktion und damit die Verfügbarkeit von Magnesium und weiterer Produkte bestimmen.
Dreimal teurer
Klar ist: Die Kapazitäten ausserhalb Chinas werden nicht in der Lage sein, eine grössere Lücke im weltweiten Angebot zu schliessen. Deshalb befürchtet besonders die von der Chip-Krise vorbelastete Autoindustrie, dass Magnesium und damit Alu schon bald knapp werden könnte. Wegen des künstlich geringen Angebots sind die Preise bereits angestiegen. Seit Juni hat sich der Preis mehr als verdoppelt. Im Vergleich zu vor der Pandemie hat sich der Magnesium-Preis sogar verdreifacht.
Es gibt aber auch positive Nachrichten. Bislang wurden keine Engpässe beim Aluminium gemeldet. Auch die Alupreise sind weiterhin stabil und vor allem sind die Aluhersteller wegen der aktuellen Magnesium-Situation nicht besorgt.
Weniger abhängig werden
Für eine Entwarnung ist es laut dem Analyse-Unternehmen IHS noch zu früh. Analyst Michael Tao sagt: «Die nächsten zwei Monate werden entscheidend sein, ob es zu einer ähnlichen Entwicklung führen wird, wie wir sie bei der Halbleiterknappheit beobachten konnten. Oder ob es sich um eine Überreaktion auf dem Metallmarkt handelt. In der Zwischenzeit sollten auch die langfristigen Risiken in Bezug auf das Angebot im Auge behalten werden.»
Einerseits müssten an Möglichkeiten geforscht werden, um mit weniger Energie und Emissionen an Magnesium zu gelangen. Zudem wäre es ratsam, wenn sich der Westen weniger von Magnesium aus China abhängig macht. Entsprechend sollten die Autohersteller an weniger magnesiumintensiven Legierungen forschen. Beides erfordert jedoch Investitionen.