Concept Car Mercedes Vision One-Eleven enthüllt
Zurück in die Elektro-Zukunft

Für den neuen Vision One-Eleven hat sich Mercedes-Chefdesigner Gorden Wagener bei der famosen Studie C111 von 1970 inspirieren lassen. Technisch fährt der neue Elektrobolide aber in einer anderen Galaxie – mit Fluxantrieb!
Publiziert: 20.06.2023 um 12:59 Uhr
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Die famose Mercedes-Studie C 111 (l.) von 1970 hat einen offiziellen Nachfolger: den nicht minder spektakulären Elektroboliden Mercedes Vision One-Eleven.
Foto: Mercedes-Benz AG
Wolfgang Gomoll

Eigentlich kommt die neue Mercedes-Studie Vision One-Eleven drei Jahre zu spät auf den Markt. Im Jahr 1970 präsentierte der Stuttgarter Autobauer nämlich den C 111 auf dem Genfer Autosalon. Der orange-glänzende flache Renner bestach mit einem sagenhaft tiefen Aerodynamik-Wert (cW) von 0,183 und erreichte für die damalige Zeit unfassbare 325 km/h. Ein zukunftsweisender Jubiläums-Prototyp hätte vor drei Jahren die logische Konsequenz sein müssen. Doch erst jetzt ist die Studie tatsächlich ins Scheinwerferlicht gerollt – besser spät als nie.

Der Mercedes Vision One-Eleven tritt mit einem Cw-Wert von 0,19 und einer Höhe von 1,17 Metern in die aerodynamischen Fussstapfen des berühmten Vorgängers. Diese Windschlüpfigkeit wird mit einer geschwungenen Karosserie und einem aufwendigen Aerodynamik-Konzept ermöglicht, das mit einer tief liegenden Frontschürze beginnt und einem auffälligen, monströsen Heckdiffusor endet. «Was wir beim EQXX gelernt haben, fliesst bei diesem Auto ein», spannt Designer Steffen Köhl den Bogen zum ebenfalls futuristische ausschauenden Langstrecken-Effizienzkönner, der bei einer Fahrt von mehr als 1000 Kilometern einen Verbrauch von weniger als 10 kWh/100 km schaffte (hier gehts zur Blick-Testfahrt).

Wie in einer Raumkapsel

Wie es sich für einen C 111-Nachfolger gehört, schwingen die Türen des Vision One-Eleven weit auf. Eine Verbeugung vor der Vergangenheit und den legendären Gullwing-SLs. Der Innenraum mit dem schmalen digitalen Infotainmentband ist auf das Nötigste reduziert. Wie bei einem Rennwagen lassen sich nur die Sitzlehnen bewegen und das oben sowie unten abgeflachte Lenkrad erinnert an das der Formel-Boliden. Das Interieur erinnert den silberglänzenden Sitzbezügen an die Raumkapsel aus einem Science-Fiction-Film.

«Zurück in die Zukunft» gehts bei der vollelektrischen Antriebstechnik des Vision One-Eleven, der Mitte der Dekade auf den Markt kommen soll. Mercedes nutzt dabei sogenannte Axialflux-Elektromotoren, deren Konzept Michael Faraday (1791–1867) bereits 1821 ersann. Wie der Name verrät, verläuft der elektromagnetische Fluss parallel zur Drehachse des Motors, während er sich bei den aktuell gebräuchlichen E-Maschinen senkrecht zur Drehachse bewegt. Die Motoren haben die Form von flachen Scheiben, bringen nur ein Drittel des Gewichts von aktuellen E-Maschinen auf die Waage und nehmen nur 33 Prozent des Bauraumes ein. Und das bei einer deutlich höheren Spitzen- und Dauerleistung. Im Jahr 2015 hat Rennfahrer Rhys Millen (50) am Steuer eines vollelektrischen Boliden mit der exotischen Bezeichnung eO PP03 das berühmte US-Bergrennen Pikes Peak gewonnen. Der Sportwagen war mit sechs Axialfluxmotoren bestückt und leistete rund 1000 kW (1360 PS).

E-Motoren statt V8-Diesel

Um diese Technologie ins Auto zu bringen, hat Mercedes 2021 das britische-Start-up Yasa übernommen und mittlerweile auch die Herausforderung der Kühlung und des Produktionsprozesses gemeistert. Der Clou sind kompakte Kupferfedern und eine direkte Ölkühlung, die um den Faktor zehn effizienter ist als ein Wassermantel. Das Ziel der Entwickler ist es, die E-Maschinen in Zukunft noch kompakter zu machen. Bei einem Gewicht von rund 20 Kilogramm könnte an jedem Rad ein E-Motor platziert werden. Durch diese Bauweise ergeben sich ganz neue Möglichkeiten des Designs. Eine spannende Parallele zum Ur-C 111 ist, dass dieser von einem Wankelmotor angetrieben war, bei dem ein Drehkolben in einem oval-runden Brennraum rotierte.

Dass die neuen Axialfluxmotoren in der Mercedes-Fabrik in Berlin-Marienfelde genau dort gebaut werden, wo bisher Achtzylinder-Dieselmotoren vom Band liefen, illustriert den Zeitenwandel. In Zukunft sollen die Axialfluxmotoren vor allem in den leistungsstarken Mercedes-Modellen zum Einsatz kommen – also hauptsächlich in AMGs. Die Energie für den Power-Antrieb stammt von Rundzellen-Akkus, deren Zellchemie von den Akkus des Formel-1-Teams inspiriert ist.

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