Offroad im 585 PS starken Mercedes-AMG G 63
Wir setzen eine Viertelmillion in den Sand

Wer würde mit einem 250'000 Franken teuren Luxus-SUV über einen Offroadparcours rasen? Wir! Blick ging mit der 585 PS starken AMG-Version der Mercedes G-Klasse ab auf die Schotterpiste.
Publiziert: 26.06.2024 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2024 um 11:06 Uhr
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Das ist die Mercedes G-Klasse. Seit 45 Jahren sieht sie in den Grundzügen gleich aus, wird technisch aber immer wieder auf den neuesten Stand gebracht.
Foto: Mercedes-Benz AG
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

«Scharf links, gleich wieder rechts – dann Vorsicht, die macht zu!» Wie ein Copilot in der Rallye-Weltmeisterschaft sagt der Beifahrer die Kurven an. Mehr links, weniger rechts, Vorsicht – «und jetzt Lenkrad festhalten und mindestens Tempo 80!». Der 2,6-Tonnen-Offroader schiesst über die Schotterpiste auf die Kuppe zu. Wie es dahinter weitergeht? Keine Ahnung, hoffentlich geradeaus. Noch 50 Meter, dann 20 – und der Mercedes hebt ab.

Diese G-Klasse ist der Gipfel: Vierliter-V8 mit zwei Turboladern, 585 PS (430 kW) plus einem 20 PS (15 kW) starken E-Motor im Getriebe zur Hybridisierung, Allrad. In nur 4,3 Sekunden gehts auf Tempo 100 und die Elektronik bremst erst bei 220 km/h. Kostenpunkt des gerade frisch überarbeiteten Mercedes-AMG G 63: ab 234'900 Franken, ohne Extras. Aber natürlich liesse er sich locker mit ein paar Kreuzchen bei den Optionen über die Viertelmillionen-Marke treiben. Würde man mit dieser rollenden Schrankwand mit Nobel-Interieur fliegen gehen, wenn man sie selbst gezahlt hätte? Wohl kaum.

Langlebigstes Modell im Mercedes-Programm

Es sei denn, man nimmt einen Mercedes-Testfahrer mit, der die Offroadpiste genau kennt. In den Hügeln bei Montpellier (F) testet der Stuttgarter Autobauer jede neue Generation seines seit 45 Jahren angebotenen Gelände-Methusalems namens G-Klasse. Bei allen Kletterfähigkeiten gehts über Stock und Stein eher langsam zu. Aber auf diesem Schotter-und-Sand-Rundkurs darf man Gas geben – inklusive Flugeinlage. Sowas macht keine Kundin und kein Kunde? Das sehen vor allem die Käufer in den arabischen Staaten aber anders, die mit ihren G-Klassen mit Vollgas sogar Dünen erklimmen. (Auch interessant: Erste Fahrt in der elektrischen G-Klasse)

Zuerst das Fahrprogramm Trail wählen. Wir lassen es langsam angehen für die Streckenkenntnis. Büsche und Einschnitte verbergen die Kurven, aber die Richtung sagt ja der Beifahrer an. Schrittweise steigern wir das Tempo – voll aufs Gas, Kurven anbremsen, einlenken und wieder aufs Gas. Der V8 spricht giftig an – würde man solch einem Offroader nicht zutrauen. Möglichst eng sollen wir die Kehren nehmen, auf dem losen Untergrund rutscht das Auto schon von selbst Richtung Kurvenaussenseite. Im Gefälle muss man kräftig auf die Bremse, um nicht zu schnell in die Kurve zu gehen.

Mercedes-AMG G 63

Antrieb 4,0-l-V8-Biturbobenziner, 585 PS (430 kW), 850 Nm@2500–3500/min, 9-Gang-Automatikgetriebe, Mildhybrid 20 PS (15 kW), Allradantrieb
Fahrleistungen 0 bis 100 km/h in 4,3 s, Spitze 220 km/h
Masse L/B/H 4,87/1,98/1,97 m, Leergewicht 2640 kg, Kofferraum 640–1990 l
Umwelt Verbrauch Werk 14.7 l/100 km, 335 g/km CO₂-Ausstoss lokal, Energieeffizienz G
Preis ab 234'900 Franken

Antrieb 4,0-l-V8-Biturbobenziner, 585 PS (430 kW), 850 Nm@2500–3500/min, 9-Gang-Automatikgetriebe, Mildhybrid 20 PS (15 kW), Allradantrieb
Fahrleistungen 0 bis 100 km/h in 4,3 s, Spitze 220 km/h
Masse L/B/H 4,87/1,98/1,97 m, Leergewicht 2640 kg, Kofferraum 640–1990 l
Umwelt Verbrauch Werk 14.7 l/100 km, 335 g/km CO₂-Ausstoss lokal, Energieeffizienz G
Preis ab 234'900 Franken

Immer auf dem Sprung

Dann taucht die Kuppe auf, «Gas», ruft der Beifahrer, und auf dem Gipfel springt die G-Klasse ab Richtung nirgendwo. Aber viel überraschender als der kurze Flug ist die Landung: kein Schlag, kein Knall, weil der Kopf aufs Dachblech trifft. Sanft und geschmeidig setzt der G 63 wieder auf. Schuld ist das aufwendige Fahrwerk, mit dem Mercedes eigentlich sich ausschliessende Fahrfähigkeiten auf Asphalt und im Gelände zugleich ermöglichen will: Statt mechanischer Stabilisatoren sind alle vier Stossdämpfer untereinander per Hydraulik verbunden. Weil sich die Dämpfer auf Druck und Zug der Fahrsituation anpassen, sind dazu jeweils zwei Anschlüsse nötig.

Durch die hydraulische Verbindung kommunizieren die Dämpfer quasi miteinander: Jede Bewegung eines Dämpfers kann von den übrigen drei ausgeglichen werden. Das sorgt für die weiche Landung und reduziert die Wankbewegungen der Karosserie. Erstmals eingesetzt hat Mercedes das System im Sportwagen AMG GT; McLaren nutzt ein ähnliches seit fast 15 Jahren bei seinen Strassensportwagen. Funktioniert aber auch bei einem 2,6-Tonnen-Brocken wie dem G 63.

Das Fahrwerk macht den Unterschied

Auf der nächsten Runde trauen wir uns sogar 90 km/h beim Absprung – und prompt hebt die G-Klasse nach dem grossen noch für einen kleinen Hüpfer ab. Auch auf Asphalt zahlt das aufwendige Fahrwerk ein und ermöglicht bei Federung und Dämpfung eine riesige Spreizung von sehr komfortabel bis knallhart. Dazu gibts fünf Asphalt- und drei Gelände-Fahrprogramme, serienmässig 20-Zoll-Felgen und spezielle optische Details an der Karosserie und im Interieur. Und neu ist auch das Infotainment mit den zwei grossen Screens für Instrumente und Navi.

Blick-Fazit: Erstaunlich, dass man ein im Prinzip 45 Jahre altes Auto noch auf solch ein Fahrwerk einstellen kann. Mit dieser G-Klasse könnte man wohl auch an den Offroadrennen auf der mexikanischen Baja California teilnehmen. Nur werden leider die allermeisten Mercedes-AMG G 63 in der Schweiz kaum mehr erleben als Bordsteinkanten und Parkhausauffahrten. Aber man könnte raus in die Wildnis, wenn man wollte. Und sogar ein bisschen fliegen.

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