Er machte die Marke cool: Eine Runde im Audi Ur-Quattro
Diesem Auto verdankt Audi alles!

Audi? Das war in den 1970ern eine Marke für Buchhalter und Rentner. Doch dann liess Ferdinand Piëch den ersten Quattro entwickeln – der Kick-off für den Aufstieg zur Edel- und Hightech-Marke.
Publiziert: 30.12.2021 um 05:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.12.2021 um 10:51 Uhr
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Diesem Auto verdankt Audi alles: Bei seiner Präsentation vor über 40 Jahren wurde der Audi Quattro als Sensation bestaunt.
Foto: Zvg
Wolfgang Gomoll

Manche Strassen sollte man eigentlich nur in einem ganz bestimmten Auto fahren. Der Col de Turini in den französischen Seealpen ist so ein Ort. Auf der gut 22 Kilometer langen Serpentinenhatz fuhr Walter Röhrl 1984 im Audi Rallye Quattro A2 bei der legendären Rallye Monte Carlo der Konkurrenz um die Ohren und zementierte so seinen Sieg. Ein süsser Triumpf: Denn auf den Plätzen zwei und drei der wohl prestigeträchtigsten Rallye überhaupt folgten mit Stig Blomqvist und Hannu Mikkola zwei weitere Audi-Piloten.

Jetzt stehen wir ebenfalls am Col de Turini. Jenem Berg, an dem Siege gefeiert und sichergeglaubte Podiumsplätze an schneebedeckten Felsen zerschmetterten. Vor uns ein Lenkrad mit vier Ringen auf dem Pralltopf. Ja, es ist ein Audi Ur-Quattro Coupé. Unser Exemplar aus dem Jahr 1988 hat zwar nicht die wilden 360 PS – zurückhaltend geschätzt – der Röhrl'schen Fahrmaschine, sondern nur deren 200. Aber unter der roten Motorhaube werkeln ebenfalls fünf Töpfe in der berühmten Zündreihenfolge 1-2-4-5-3. Vergessen sie Sechs- und Achtzylinder: So kehlig und räudig wie Audis berühmter Fünfzylinder klang nie ein Sportwagen-Motor.

Den hatte niemand erwartet

Los gehts. Wir fahren nicht auf Sieg, sondern wollen die wertvolle Karosserie unbeschadet nach oben bringen – ohne den Alu-Motorblock, den man langsam warmfahren muss, gleich zu überhitzen. Und dabei natürlich Spass haben. Auch nach über 30 Jahren ist es beeindruckend, wie entspannt sich der 1300 Kilogramm schwere Bolide um die Ecken zirkeln lässt. Klar hat der Allradantrieb nicht die feinfühlige Regeltechnik aktueller Systeme, aber die mechanischen Sperren und Differentiale arbeiten mit imponierender Präzision. Wenn man den Fünfzylinder mit Drehzahlen bei Laune hält, kommt man auch flott um die Kurven. Übermut? Lieber nicht, wenn das Heck ohne jeden Fahrassistenten zu tänzeln beginnt.

Bei seiner Präsentation vor über 40 Jahren wurde der Audi Quattro als Sensation bestaunt. Nicht nur des Antriebs wegen, sondern auch ob seines 2,1-Liter-Fünfzylinders mit Turboaufladung und 200 PS. Nie und nimmer hätte man Audi vorher solch ein Auto zugetraut, mit dem Werks- und Privatteams sich gar in die Rallye-Weltmeisterschaft wagten – und Titel einfuhren. Bis dahin bestimmten fade Limousinen und Schrägheck-Kombis mit Biedermann-Image die Modellpalette. Nach dem Quattro war alles anders, weil die vier Ringe im Frontgrill plötzlich als der Wildheit letzter Schluss galten.

Der Prototyp fackelte ab

Schon die Testfahrten des Ur-Quattro waren eine heisse Sache. Nicht nur, dass an jeder Ecke Erlkönigjäger lauerten, die ein Bild des Ingolstädter Boliden schiessen wollten. Auch bei den Erprobungen in der Sahara-Wüsste wurde es brenzlig: Ein Techniker hatte die grandiose Idee, die Spritleitung direkt über den Turbolader zu legen. Der Prototyp fing bei sehr hoher Geschwindigkeit Feuer, Rallye-Fahrer Harald Demut konnte ihn noch auf 130 km/h herunterbremsen und hechtete dann aus dem lichterloh brennenden Fahrzeug. Übrig blieb ein Haufen geschmolzenes Metall. «Die Ingenieure haben sich Teile der Alufelgen als Erinnerungsstücke mitgenommen. Der Rest liegt vermutlich heute noch in der Wüste», sagt Audi-Historiker Ralf Friese.

Hinter dem Projekt stand der damalige Audi-Technikchef und künftige VW-Patron Ferdinand Piëch (1937 bis 2019). Der gebürtige Österreicher mit Porsche-Stammbaum sagt vorher, dass künftig jeder vierte produzierte Audi ein Allradmodell sein würde – das Gelächter der Experten schallte bis nach Wolfsburg. Die Technik ist was für Baustellen oder den Acker – auf der Strasse interessiert das niemanden, so die weit verbreitete Meinung. Zumal der VW Iltis – quasi der Willy's Jeep der deutschen Bundeswehr – Pate für den 4x4 stand.

Der coole Keil bekommt 306 PS

Heute ist der Ingolstädter Autobauer ohne diese Technik undenkbar. Rund 80 Prozent der Schweizer Audi-Auslieferungen verfügen über Antrieb auf allen Vieren. Doch auch Piëch lag nicht immer ganz richtig. Er glaubte, dass der Quattroantrieb den Aufpreis eines hochwertigen Satzes Winterreifen ausmachen würde. «Er hat sich dann breitschlagen lassen und die Aussage auf ‹inklusive Alufelgen› erweitert», schmunzelt Ralf Friese.

Für die Serienproduktion wurde der Quattro auf die Plattform des Massenmodells Audi 80 gestellt und am 75. Genfer Autosalon am 3. März 1980 das Tuch vom Ur-Quattro gezogen. Das Publikum war begeistert. Genau 11'452 Exemplare des Ur-Quattro wurden zwischen 1980 und 1991 gebaut. Dabei waren nur 400 Stück geplant. Weil der relativ starre Allradantrieb Tempo in den Kurven kostete und auch mehr Leistung gewünscht war, schob Audi 1984 noch den Sport Quattro nach, eine auf 4,16 Meter Länge verkürzte Variante mit geringerem und kurvenfreundlicherem Radstand und 306 PS.

Vor dem Quattro war das alte Audi; in ihm wurde angelegt, was die Marke heute ausmacht: der Allrad, die Turbos, der Motorsport, der Ehrgeiz. Und alles nur, weil ein still lächelnder Österreicher den Mut hatte, aus einem Militärjeep einen Sportwagen zu bauen. Piëch ist schuld.

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