So fährt sich der Mercedes-AMG S 63 E-Performance
Das schnellste Sofa der Welt

Eine S-Klasse als PS-gewaltige AMG-Version? Was zunächst als kraftstrotzendes Nischenmodell erscheint, macht nicht nur hinter dem Lenkrad Spass. Vor allem, weil die Techniker den ursprünglichen Charakter der Luxuslimousine nicht verfälschen.
Publiziert: 29.06.2023 um 06:25 Uhr
|
Aktualisiert: 29.06.2023 um 14:03 Uhr
1/20
Die AMG-Version der neuen S-Klasse kommt mit üppigen 802 PS (590 kW) und brutalen 1430 Newtonmetern Drehmoment daher.
Foto: Deniz Calagan/Mercedes-Benz AG
Wolfgang Gomoll

Diese Frage muss erlaubt sein: Wozu braucht man eine AMG-Version der S-Klasse? Schliesslich ist ein S 580 e als Plug-in-Hybrid mit 510 PS (375 kW) mehr als ausreichend motorisiert. Trotzdem kann es die Mercedes-Sportabteilung AMG im deutschen Affalterbach nicht lassen und pflanzt dem Luxusliner einen Plug-in-Hybridantrieb mit 802 PS (590 kW) und einem brutalen Drehmoment von 1430 Newtonmetern ein. Und was kommt dabei heraus – Luxusmobil oder Krawallbüchse?

Die Dynamik steht im Vordergrund

Das Wichtigste ist ein doppelt aufgeladener V8-Biturbo mit vier Litern Hubraum und 612 PS (450 kW). Zusätzlich liefert ein E-Motor 95 PS (70 kW), der für zehn Sekunden sogar 190 PS (140 kW) als Booster beisteuern kann. Die E-Maschine steckt samt Zweiganggetriebe und elektronischem Differenzial an der Hinterachse gleich bei der Batterie. So schrumpft der Kofferraum auf unterdurchschnittliche 305 Liter, aber das Konzept hilft bei der Gewichtsverteilung, die mit 47 zu 53 oder 48 zu 52 je nach Ausstattung nahezu perfekt ist.

Mit 13,1 Kilowattstunden (kWh) Kapazität reicht die Batterie für vergleichsweise bescheidene 33 Kilometer. Aber es geht auch nicht um rein elektrische Reichweite, sondern schiere Power beim Zusammenspiel der beiden Antriebe. Die Batterie kann maximale Energiemengen in kürzester Zeit liefern und wieder aufnehmen: Bei der stärksten Rekuperationseinstellung werden bis zu 90 kW beim Bremsen in den Speicher geschaufelt. Dem Fahrwerk helfen eine 48-Volt-Wankstabilisierung und die Hinterachslenkung, die die Räder mit maximal drei Grad einschlägt. Mehr ging wohl auch nicht angesichts der 285 mm breiten Hinterräder.

Mercedes-AMG S 63 E-Performance

Antrieb Plug-in-Hybrid, 4.0-V8-Benziner, 612 PS (450 kW), Elektromotor 95 PS (70 kW), Overboost 190 PS (140 kW), Systemleistung 802 PS (590 kW), 1430 Nm, 9-Stufen-Automat, Allradantrieb, Akku netto 10,5 kWh, AC/DC 3,7/– kW
Fahrleistungen 0–100 km/h in 3,3 s, Spitze 290 km/h, E-Reichweite WLTP 33 km
Masse L/B/H 5,34/1,92/1,52 m, Gewicht 2520 kg, Laderaum 305 l
Umwelt WLTP 4,4 l + 21,4 kWh/100 km, CO2 Ausstoss 100 g/km, Energie G
Preise ab 245'100 Franken

Antrieb Plug-in-Hybrid, 4.0-V8-Benziner, 612 PS (450 kW), Elektromotor 95 PS (70 kW), Overboost 190 PS (140 kW), Systemleistung 802 PS (590 kW), 1430 Nm, 9-Stufen-Automat, Allradantrieb, Akku netto 10,5 kWh, AC/DC 3,7/– kW
Fahrleistungen 0–100 km/h in 3,3 s, Spitze 290 km/h, E-Reichweite WLTP 33 km
Masse L/B/H 5,34/1,92/1,52 m, Gewicht 2520 kg, Laderaum 305 l
Umwelt WLTP 4,4 l + 21,4 kWh/100 km, CO2 Ausstoss 100 g/km, Energie G
Preise ab 245'100 Franken

Unverfälschter Charakter

Das Cockpit mit digitalen Instrumenten, Head-up-Display und dem senkrecht stehenden 12,8 Zoll-Tablet-Touchscreen wirkt vertraut. Allerdings kommen manche Grafiken im farbenprächtigen AMG-Stil etwas knalliger daher und Teile des Armaturenbretts spiegeln sich deutlich in der Frontscheibe.

Start zur Testrunde! Mit Krawall? Glücklicherweise haben die AMG-Techniker den ursprünglichen Charakter der S-Klasse nicht verfälscht. Auch wenn die Abstimmung von Luftfederung und adaptiven Dämpfern etwas straffer ausfällt, ist die 2520 Kilogramm schwere Limousine kein brettharter Sportler, sondern bleibt komfortabel. Obwohl sich die Karosserie ab 120 km/h und in den Fahrmodi Sport und Sport plus um zehn Millimeter absenkt. Löblich: Die Spreizung der Fahrmodi ist extrem breit, aber der V8 tönt satt und voll statt rüpelhaft zu brüllen.

Dynamische und preisliche Wucht

Brachial gehts dennoch voran: Nach 3,3 Sekunden sind 100 km/h erreicht und auf Wunsch liegen 290 km/h drin. Aber der Mercedes-AMG S 63 E Performance kanns auch gelassen: Unter 2.700 U/min ist der Antritt nicht so fulminant, wie man aufgrund der mächtigen Leistungswerte vermuten würde – erst ab 3.000 U/min gibts kein Halten mehr. Allerdings spielen 9-Stufen-Automatik und die beiden Motoren nicht immer so ganz geschmeidig zusammen. Vor allem bei Teillast ruckelt es beim Fahrstufenwechsel bisweilen.

Im AMG S 63 E-Performance fühlt man sich aber nicht nur hinter dem Lenkrad, sondern auch hinten rechts wohl. Das liegt an bequemen Sitzen inklusive Massagefunktion, den Kuschel-Kopfstützen und dem Dolby-Atmos-Soundsystem. Mit einem klanggewaltigen Hollywood-Blockbuster auf dem hinteren Bildschirm wird die Über-S-Klasse so zum schnellsten Sofa der Welt. Dass aber ein Auto, das mindestens 245'100 Franken kostet, lediglich ein Ladegerät mit 3,7 Kilowatt (kW) Ladeleistung hat, verwundert dann doch.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?