Chipmangel und zu wenig Akkus
Elektronik sorgt für nächste Auto-Krise

Kaum normalisieren sich nach Corona die Autoverkaufszahlen, bremsen jetzt fehlende Halbleiter und Akku-Fertigungs-Kapazitäten die Branche aus. Vermutlich noch länger.
Publiziert: 28.07.2021 um 11:05 Uhr
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Aktualisiert: 30.07.2021 um 19:00 Uhr
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Kaum normalisieren sich nach Corona die Autoverkaufszahlen, ...
Foto: Stefan Warter
Raoul Schwinnen

Der öffentliche Druck sowie immer strengere CO2-Vorschriften wurden zu gross. Deshalb bauen bald immer mehr Autohersteller nur noch elektrifizierte Neuwagen und keine reinen Verbrennermodelle mehr. Doch unterwegs auf ihrer Elektromission hat die Autobranche bis 2030 noch einige harte Nüsse zu knacken.

So schlägt sie sich gegenwärtig – wie auch andere Industriezweige – mit Engpässen bei Elektronik- und Halbleiterbauteilen herum. Liessen die weltweiten Neuwagenverkäufe in den ersten fünf Monaten dieses Jahres noch ein tolles Verkaufsergebnis für 2021 erwarten (plus 34 Prozent), werden diese Hoffnungen mit schlechten Absatz-Ergebnissen aus China bereits wieder geknickt.

Halbleiter-Engpass bis 2024

Lieferengpässe bei Halbleitern zwingen die Autohersteller zu Produktionskürzungen im grossen Rahmen. Dies wiederum verursacht längere Lieferfristen für Neuwagen, was in der zweiten Jahreshälfte nicht nur auf dem grössten Automarkt China, sondern weltweit für deutlich niedrigere Absatzzahlen sorgen wird. Ärgerlich: das Thema wird die Branche noch länger beschäftigen. So rechnet BMW-Chef Oliver Zipse (57) erst in ein bis zwei Jahren wieder mit einem normalen Geschäft ohne ausbremsenden Chipmangel.

Ähnlich schätzt der deutsche Autopapst Ferdinand Dudenhöffer (70), Direktor des CAR-Center Automotive Research in Duisburg (D), die prekäre Halbleiter-Situation für die Autobranche ein: «Aufgrund des Halbleitermangels erwarte ich bis 2023 weltweit eine Verknappung des Angebots um 8,1 Millionen Neuwagen.» Das wäre deutlich mehr als der gesamte Europa-Absatz von 2020! Dudenhöffer schätzt, dass erst ab 2024 wieder ausreichend Chip-Fertigungskapazitäten zur Verfügung stehen. «Der Weltmarkt wird von der Angebotsseite in der Autoindustrie eingebremst», stellt er fest. «Ein eher seltenes Phänomen. Üblicherweise liegen Überkapazitäten vor.»

Die fehlenden Halbleiter sind aber nur ein Problem, das die Autoindustrie in nächster Zeit beschäftigen wird. Längerfristig noch negativer aufs Verkaufsgeschäft auswirken dürften sich bald Engpässe bei der Batteriezellen-Produktion. Weil neben China nun auch die USA verstärkt auf E-Mobilität setzen wird und die europäischen CO2-Regulierungen dasselbe auf unserem Kontinent bewirken, wird die Nachfrage nach E-Autos und damit Lithium-Ionen-Batterien weiter stark ansteigen.

Akku-Verknappung bis 2029

In Amerika, China und Europa entstehen zwar diverse Produktionsstätten für Lithium-Ionen-Zellen, doch benötigt deren Aufbau Zeit. Zudem werden die Materialketten für die benötigten Rohstoffe knapp. Dudenhöffer geht in seinen Kalkulationen für die nächsten acht Jahre aufgrund der beschränkten Kapazität bei Lithium-Ionen-Akkus mit einer Verknappung des Neuwagen-Angebots um 18,7 Millionen Fahrzeuge aus. Erst ab 2029 rechnet der deutsche Experte wieder mit ausreichend Zell-Fertigungs-Kapazitäten. Dann sollen gemäss seinen Prognosen weltweit 94,1 Millionen Neuwagen gefertigt werden (siehe Balkendiagramm).

Etwas salopp formuliert fassen wir zusammen: In den kommenden Jahren wird nicht mehr der Kunde König sein, sondern der Chip und die Batteriezelle. Sie bestimmen den Markt. Und die Konsumenten schauen mit höheren Preisen und längeren Lieferfristen in die Röhre.

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