Neuwagen aus Tschechien, China oder Mexiko
Woher kommen unsere Autos?

Audi produziert in Mexiko, Toyota in Belgien: Die Neuwagen für den Schweizer Markt kommen längst nicht mehr allein aus den typischen Autonationen. Genau ein Auto wurde in diesem Jahr in der Schweiz produziert.
Publiziert: 24.11.2023 um 09:00 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2023 um 11:43 Uhr
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Rund 61,6 Mio. Autos wurden im vergangenen Jahr weltweit produziert. Längst schon kommen sie nicht mehr aus den klassischen Autonationen.
Foto: Peter Lawson / Rex Features
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Vor 50 Jahren war die Autowelt noch klar strukturiert. Ein Mercedes kam aus dem deutschen Stuttgart, BMWs liefen im deutschen München vom Band und jeder Alfa Romeo kam noch in Italien zur Welt. Französische Marken produzierten logischerweise in Frankreich und die damals noch exotischen Toyotas wurden aus Japan zu uns verschifft.

Neben Schweizer Nischenmarken wie Monteverdi (bis 1984) hat man wenige Modelle für den Schweizer Markt sogar hierzulande produziert. Bis 1972 schraubte die Amag Autos der Marken Plymouth, Chrysler, Studebaker, Dodge und VW Karmann-Ghia im aargauischen Schinznach-Bad zusammen. Und in Biel BE wurden bis 1975 Opel-Modelle produziert – aus angelieferten Teilen, um den höheren Zoll für fertige Autos zu umgehen. Aber von solchen Ausnahmen abgesehen, stand fest: deutsche Autos kamen aus Deutschland, französische aus Frankreich.

Einst grosse Autonationen verlieren

Doch fünf Jahrzehnte Globalisierung später zeigt sich die Autolandkarte unübersichtlich. Tiefere Lohnniveaus zunächst in Ländern wie Spanien und Portugal und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1990 auch in den aufstrebenden Staaten Osteuropas verführten selbst die traditionsbewusstesten Autobauer zur Verlagerung ihrer Produktion. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in jenen Ländern wuchs auch dort die Nachfrage nach Autos– nur wer lokal produzierte, konnte seine Autos konkurrenzfähig günstig bauen. Vor allem aber der Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht in den 1990ern und 2000ern krempelte die Autowelt völlig um. Längst ist das zweit-bevölkerungsreichste Land der Erde der grösste und wichtigste Automarkt weltweit – weit vor den USA und Europa.

Inzwischen hat jeder Autobauer sein eigenes weltumspannendes Netz von Werken, Zulieferern und Importgesellschaften, um flexibel und je nach wirtschaftlicher Situation möglichst kostengünstig produzieren zu können. Das wirbelte die Rangliste der Auto produzierenden Staaten in den letzten 20 Jahren kräftig durcheinander. War Frankreich 2002 noch die globale Nummer vier, reichte es 2022 ebenso wie für Italien nicht mal mehr für die Top Ten. Japan mit jährlich 6,57 Mio. Fahrzeugen wurde in diesem Zeitraum von China (23,8 Mio.) auf Platz zwei verwiesen, Deutschland (3,48 Mio.) hält derzeit noch hauchdünn Platz vier vor Südkorea (3,46 Mio.).

Selbst aus China wird geliefert

Aber woher kommen nun aktuell die Schweizer Neuwagen? Guido Biffiger verfolgt mit seinem Unternehmen GFB Consulting als Auto Consultant den Schweizer Neuwagenmarkt seit Jahrzehnten und hat für SonntagsBlick tief in die aktuellen Schweizer Zulassungszahlen geschaut. Für die 15 wichtigsten Produktionsländer listet er die jeweiligen zehn Bestseller in der Schweiz zwischen Januar und April dieses Jahres auf. Dabei half ihm die sogenannte 17-stellige Fahrzeug-Identifikationsnummer: In ihr sind Baureihe, Motortyp, Werk und Modelljahr kodiert und ermöglichen eine eindeutige Zuordnung jedes einzelnen Autos.

