Die Elektromobilität beschäftigt Schweizer Autofahrerinnen und Autofahrer intensiv: In sozialen Medien, Internetforen und Blick-Kommentarspalten werden nicht erst seit der Energiemangeldebatte regelrechte Glaubenskämpfe ums Elektroauto ausgetragen (Mehr dazu: Soll man trotz drohender Stromkrise noch Elektroautos kaufen?). Wer nicht dafür ist, ist dagegen – Grautöne gibts fast keine. Fakt ist aber auch: Bereits 2035 will ein Grossteil der Hersteller in Europa nur noch Stromer anbieten. Und die Schweizer Käufer gehen schon jetzt vorweg: In diesem Jahr machen reine Elektroautos bisher mehr als 16 Prozent (Stand Ende Oktober) der hiesigen Neuwagenverkäufe aus – noch 2019 waren es nur verschwindende 1,8 Prozent!
Doch um den richtigen Kaufentscheid treffen zu können, braucht es laut Experten zwingend ein Mindestmass an Grundwissen rund um die E-Mobilität. Hierbei seien nicht nur Importeure und Garagen gefordert, sondern auch Konsumentinnen und Konsumenten. Zur Ermittlung der Frage, wie gut sich die Schweizer Bevölkerung beim Thema E-Mobilität auskennt, haben der Autogewerbeverband Schweiz (AGVS) und das Institut für Wirtschaftsinformatik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ein Forschungsprojekt durchgeführt. Ende Juli wurden dazu 383 Personen in der Deutschschweiz schriftlich nach Wissen, Wissenseinschätzung, Kaufabsichten und Kriterien befragt.
Männer überschätzen sich
Auf den Punkt gebracht: Der aktuelle Wissensstand zum Thema ist in der Schweiz erschreckend gering. Die sechs gestellten Fragen zur E-Mobilität beziehen sich beispielsweise auf die Anzahl an Schweizer Ladestationen oder auf Stromkosten pro 100 Kilometer. Ergebnis: Von 100 möglichen Punkte kamen die Befragten im Schnitt auf lediglich 14,9 Punkte!
Interessant ist dabei der Vergleich von Selbsteinschätzung und tatsächlichem Wissen: Es zeigt sich, dass hier kein Zusammenhang besteht. Mehr als ein Viertel der Befragten beurteilten das eigene Wissen vorgängig als «hoch» oder «eher hoch» ein. Interessant: Männer schätzten ihr Wissen deutlich höher ein als Frauen. So sagten 37,8 Prozent der männlichen Befragten, ihr Wissen rund um die E-Mobilität sei «hoch» oder «eher hoch», während dieser Wert bei den Frauen bei nur 16,2 Prozent lag. Doch besonders die vermeintlich «hoch», also scheinbar gut Informierten wussten bei ihren Antworten ganz besonders wenig und hatten mit nur 10,4 von 100 Punkten von allen Gruppen den geringsten tatsächlichen Wissensindex!
Alte wissen mehr als Junge
Dieses Ergebnis kann in der Praxis erhebliche Konsequenzen haben, erklärt ZHAW-Projektleiter Andreas Block: «Wenn das eigene Wissen als sehr hoch eingeschätzt und die Preisschätzung für das günstigste Elektrofahrzeug zum Beispiel viel zu hoch angesetzt wird, so wird sich diese Person mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ernsthaft mit dem Kauf eines Elektrofahrzeugs auseinandersetzen – aus der eigenen Überzeugung heraus, dass diese Person ja ein klares Verständnis über die Preissituation hat.»
Unterscheidet man die Ergebnisse nach Geschlecht und Generation, zeigt sich, dass Männer mit 16,9 gegenüber 13 Punkten bei den Frauen einen höheren Wissensstand aufweisen. Erstaunlich: Betrachtet man die Verteilung nach Alter, so nimmt der Wert beginnend mit 9,7 Punkten bei der jüngsten Generation Z (ab Jahrgang 1997) kontinuierlich zu bis auf 17,8 Punkte bei der ältesten Generation Silent (bis 1944).
Rational statt emotional
Neben dem Wissensstand interessierte, welche Kriterien über den Kauf eines E-Autos entscheiden. Überraschend ist, dass es keine wirklich dominierende Kategorie gibt: So liegen die drei Kategorien mit den meisten Nennungen («Kostenaspekte» 77,8 %, «Umweltaspekte» 77,7 %, «Fahrzeugtechnik» 77,6 %) nah beieinander. Rationale Kriterien wie «Umweltaspekte» haben bei Fahrzeugen mit Elektroantrieb einen grösseren Einfluss auf den Kaufentscheid als emotionale wie «Prestige» – ganz anders als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.
Als Fazit, so die Verfasser der Studie, seien zum einen die Hersteller gefordert, mehr zu kommunizieren, um Unwissen zu beseitigen. Der Staat sollte proaktiv auf diversen Kommunikationskanälen konsequenter über die öffentliche Ladeinfrastruktur und deren Auslastung informieren. Und für Garagistinnen und Garagisten sei die E-Mobilität eine Chance zur Profilierung durch gute Beratung. Dies gelinge aber nur, wenn das Verkaufspersonal das nötige Wissen habe – wo wiederum der AGVS mit seinen vielen Weiterbildungen und Schulungen ins Spiel käme. Mehr zur Umfrage gibt es auch im am Freitag erscheinenden Autobranchen-Fachmagazin «Autoinside» des AGVS.