Fast 40 Jahre ist es her, dass Renault den allerersten Espace auf den Markt brachte. Der Pionier sollte zum Grosserfolg werden. Er begründete 1984 nicht nur das Segment der Vans, sondern verkaufte sich über fünf Generationen hinweg auch hunderttausendfach. Sein Erfolgsrezept: viel Platz zum bezahlbaren Preis. Auf den Espace folgten bald zahlreiche weitere Grossraumlimousinen. Ob Chrysler Voyager, Seat Alhambra, Opel Zafira oder VW Sharan – sie kamen, sahen und liessen bei den Herstellern die Kassen klingeln.
Doch nach der Blütezeit der praktischen Familientransporter in den 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre sollten allmählich SUVs ihren Siegeszug antreten – und die Vans ihre Vormachtstellung im Familiensegment nach und nach verlieren: Noch 2006 kamen sie in Europa mit 2,3 Millionen Verkäufen auf einen Marktanteil von 15 Prozent. Heute machen Vans mit jährlich rund 200'000 verkauften Einheiten noch mickrige zwei Prozent aus. Und ausgerechnet Renault hat seinen einstigen Pionier in diesem Jahr eingestellt. Einen Espace gibts zwar weiterhin – doch die sechste Generation steht nun in Form eines grossen SUVs bei den Händlern.
Asien als Trendsetter
Vielleicht aber war Renaults Entscheid zu voreilig, denn Vans erleben aktuell ihre Renaissance. Dies hat zwei Gründe: Auf vielen asiatischen Märkten boomen die Grossraumlimousinen schon seit Jahren. In China beispielsweise, dem grössten Automarkt der Welt, wurden 2022 fast eine Million Vans verkauft. Doch statt bezahlbare Familienautos sind die Fahrzeuge in Fernost meist luxuriös ausstaffierte Shuttles, mit denen sich die solvente Kundschaft durch die dauerverstopften Innenstädte der Megacitys chauffieren lässt. Der Van als Rückzugsort im hektischen Arbeitsalltag hat gegenüber einer flachen Limousine entscheidende Vorteile: Er bietet mehr Platz, erlaubt eine aufrechte Sitzposition und eignet sich daher ideal als Büro auf Rädern.
Das Comeback der Vans hat aber auch technische Gründe. Mit der aufkommenden Elektromobilität setzen immer mehr Autobauer auf sogenannte Skateboard-Plattformen mit grossen Akkupaketen zwischen den Achsen. Der ebene Fahrzeugboden und enorme Radstände ermöglichen bisher ungeahnte Möglichkeiten bei der Raumaufteilung. Und auch das autonome Fahren spielt den Grossraumlimousinen in die Karten: Wenn wir einst nicht mehr selber am Steuer sitzen müssen, könnten Autos zum zweiten Wohnzimmer werden.
Von Asien nach Europa
Kein Wunder, denken sogar Sportmarken wie Alfa Romeo oder Porsche über eigene Van-Konzepte nach. Audi liebäugelt schon ganz konkret mit einer Luxus-Lounge auf Rädern und stellte die Studie Urbansphere letztes Jahr im Rahmen der Pekinger Autoshow vor. Andere Hersteller sind noch weiter und haben bereits neue Grossraumlimos im Angebot – nicht nur in Fernost, sondern auch in Europa. Wir geben einen Überblick, welche neuen Modelle schon auf dem Markt sind oder bald starten werden.
Lexus LM
Der Luxury Mover LM von Toyotas Edeltochter Lexus steht sinnbildlich für die neue Generation von Vans, die für Asiens Grossstädte konzipiert sind, aber auch nach Europa kommen. Den 5,10 Meter langen LM gibts nicht nur als Sieben-, sondern auch als äusserst luxuriös ausgestatteten Vierplätzer mit 48-Zoll-Megascreen und zigfach verstellbaren Liegesesseln. Der 250 PS starke Luxus-Shuttle mit Vollhybridantrieb rollt ab 149'900 Franken zu den Händlern.
