So funktioniert der automatische Batteriewechsel
0:30
Nio Power Swap Station:So funktioniert der automatische Batteriewechsel

Nio startet in Europa
Der Akku-Trick der Chinesen

Mit Nio startet die nächste chinesische Marke in Europa. Zum Start gibts zwei Elektro-Limousinen und einen SUV. Die will Nio aber nur vermieten. Dafür können die Batterien getauscht statt geladen werden.
Publiziert: 24.10.2022 um 05:00 Uhr
|
Aktualisiert: 13.11.2022 um 13:35 Uhr
1/18
2014 wurde die Automarke Nio von William Li und Lihong Qin in China gegründet.
Foto: Nio
Blickgruppe_Portrait_30.JPG
Martin A. BartholdiRedaktor Auto & Mobilität

«Parkvorgang starten.» Wir aktivieren die Schaltfläche auf dem Touchscreen. Wie von Zauberhand wird unser Fahrzeug, die Elektrolimousine ET7 des chinesischen Autobauers Nio, nach vorne gezogen – und setzt wieder zurück. Plötzlich rumpelt es, als wären die Hinterräder gerade über einen hohen Randstein gefahren.

Aber alles läuft normal. Wir sind gerade in der neuen Batteriewechselstation von Nio in Berlin-Spandau und haben eben den Akku-Tausch via Fahrzeuge-Bildschirm ausgelöst. Nios digitaler Assistent «Nomi» weist uns darauf hin, dass es beim Vorgang zu Vibrationen und ungewohnten Geräuschen kommen könnte. Das sei normal.

Zehn Schrauben für einen Akku

Schon geht ein sanfter Schlag durch den ET7. 43 Sensoren und Laser messen in der Wechselstation – erst wenn das Fahrzeug in die korrekte Position gebracht wurde, wird es um 15 Zentimeter angehoben. Wir sitzen immer noch am Steuer und sehen, wie alle Bildschirme dunkel werden. Das Surren von Akkuschraubern erklingt. Sie lösen zehn Schrauben. Ein Ruck, die leere Batterie ist draussen. Warten. Ein zweiter Ruck; jetzt wurde ein voller Akku eingesetzt und wird wieder verschraubt. Unser Fahrzeug ET7 wird abgesetzt und nach einem Selbstcheck fahren die Systeme wieder hoch. Sobald die Ampel der Anlage auf Grün schaltet, dürfen wir wieder rausfahren – ähnlich wie in einer automatischen Auto-Waschanlage.

Der Spuk dauert rund fünf Minuten, danach haben wir wieder einen vollen Akku an Bord. Mit solchen Wechselstationen (Nio nennt sie PSS – Power-Swap-Station) als Alleinstellungsmerkmal will der chinesische Autobauer ab nächstem Jahr in Europa durchstarten. «Die PSS ist unsere Antwort auf die Reichweitenangst und spart unseren Kunden eine halbe Stunde Wartezeit beim Laden», sagt Mitgründer und Verwaltungsratspräsident Lihong Qin (46). Trotzdem können Nio-Autos mit bis zu 130 kW auch schnellladen.

Akku-Upgrade für weite Strecken

Weil sie ausgetauscht werden, sind die Fahrzeugbatterien nur gemietet. «Es macht keinen Sinn, dass unsere Kunden eine grosse Batterie für viel Reichweite kaufen, die sie nur selten brauchen», erklärt Qin. «Dafür gibts Upgrades. Wer beispielsweise von Berlin nach Zürich fahren muss, ordert für zwei Wochen oder einen Monat eine grössere Batterie und erhält sie in der nächsten PSS.» In einer Wechselstation befinden sich 13 Batterien. Sie werden mit 40 bis 80 Kilowatt eher langsam geladen. Das schont Netz und Akkus. Bis zu zwölf Wechselvorgänge pro Stunde und 288 am Tag sind in einer PSS möglich. Die Station ist von 7 bis 22 Uhr in Betrieb.

Zum Start bietet Nio in Europa Akkus mit 75 oder 100 Kilowattstunden (kWh) Kapazität an. Das entspricht je nach Modell 380 bis 580 Kilometer Reichweite. Nächstes Jahr folgt ein noch grösserer 150-kWh-Akku für voraussichtlich gegen 850 Kilometer Reichweite. Die früher von Nio versprochenen 1000 Kilometer Reichweite basierten auf dem alten NEFZ-Testzyklus. Doch auch 850 WLTP-Kilometer dürfen sich sehen lassen.

Die grosse Europa-Show

Nios Präsentation zum Europastart war ebenfalls sehenswert. In der Berliner Eventlocation Tempodrom lud Gründer William Li (48) zu einer anderthalbstündigen Show. Vor rund 1300 Gästen präsentierte er seine 2014 gegründete Marke in ähnlicher Manier, wie Apple oder Tesla ihre Produkte vorstellen. Nach Norwegen startet Nio Anfang 2023 mit den Limousinen ET7 und ET5 sowie dem SUV EL7 (in China als ES7 verkauft, für Europa nach einer Klage von Audi kurzfristig in EL7 umbenannt) in Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und Schweden.

Wie die Akkus lassen sich auch die Autos nur leasen. Es stehen verschiedene Modelle zwischen einem und 60 Monaten zur Auswahl. Beim günstigsten Tarif kostet der ET5 umgerechnet rund 970 Franken pro Monat, der ET7 1160 Franken, und 1260 Franken werden für den EL7 fällig. Darin ist auch der Batteriewechsel inbegriffen, sofern man bei der gleichen Akkugrösse bleibt. Bis 2025 will Nio in 25 europäischen Ländern präsent sein, auch bei uns in der Schweiz.

Im gleichen Zeitrahmen wollen die Chinesen 1000 Batteriewechselstationen, vor allem in Europa, aufbauen. Nio wäre offen, die Technologie mit anderen Herstellern zu teilen. Ein gewisses Interesse sei zwar vorhanden, konkrete Gespräche gäbe es aber nicht, sagt Lihong Qin. Dass Nio sich der Kompatibilität wegen so zu einem der grössten Batterielieferanten der Branche machen könnte, wäre für die Chinesen ein positiver Nebeneffekt.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?