So fühlt sich Freiheit an: den Motor starten, den Wind durch das offene Fenster spüren und mit dem Van auf der leeren Strasse losfahren. Der Weg ist das Ziel, das vierrädrige Gefährt das Zuhause. Sei es ein Camper, ein Wohnmobil oder ein selbst ausgebautes Büssli. Alles dabei und für alle Abenteuer gewappnet.
Diesen Traum von Freiheit, vom unkomplizierten und unabhängigen Reisen, hegten während der Pandemie viele Menschen. Wer im Homeoffice feststeckte, träumte vom Büropult unter freiem Himmel. Wer die Ferien absagen musste, wünschte sich mehr Flexibilität. Züge galten als Virenschleudern, das eigene Auto war der Safe-Space.
Zuwachs während Corona
Die Folge davon: Der Verkauf von Campern und Wohnmobilen explodierte. Über die Pandemiejahre steigerte sich die Anzahl verkaufter Wohnmobile in der Schweiz jährlich um 26 Prozent, im zweiten Corona-Jahr 2021 erreichte die Anzahl Neuinverkehrsetzungen von Wohnmobilen den Höchststand von 8447 Stück. Und im Pandemiejahr 2020 verriet der damalige CEO von Amag, Morten Hannesbo, in einem Interview mit der «Handelszeitung», dass sie bei den Campern fast ausverkauft seien. Das Produkt der Begierde: der VW Transporter T6.
Zwei Jahre später kehrt Ernüchterung ein: Der Auslandstourismus hat angezogen, die Schweizerinnen und Schweizer verreisen wieder mit dem Flugzeug. Das wirkt sich auch auf den Markt für Camper und Wohnmobile aus, wie dem «Blick» vorliegende Zahlen zeigen.
Der Peak ist erreicht
Eine offizielle Statistik zu Wohnmobilen führt das Bundesamt für Statistik (Bfs) – allerdings ohne genauer zwischen Wohnmobilen, Anhängern oder ausgebauten Vans zu unterscheiden. Bis 2021 verbuchte das Bfs einen markanten Anstieg der verkauften Fahrzeuge. Doch seither sinkt die Zahl der Verkäufe wieder. Von 8447 Wohnmobilen im Jahr 2021 auf zuletzt noch 7239 im vergangenen Jahr.
Die vielen Anschaffungen liessen die Gesamtzahl der Wohnmobile stark ansteigen. Aktuell fährt die Rekordmenge von mehr als 96’000 Wohnmobilen auf Schweizer Strassen.
Die Preise von Occasionen schnellen in die Höhe
Doch manch einer trennt sich schon von seinem neuen Gefährt. Das zeigen Zahlen der Plattform Autoscout24. Nach einem Allzeittief von 3000 ausstehenden Inseraten für Campingfahrzeuge im Jahr 2021 hat die Zahl inzwischen deutlich zugenommen; zuletzt suchten rund 5000 Inserentinnen und Inserenten einen Abnehmer für ihr Fahrzeug.
«Die Zahl der Inserate ist markant gestiegen», heisst es nüchtern bei Autoscout24. Gleichzeitig interessieren sich immer weniger Suchende für diese Camping-Occasionen. Grundsätzlich schwankt die Nachfrage nach Occasionen bereits je nach Saison stark. Im Frühling zieht die Nachfrage für gewöhnlich an, erreicht im Sommer ihren Peak und kühlt gegen den Herbst wieder ab. Jetzt sinkt aber die gesamte Nachfrage: Waren es im Mai 2021 noch 327’000 Suchanfragen gewesen, so verzeichnete Autoscout24 im Mai 2024 über 100’000 Anfragen weniger. Das Angebot steigt, die Nachfrage sinkt.
Ähnliche Zahlen präsentiert auch das Internetauktionshaus Ricardo: Zwischen 2019 und 2021 stieg hier die Zahl der angebotenen Camper und Wohnmobile von 341 auf 1120. Seither hat sich dieses hohe Niveau eingependelt.
Mietangebote und Nachfrage steigen
Von der Konsolidierung profitieren auch Vermieter und Carsharing-Anbieter, die zunehmend auch Wohnmobile anbieten. Das Startup Mycamper ist das «Airbnb der Wohnmobile». Das Jungunternehmen, gegründet 2015, vernetzt über seine Onlineplattform private Vermieterinnen und Mieter von Campervans.
Auf Anfrage sagt Mirjam Affolter, Co-Gründerin und Projektmanagerin von Mycamper, dass sich ihr Angebot seit 2018 verfünffacht habe. «Das zeigt, dass immer mehr Fahrzeugbesitzerinnen und -besitzer realisieren, dass es keinen Sinn macht, viel Geld für einen Camper auszugeben und den dann nur während weniger Wochen im Jahr zu fahren.»
Von 500 Fahrzeugen im Jahr 2018 stieg das Angebot auf der Plattform bis heute auf 2400 Camper. «Davon sind rund 400 VW Californias», sagt Affolter. «Das ist das mit Abstand beliebteste Modell bei unseren Mietern und Vermieterinnen.»
Doch nicht nur das Angebot habe sich vergrössert, auch die Nachfrage steige. «Wir hatten letztes Jahr fast viermal so viele Buchungen wie noch vor Corona im Jahr 2019.» Dieses Jahr befinde man sich auf Vorjahreskurs bei den Buchungen. Im Gegensatz zum letzten Jahr finden aber auch Kurzentschlossene noch ein Gefährt, da die Anzahl Fahrzeuge viel höher ist.
Und das ist das Gute an der Konsolidierung: Auch wer kein eigenes Büssli besitzt, kann spontan auf Reisen gehen.