Hyundai Staria
Hyundai brachte bereits 2022 den futuristisch gezeichneten Staria nach Europa. Der Van sieht nicht nur aus wie ein Raumschiff, er bietet auf 5,25 Meter Länge auch enorm Platz für bis zu neun Passagiere. Nicht so recht zur Science-Fiction-Optik passt da der 177 PS starke Turbodiesel, den Hyundai in wenigen Jahren durch einen E-Antrieb ersetzen könnte. Als neunplätziger Wagon geht der Staria bereits ab 39'900 Franken los, als edlerer Premium-Siebensitzer ab 59'000 Franken.
Maxus Mifa 9
Anfang November feierte der Mifa 9 des chinesischen Herstellers Maxus seine Schweizer Premiere – die ersten Fahrzeuge rollen bereits über unsere Strassen. Der 5,27 Meter lange Luxus-Elektro-Shuttle bietet Platz für bis zu acht Passagiere und stromert mit einer Akkuladung (90 kWh) bis zu 440 Kilometer weit. Geladen wird mit maximal 120 kW am DC-Schnelllader, für den Vortrieb sorgt ein 245 PS (180 kW) starker E-Motor an der Vorderachse. Die Preise des Maxus Mifa 9 starten ab 65'900 Franken.
Volvo EM90
Volvos chinesischer Mutterkonzern Geely weiss, was zu Hause gewünscht ist: Schon Anfang 2024 soll in China der elektrische Luxusvan EM90 starten. Für das Wohnzimmer-Feeling im 5,21 Meter langen Sechsplätzer sorgen klimatisierte Komfortsessel, ein 21-Boxen-Soundsystem und ein aus dem Dach ausklappbarer 15,6-Zoll-Bildschirm. Angetrieben von einem 272 PS starken E-Motor stromert der fast 2,8 Tonnen schwere EM90 dank Mega-Akku (109 kWh) bis zu 600 Kilometer weit. Wann Volvo den über 100'000 Franken teuren Luxus-Van nach Europa bringt, steht noch nicht fest.
Yoyah Dreamer
Der Dreamer steht stellvertretend für zahlreiche neue Luxus-Shuttles, die bald schon nach Europa stromern. China-Marke Voyah betrat mit dem schicken Elektro-SUV Free Anfang November an der Auto Zürich schon die Schweizer Bühne. Nächstes Jahr soll der 5,31 Meter lange Dreamer folgen. Besonders traumhaft gehts im Fond der Viersitzer-VIP-Version mit edlen Businessclass-Sesseln zu; zudem ist der 435 PS starke und rund 600 Kilometer weit surrende Elektro-Van als Siebenplätzer erhältlich. Wann und zu welchen Preisen der Dreamer startet, ist noch offen.
VW ID. Buzz XL
VWs Elektro-Bulli hat wie der Blitz eingeschlagen. Als XL-Variante sollen ab nächstem Jahr weitere Märkte erschlossen werden – neben den USA auch China. Der 4,96 Meter lange Elektrobus kommt als Sechs- oder Siebensitzer – besonders nobel wird er mit zwei Fond-Einzelsitzen statt Dreisitzbank. Die XL-Basisversion leistet als Hecktriebler 286 PS, später folgt eine Allradvariante mit 340 PS. Dank grösserer 91-kWh-Batterie soll der ID. Buzz XL bis zu 490 Kilometer weit stromern. Los gehts im Frühjahr 2024 zu Preisen ab wohl mindestens 75'000 Franken.
Fazit
Wer Vans schon für tot erklärt hatte, wird gegenwärtig eines Besseren belehrt. Doch aus den spiessigen Familientransportern sind dank E-Mobilität und neuer Bedürfnisse auf den asiatischen Märkten begehrenswerte Luxus-Shuttles geworden. Ob sie in Europa ähnliche Erfolge feiern können, bleibt abzuwarten.