Für Sorgenfalten hätte die Mercedes-Mutter Daimler keine Corona-Krise gebraucht. Jetzt aber brach der Aktienkurs derart ein, dass Konzernlenker Ola Källenius (50) betonen musste, man benötige keine Staatshilfe, und die kleine Dividende von 0,90 Euro pro Aktie sei zur Hauptversammlung nicht gefährdet.
Aber warum nur? Klar, noch sind die Corona-Auswirkungen kaum abzuschätzen. Aber schliesslich haben die Schwaben doch ein gigantisches Portfolio, liegen beim Absatz vor BMW, erst recht vor Audi, um Welten vor Lexus, Jaguar oder Volvo und eine ganze Dimension vor Tesla. Liegt es an der Wende zur Elektromobilität?
Ein Spielball der Börse
Nicht direkt: Während sich BMW auf Gelassenheit und Geld der Hauptbesitzer-Familien Klatten und Quandt verlassen kann und über Audi der mächtige VW-Konzern der Besitzerfamilien Piëch und Porsche und das deutsche Bundesland Niedersachsen ihre schützende Hand halten, ist Daimler ein Spielball der Börse.
So befürchten Analysten, dass sich chinesische Konzerne angesichts des klammen Aktienkurses noch weiter in die Mercedes-Mutter einkaufen könnten. Geely besitzt derzeit knapp zehn Prozent an Daimler, BAIC gut fünf Prozent – und macht keinen Hehl daraus, mehr zu wollen. Weitere Pakete halten Kuwait und Renault-Nissan.
Autos sind aufwendig
Das Problem ist nicht der teure Elektro-Einstieg. Sondern das Kerngeschäft, aus dem die Milliarden dafür kommen – denn die «normalen» Mercedes sind gefragt, aber kosten Daimler zu viel. Ihre Entwicklung ist teurer als bei der Konkurrenz.
Hinzu kommt, dass die Konkurrenz ertragsarme Nischenmodelle längst dem SUV-Boom geopfert hat. Alleine die Frontantriebs-Plattform trägt neben der A-Klasse (Schrägheck) die A-Klasse Limousine, die lange A-Klasse (für China), die B-Klasse (Kompaktvan), das Coupé-Pendant CLA und dessen Kombi CLA Shooting Brake – die alle der C-Klasse auf den Pelz rücken, aber schärfer gerechnet sind. Dazu kommen die neuen GLA und GLB, für die mancher Kunde wohl auf den gewinnträchtigeren GLC verzichten wird.
Problem ist erkannt
Geht der älteste Autobauer der Welt (seit 1886) unter? Dass der Stern verglüht, dürften Unkenrufe bleiben: Der Aktienkurs dürfte zumindest nach Corona steigen. Källenius (50) ist dran an Prozess-Verschlankung und Kosten-Reduzierung. Und der Vorstand bekommt neue Gesichter. Zudem läuft ein Abfindungsprogramm: Wie fast alle baut der 300'000-Mitarbeiter-Riese Stellen ab, wohl 10'000 bis 15'000.
Gestrichen wird, was kaum Rendite verspricht. So entfällt zur nächsten S-Klasse-Auflage das Cabrio, das Ende des glücklosen X-Klasse Pick-ups ist besiegelt, ebenso des SLC. Typen wie der CLA dürften die nächste Generation nicht erleben. Nur das boomende SUV-Segment wird wohl nicht ausgedünnt, zumal entsprechend dem Paar GLC und (Elektro-)EQC auch die Elektroversionen von GLA und GLB namens EQA und EQB quasi fertig sind.
Auch in der Nutzfahrzeug-Welt wird zwecks mehr Rendite umgebaut: Zwar war und ist Daimler mit Mercedes, Freightliner (USA), Thomas Built Buses (die US-Schulbusse), Western Star (USA), BharatBenz (Indien) und Fuso (Japan) der grösste Camion-Hersteller der Welt. Aber vor allem die Van-Sparte leidet jüngst.
Klotzen statt kleckern
Doch es mehren sich gute Zeichen. Etwa, dass der SUV-Trend den Gipfel erreicht und die Limousine Renaissance feiert. Wo es darauf ankommt, wird darum nicht gekleckert, sondern geklotzt. Die neue S-Klasse soll ab Herbst 2020 wieder die gewinnträchtige Luxuslimousinen-Liga dominieren. Im Frühjahr 2021 kommt die neue Mercedes C-Klasse, die beim automatisierten Fahren voranfährt. Im Sommer 2021 startet der erste völlig eigenständig Sternen-Stromer: der Luxustyp EQS.
Selbst die Sportwagen erleben ein Revival. Der AMG GT war zwar ein Erfolg, aber tat sich gegen Porsche 911 und Co. schwerer als gedacht. Der SL ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Doch 2021 kommt der neue SL (neu mit Stoffverdeck). Er soll so einschlagen wie später der im Doppelpack mitentwickelte neue AMG GT.
Smarts zweite Chance
Zudem bekommt Smart eine zweite Chance. Die jetzt deutsch-chinesische Marke residiert, entwickelt und baut künftig bei Geely in China. Die neuen Smart sollen nach dem Umbau zur Elektro-Marke 2022 starten – und dann endlich Geld in die Kasse spülen. Fest steht, dass auch grössere Modelle kommen, wie der seit mehr als 15 Jahren angedachte SUV. Ob er wohl, wie einst geplant, Formore heisst?