Dieser Elektroauto-Hersteller galt heisser als Tesla: Im letzten September erst hatte das US-amerikanische Start-up Rivian das erste Exemplar seines Elektro-Pick-ups R1T gebaut. Und legte beim Börsengang im November einen Kavaliersstart hin. Zum Stückpreis von 78 US-Dollar hatte Rivian die Anteilsscheine eingepreist – schon am ersten Handelstag knackte der Kurs gar die 100-US-Dollar-Marke.
Bei 153 Mio. ausgegebenen Aktien war Rivian damit mit einem Schlag 82 Mrd. US-Dollar wert. Fast ein Viertel mehr als die US-Autobauer Ford oder General Motors zu jener Zeit. Der Höhenflug endete erst bei 172 US-Dollar je Aktie. Befeuert wurde er von Rivians Riesenauftrag vom Online-Händler Amazon: Der will sich mit einer eigenen Rivian-Elektroflotte von 100'000 Lieferwagen bis 2030 von Lieferdiensten unabhängig machen. Doch inzwischen ist der Überflieger wieder auf dem Boden angekommen.
Fette Aufschläge beim Kaufpreis
Stand 11. März am Mittag war der Kurs auf 38 US-Dollar abgestürzt. Was ist passiert? Firmengründer Robert Scaringe hat sich die Probleme selbst zuzuschreiben: Am 1. März verkündete er saftige Preiserhöhungen. Der Pick-up R1T sollte statt wie bisher 67'000 US-Dollar (umgerechnet 63'000 Franken) neu 79'500 US-Dollar kosten; das kommende SUV R1S 84'500 statt wie bisher 70'000 US-Dollar. Und zwar rückwirkend – gültig auch für alle weltweit bereits getätigten 70'000 Vorbestellungen.
Begründung für die heftigen Aufschläge: höhere Rohstoffpreise, Probleme in den Lieferketten und Inflation. Doch es hagelte Beschwerden von Kunden. Scaringe ruderte zurück und entschuldigte sich: «Der schmerzhafteste Fehler, den ist seit der Gründung von Rivian gemacht habe.» Neu sollen nun die Preiserhöhungen erst ab der Verkündung am 1. März gelten.
Täuschung vor Börsengang?
Ausgestanden ist die Sache damit noch nicht. Denn Anteilseigner und eine ehemalige Mitarbeiterin werfen Scaringe nun vor, mit zu tief kalkulierten Preisen für die Elektro-Modelle vor dem Börsengang getäuscht und diesen damit befeuert zu haben. Dass er höhere Preise würde nehmen müssen, soll Scaringe bereits vor dem Kursfeuerwerk klar gewesen sein. Die inzwischen entlassene Mitarbeiterin behauptet gar, Scaringe habe die längst fälligen Preiserhöhungen bewusst auf nach dem Börsengang verschoben – und damit die Öffentlichkeit über die Wettbewerbsfähigkeit seiner Autos getäuscht und hat ebenso wie ein Anleger eingereicht.
Der Streit dürfte also vor Gericht enden. Und Rivians Karriere als Tesla-Jäger scheint erst einmal ausgebremst.