Groteske Situation wegen Chipmangel
Werden auch die Neuwagen knapp?

Die weltweite Chip-Krise sorgt für immer prekärere Situationen auf dem Neuwagenmarkt. Einige Autohersteller liefern inzwischen nicht fertig montierte Neuwagen an ihre Händler aus. Diese rüsten später die fehlenden Komponenten nach.
Publiziert: 12.10.2021 um 18:32 Uhr
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Aktualisiert: 14.10.2021 um 11:36 Uhr
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Händler erhalten halbfertige Neuwagen: Mal fehlt die elektrische Heckklappe,...
Foto: ZVG.
Raoul Schwinnen

Mal fehle die elektrische Heckklappe, mal sei die Lichtfunktion eingeschränkt oder das Schiebedach funktioniere nicht. «Wir haben mittlerweile fast überall Einschränkungen», verriet kürzlich ein Verkaufsleiter eines grossen Mercedes-Autohauses in Stuttgart der «Automobilwoche»: Lieferfristen von über einem Jahr für Endkunden seien mittlerweile für fast alle Modelle an der Tagesordnung.

Ein deutscher BMW-Kollege erlebt ähnliches: «Unser Hersteller lässt die Produktion zwar weiterlaufen, schränkt aber die Sonderausstattung ein.» Solch halbfertigen Fahrzeuge müssen dann, wenn die fehlenden Extras einige Tage später nachgeliefert werden, von den Händlern nachgerüstet werden. Nur: BMW ändert die Produktion seiner Sonderausstattung quasi im Zwei-Wochen-Takt. Das sei für die Händler nicht planbar. Und entsprechend schwierig werde es in der Kommunikation mit dem Käufer. «Wir müssen den Kunden häufig vertrösten und die Bestellung neu aufsetzen», lässt sich der deutsche BMW-Händler im Branchenblatt zitieren.

BMW kann Autos nicht fertigstellen

Bei BMW gibt man zu, dass Neuwagen in der Produktion stellenweise nicht fertiggestellt werden. So heissts offiziell aus dem Konzern: «Die eingeschränkte Verfügbarkeit von Halbleiter-Komponenten wirkt sich auch bei uns auf die Produktion aus. Wie bei anderen Produzenten können auch bei uns Fahrzeuge zum Teil aufgrund eines fehlenden Halbleiterteils aktuell nicht fertiggestellt werden. Die hohe Flexibilität in unserem Produktionssystem ermöglicht es uns, auf kurzfristig verfügbare Komponenten schnell zu reagieren und diese Fahrzeuge zügig für unseren Kunden fertigzustellen.»

Und in der Schweiz? Beim Schweizer BMW-Importeur sagt man, dass die Herausforderungen bei der Halbleiterversorgung im ersten Halbjahr weitgehend kompensiert werden konnten. Die Situation bleibe aber weiterhin angespannt und es ist bis weit über den Jahreswechsel hinaus mit weiteren Produktionseinschränkungen zu rechnen. Sandro Kälin von BMW Schweiz präzisiert: «Gemeinsam mit unseren Handelspartnern wollen wir unseren Kunden aufgrund des hohen Individualisierungsgrades unserer Fahrzeuge alternative Ausstattungsvarianten anbieten. Aufgrund der Komplexität können wir aber keine allgemeine Aussage zu Lieferzeiten machen.»

Audi und Opel stoppen die Produktion

Ähnlich tönts bei Mercedes und Audi, wo zeitweise Neufahrzeuge nur mit einem statt zwei Schlüsseln ausgeliefert wurden. Inzwischen sei dieses Problem behoben, hiess es noch letzte Woche aus Ingolstadt. Doch nun muss, wie zuvor schon Opel, auch Audi seine Produktion erneut massiv runterfahren. In Ingolstadt ruhen seit dieser Woche zwei Montagelinien für die Modelle A3, A4, A5 und Q2. Auf einer dritten Montagelinie wird nur noch im Einschichtsystem gearbeitet. Auch im zweiten Audi-Werk in Neckarsulm steht seit Montag bis sicher übermorgen Freitag wegen Halbleitermangel die Produktion für die Modelle A4, A5, A6 und A7 still. Lieferfristen dürften sich bei den meisten Marken daher weiter verlängern; Neuwagen knapper werden.

Natürlich gibt dieser akute Teile-Versorgungsengpass der Branche zu denken. Der Verband der deutschen Automobilindustrie VDA geht davon aus, dass man in Europa umdenken müsse, um die Versorgung mit Halbleitern künftig zu sichern. «Wir brauchen einen raschen Ausbau der Produktion in Europa», fordert der VDA deshalb. Sagt aber auch: «Ebenso wichtig sind neue Handelsabkommen und eine aktivere Aussenpolitik für Rohstoffsicherheit als bisher.»

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