Nur durch die Produktionsstopps im März und April werden weltweit rund 1,6 Millionen Autos weniger gebaut. «Noch ist es zu früh, um konkret zu sagen, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf die Autoindustrie haben wird. Aber ich fürchte, wir sehen bisher erst einen Bruchteil der Verwerfungen. Vor allem, weil sich mittelfristig auch das Verhalten der Konsumenten ändern wird», vermutet Andreas Radics, geschäftsführender Partner bei Berylls Strategy Advisors. «Auch wenn die Produktion weltweit wieder läuft – wir wissen nicht, wie schnell sich das Kaufverhalten normalisiert.»
Kommt dazu, dass Grosskonzerne wie VW oder Fiat/Chrysler ihre Fertigungen länger als geplant aussetzen müssen. Die Gründe sind immer noch die gleichen: Es geht um die Gesundheit der Mitarbeiter; es fehlen aber zunehmend auch dringend benötigte Komponenten, weil die Zulieferer ihre Fertigung ebenfalls aussetzen oder die Logistikketten (Schiff, Bahn, LKW) unterbrochen sind.
Positive Zeichen aus China
«Die gute Nachricht ist, dass in China die Fertigung fast überall wieder angelaufen ist und die Kunden bei den Händlern wieder Autos kaufen», räumt Andreas Radics ein. «Einzelne Marken melden, dass sie schon wieder bei 70 oder 80 Prozent des erwartbaren Volumens angelangt sind. Kommts in China zu keiner weiteren Covid-19-Welle, ist dies ein überaus positives Signal des so wichtigen Marktes.»
Für China geht Datenspezialist IHS Markit davon aus, dass in diesem Jahr 22,4 Millionen Fahrzeuge produziert werden; also 2,3 Millionen oder zehn Prozent weniger als 2019. In Europa sollen es 15,6 Millionen Fahrzeuge werden, also 13,6 Prozent weniger. Trotz Zwei-Milliarden-Rettungsprogramm für die US-Wirtschaft scheint dort die Rezession ebenfalls besiegelt. IHS prognostiziert in Amerika für 2020 ein Absatz von 14,46 Millionen Autos, also ein Rückgang von mindestens 2,4 Millionen Fahrzeuge oder 15,3 Prozent.
Kein verlorenes Autojahr
Dennoch sieht Berylls-Analyst Andreas Radics das Autojahr 2020 mit einem erwarteten Absatzrückgang von etwas mehr als zehn Prozent nicht als ein verlorenes Jahr an. «Immer vorausgesetzt, die Krise schwächt sich innerhalb der nächsten drei Monate in Europa und den USA deutlich ab, und das Virus ist und bleibt in China unter Kontrolle.»
Fest steht: Nur Firmen, die schnell eine geänderte Strategie für Produktion, Handel und Modellportfolio entwickeln und so flexibler auf die Krise reagieren, könnten mit überschaubaren Blessuren davonkommen. Einige kleinere Zulieferer dürften aber an den Rand ihres Existenzminimums gedrängt werden – und auch einige Autohersteller könnten ins Wanken geraten.