Handschaltung macht aufmerksam
Mit Automat fahren wir schlechter

Für eine sichere Fahrt ist weniger Technik mitunter besser. Zum Beispiel beim Gangwechsel: Wer von Hand schaltet, konzentriert sich mehr auf das Verkehrsgeschehen – der Automat schläfert uns quasi ein.
Publiziert: 15.04.2022 um 11:37 Uhr
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Aktualisiert: 16.04.2022 um 11:34 Uhr
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Die klassische Handschaltung verschwindet immer mehr.
Foto: Auto+Mobilität Ringier
Martin A. Bartholdi

Bei der ersten Autofahrt meines Lebens dachte ich: Das lernst du nie. Das delikate Zusammenspiel von Kupplung, Gaspedal und Schalthebel braucht Übung und Zeit.

Meinen Kindern wird Schalten erspart bleiben. Falls wir bis dahin überhaupt noch selbst fahren, wird es wohl nur noch Automatikgetriebe geben. Lag der Automaten-Anteil in der Schweiz vor 30 Jahren unter 20 Prozent, liegt er heute bei 80 Prozent. Das überrascht nicht: Hohe Verkehrsdichte macht Kuppeln mühsam, Automaten sind heute viel besser und effizienter, viele Autos gibt es gar nicht mehr handgeschaltet.

Handschaltung fördert Sicherheit

Für die Sicherheit ist diese Entwicklung allerdings nicht gut. Verschiedene Studien belegen: Autofahrerinnen und Autofahrer lenken aufmerksamer, wenn sie von Hand die Gänge einlegen müssen. Wie das? Handschaltung zwingt dazu, sich auf das Verkehrsgeschehen zu konzentrieren. Hinzu kommt: Wer eine Hand zum Lenken und eine zum Schalten braucht, hat keine Hand mehr für das Smartphone.

Aber nicht nur Automatikgetriebe lullen uns ein. Auch die Assistenten moderner Autos lassen uns nachlässig werden. Der Radar-Abstandstempomat übernimmt im Kolonnenverkehr beispielsweise Beschleunigen und Bremsen. Flott verlässt man sich zu sehr darauf. Bis es schiefgeht und kracht, wie jüngst bei einem Tesla Model 3.

Menschen sind keine Überwacher

Wir können nicht mal viel dafür, dass wir uns einlullen lassen. Das Gehirn ist so gestrickt. Bei automatisierten Vorgängen neigt es dazu, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Selbst Überwachen des Fahrzeugs fällt uns auf Dauer schwer, weiss Verkehrspsychologe Uwe Ewert (62): «Es fällt uns leichter, lange konzentriert zu bleiben, wenn wir selber fahren, als wenn wir das Auto beim Fahren überwachen.»

Nach etwa einer halben Stunde lässt die Aufmerksamkeit nach, wenn wir auf der Autobahn Abstandstempomat und Spurhalteassistent das Fahren überlassen. Wir sind weniger konzentriert und reagieren entsprechend langsamer auf Gefahren. Fahren wir aber quasi aktiv selbst, sprich bestimmen das Tempo, müssen lenken und bremsen und schalten, dann bleibt unser Hirn aktiv – wir fahren konzentrierter.

Rekuperation statt Schaltung

Sind die boomenden Elektroautos also unsicher, weil es sie nur mit Automat gibt? Nein: Bei Stromern haben wir statt Schalten das sogenannte One-Pedal-Driving. Geht man vom Gas, bremst die Energierückgewinnung das Auto. Mit etwas Übung lässt sich so ohne Bremse fahren und auch an Ampeln bis zum Stillstand abbremsen. Genau das, sagen Experten, hält unser Hirn dann ebenso aktiv wie das Schalten.

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