Artemis, Cariad, Trinity. Mit dieser Dreifaltigkeit wollte Ex-CEO Herbert Diess (64) den Volkswagen-Konzern auf die Erfolgsstrasse bringen. Diess war ein Meister der Ankündigung, wollte alles gleichzeitig angehen. Mit dem Trinity sollte VW eine komplett neue Elektro-Antriebsplattform lancieren. Mit dem Artemis-Projekt erhielt die Nobeltochter Audi den Lead für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge, als deren erstes 2024 ein rein elektrischer Nachfolger des Audi A8 hätte erscheinen sollen. Eine agile Artemis-GmbH parallel zu den eher behäbigen Konzernstrukturen sollte ihn bei Audi Start-up-mässig vorantreiben.
Die Basis für beides sollte die Konzerntochter Cariad als Softwareschmiede legen. Denn: Eine eigene Software-Plattform galt Diess als Schlüssel im Konkurrenzkampf mit dem US-Elektropionier Tesla, der seine Modelle längst um einen zentralen Bordrechner herum konstruiert, wo VW noch mit Dutzenden Steuergeräten je Auto hantiert.
Realitätssinn statt Luftschlösser
Doch Ende Juli zog der VW-Aufsichtsrat die Notbremse: Schluss für Diess, der nie wirklich das Vertrauen der VW-Belegschaft gewinnen konnte. Seit dem 1. September regiert der noch immer auch als Porsche-Chef amtierende Oliver Blume (54) den Konzern. Und hat nach 100 Tagen im Amt bereits mächtig aufgeräumt. Statt die hochfliegenden Pläne seines Vorgängers auf Biegen und Brechen durchzudrücken – und damit ähnliche Probleme wie zum Beispiel bei der Lancierung des ID.3 zu schaffen –, buchstabiert er sie mit mehr Sinn für die Realität zurück. Den als schnittigen Viertürer geplanten Trinity lässt er zum SUV umkonzipieren – statt 2026 könnte er daher gar erst 2030 kommen. Mit der Verzögerung dürfte das geplante neue Trinity-Werk obsolet werden, weil der erwartete Rückgang der Verbrenner-Produktion Platz im Stammwerk Wolfsburg schaffen würde.
Statt am Artemis arbeitet Audi jetzt an zwei rein elektrischen Modellen namens Landjet und Landyacht als künftige Luxusliner ohne autonome Fahrfunktionen. Diese werden neu von der Konzerntochter VW-Nutzfahrzeuge entwickelt. Sicher ein Vorteil für die spätere Vermarktung: Selbstfahrende Nutzfahrzeuge ohne Fahrerin könnten Unternehmen Kosten sparen und wären damit betriebswirtschaftlich attraktiv. Und schliesslich wird Cariad neu aufgestellt. Statt alles selbst zu machen, will Blume neu auch Partnerschaften prüfen, wie die «Automobilwoche» meldet.
Kooperation statt Konfrontation
Gleich am ersten Arbeitstag verkleinerte Blume zudem den Konzernvorstand von zwölf auf neun Mitglieder. Ende Dezember tauschte Blume noch den Einkaufsvorstand aus und machte Porsches Designchef Michael Mauer (60) zum Konzernverantwortlichen für Design. Gleichzeitig setzt Blume auf eine neue kooperative Führungskultur, sieht sich als Teamplayer und soll gleich ab dem ersten Tag mit der mächtigen Betriebsratschefin Daniela Cavallo (47) per Du sein. Ganz anders als Vorgänger Diess, der Cavallomit leichthin geäusserten Spekulationen über Werksschliessungen und Jobabbau mehr als einmal gegen sich aufbrachte.
Dass Blumes Herangehensweise zum Erfolg führen könnte, zeigt sein bisheriges Wirken bei Porsche. Nur 81 Tage nach seinem Börsengang wird der Sportwagenbauer seit 19. Dezember als eines von 40 Unternehmen im deutschen Aktien-Leitindex DAX geführt. Da scheint jemand etwas richtig gemacht zu haben.