Deutschland oder die USA? Diese Frage stellte sich der Bundesrat Anfang der 1980er Jahre. Damals ging es um die Beschaffung eines neuen Kampfpanzers für die Schweizer Armee, um den veralteten Panzer 68 abzulösen.
Schon 1979 entschied der Nationalrat, dass der Nachfolger keine Schweizer Eigenentwicklung mehr sein sollte – viel zu teuer. Dass der Panzer 68 Fehler hatte und beispielsweise das Ziel verfehlte, weil das Geschütz wegrutschte, hatte sicher auch zum Entscheid beigetragen. Nun sollte die Armee «bewährte Spitzenprodukte», wie es in der damaligen SRG-Sendung «CH-Magazin» hiess, beschaffen.
Die beiden Kandidaten
Zur Auswahl standen zwei moderne westliche Panzer. Der Abrams M1 aus den USA und der Leopard 2 aus Deutschland (auch interessant: Deutsche fahren auf Schweizer Armee-Puchs ab) traten zum Evaluations-Prozess an. Von August 1981 bis Juni 1982 unterzog die Schweizer Armee die beiden Panzer zahlreichen Tests. Dabei ging es nicht nur um die Stärke und Genauigkeit ihrer Kanonen. Sie mussten auch ihre Agilität und Beweglichkeit im Gelände beweisen. Die Schiessübungen fanden auf dem Panzerschiessplatz Hinterrhein im Kanton Graubünden ab. Wer via San Bernadino ins Tessin fährt, kann die Militäranlage heute noch neben dem nördlichen Tunnelportal sehen.
Während diese Tests hinter verschlossenen und bewachten Kasernentoren stattfanden, liess sich eine Prüfung des Auswahlverfahrens nicht vor den Bürgern verstecken. Bei einem «Wettrennen» duellierten sich die beiden Panzer nämlich auf Schweizer Strassen! Der Abrams M1 und der Leopard 2 fuhren auf der Autobahn von Thun über Bern nach Oftringen und wieder zurück – ohne den Verkehr zu behindern. Natürlich ging es nicht darum, wer zuerst am Ziel ankommt. Vielmehr sollten Kennzahlen ermittelt werden, die heute noch bei jedem PW interessieren: die Höchstgeschwindigkeit und der Verbrauch.
Die Panzer in Zahlen
Die Schweizer Armee verglich aber noch weitere technische Daten der beiden Panzer-Kandidaten aus den 1980er Jahren: Beim Kampfgewicht hat der amerikanische Anwärter trotz schwererer Panzerung leicht die Nase vorne. Er bringt laut der allgemeinen Schweizer Militärzeitschrift 54,3 Tonnen auf die Waage, während der deutsche Kandidat 55 Tonnen wiegt.
Gleichstand gibts bei der Motorleistung mit je 1500 PS (1100 kW). Allerdings sorgt im M1 eine mit Diesel betriebene Gasturbine für den Vortrieb, während der Leopard 2 auf einen Zwölfzylinder-Turbodiesel setzt. Bei der Höchstgeschwindigkeit schlägt der Ami seinen deutschen Rivalen mit 72 zu 68 km/h. Dafür gönnt sich der Leopard 2 deutlich weniger Sprit: Er verbraucht rund 200 Liter Diesel auf 100 Kilometer, während es beim M1 mit 400 Liter doppelt so viel sind. Beide kosteten damals rund fünf Millionen Franken pro Stück.
Selbst ein Beschleunigungsrennen mit einem VW Golf I gehörte zur Evaluation. Auf den ersten 70 Meter konnten die Panzer gar mit dem Auto mithalten. Für die Sprint auf 30 km/h benötigten der M1 damals beispielsweise weniger als sechs Sekunden.
Der Sieger
Wie Schweizer Militär-Interessierte und Absolventen der Rekrutenschule wissen, entschied der Leopard 2 das Duell für sich. Unter anderem, weil ein Grossteil der 380 bestellten Panzer von der Schweizer Firma Contraves (die heutige Ruag) in Lizenz gebaut werden konnten. Am 27. März 1987 wurde der erste «Panzer 87 Leopard», so die offizielle Bezeichnung, an die Schweizer Armee ausgeliefert.
Von 2008 bis 2011 wurden 134 Panzer überholt. Diese befinden sich weiterhin im Einsatz der Schweizer Armee – einige kommen auch beim Manöver «Pilum 22» zum Einsatz. Zwölf weitere wurden zu Genie- bzw. Minenräumpanzern umgerüstet. Einige Leo 2 hält die Armee als Reserve, die restlichen Panzer wurden verkauft oder ausgemustert.
Die Pläne zur Weiterentwicklung der Armee sehen vor, die Leopard 2 noch so lange wie möglich einzusetzen, voraussichtlich bis etwa 2035. Ein Nachteil sei nicht zu erwarten, da moderne Panzer grundsätzlich immer noch gleich funktionieren wie die im Dienst befindlichen Leopard. Ein Nachfolger ist allerdings fraglich, da sich auch die Anforderungen geändert haben. Die Schweizer Armee plant modulare Panzerfahrzeuge anzuschaffen. Sie hätten eine einheitliche Basis, die je nach Einsatzzweck unterschiedlich ausgerüstet wird. Die Möglichkeiten würden vom Truppentransporter über ein Aufklärungsfahrzeug bis zum leichten Kampfpanzer reichen.