Auch die Kleinen zählen

Auch jenseits von Platz 15 finden sich im Ranking der Lieferländer Überraschungen. Einst liefen in Schweden (Platz 18, 989 Autos) Modelle von Volvo und Saab vom Band – heute sind es nur noch einige Volvos und die Supersportwagen von Koenigsegg. In den Niederlanden (20, 659) lässt Mini sein Cabrio und den Countryman bauen. Alle Mitsubishi Space Star kamen aus Thailand (22, 334) zu uns; knapp dahinter liegt Österreich (23, 332): Hier werden beim Auftragsfertiger Magna Steyr BMW 5er und Z4 sowie die Mercedes G-Klasse produziert.

Auch jenseits von Platz 15 finden sich im Ranking der Lieferländer Überraschungen. Einst liefen in Schweden (Platz 18, 989 Autos) Modelle von Volvo und Saab vom Band – heute sind es nur noch einige Volvos und die Supersportwagen von Koenigsegg. In den Niederlanden (20, 659) lässt Mini sein Cabrio und den Countryman bauen. Alle Mitsubishi Space Star kamen aus Thailand (22, 334) zu uns; knapp dahinter liegt Österreich (23, 332): Hier werden beim Auftragsfertiger Magna Steyr BMW 5er und Z4 sowie die Mercedes G-Klasse produziert.

Bis Ende April wurden in diesem Jahr total 77'580 Personenwagen aus insgesamt 27 Ländern in der Schweiz eingelöst. Überraschend: Die allermeisten Skodas kommen noch immer aus dem Stammland Tschechien, Dacias laufen weiterhin in Rumänien vom Band und sieht man beispielsweise von Nissan mit seinem Werk Sunderland (UK) ab, sind japanische Hersteller meist noch Japan treu. Aber vor allem in den Grosskonzernen wie Stellantis und VW gehts kreuz und quer. Neue Audis zum Beispiel kommen aus Deutschland, Spanien, Ungarn und Mexiko zu uns. BMWs grössere SUVs vom X3 bis zum X7 werden im US-Werk Spartanburg auch für den Schweizer Markt gebaut. Toyota fertigt neben Japan auch in Tschechien, Frankreich, Grossbritannien und Belgien für die Schweiz. Und auch China gewinnt an Bedeutung: Tesla, Volvo und Polestar als Töchter des chinesischen Geely-Konzerns und auch die Stellantis-Marke DS beziehen dort Neuwagen für die Schweiz. Auch Tesla? Allerdings, denn das Werk im deutschen Grünheide liefert derzeit nur die stärkeren Allradversionen des Model Y in die Schweiz.

Produktionsverlagerungen geplant

Wer genau hinschaut, bemerkt auch überraschende Details: Das Schweizer Mini-Elektroauto Microlino wird in Italien gefertigt. Zehn Dacia Duster wurden mit Renault-Label ans Internationale Rote Kreuz in Genf geliefert. Und schliesslich kommt ein einziges Auto auch tatsächlich aus der Schweiz: Ein vollelektrischer Stimbo HV-P wurde in Zermatt VS für den emissionslosen Verkehr in der autofreien Gemeinde gebaut und zugelassen.

Wie anfällig indes solche globalen Produktionsnetzwerke mit ihren langen Lieferketten sind, die dennoch zuverlässig funktionieren müssen, zeigte die Corona-Pandemie: Von den Folgen von Chipmangel, Lieferverzögerungen durch Häfen im Lockdown oder fehlenden Containern hat sich die Autobranche bis heute nicht erholt. Auch im Schweizer Automarkt bleiben sie trotz Aufschwung spürbar. Zahlreiche Konzerne denken daher längst über eine Relokalisierung ihrer Werke in räumlich nahen Verbünde mit den Zulieferbetrieben nach. Neue Batterie- und Chipproduktionen für die E-Auto-Fertigung entstehen ebenfalls in den kommenden Jahren in Europa.

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