Cinquecento, wohin man schaut: Seit Fiat 2007 mit dem neuen 500 das Kultmodell von 1957 reanimiert hat, muss dessen Kulleraugen-Image immer wieder herhalten. Mit dem 500L als ausgewachsenem – aber inzwischen eingestellten – Familienvan und dem Kompakt-SUV 500X folgten gleich zwei Modelle im 500er-Design. Bloss mit dem Jö-Effekt klappte es nicht so recht angesichts deren Grösse.
Auch der 500X ist nun schon acht Jahre alt, Fiat hätte einen neuen Impuls im SUV-Segment nötig. Dabei gäbe es seit einem Jahr einen möglichen Ersatz im Haus. Seit 2021 baut Fiat in Brasilien den Pulse für Südamerika. Optisch könnte der 4,10 Meter kurze Fünfplätzer bei Seat-Tochter Cupra abgeschaut sein: Schmale Scheinwerfer, kurze Überhänge, wuchtige Front – cool sieht er aus, der Pulse.
Aus Brasilien für Europa?
Innen wirkt er ebenfalls auf der Höhe der Zeit– mit modernem Touchscreen und fettem Fiat-Logo im Lenkrad. Vor wenige Tagen setzte Fiat sogar eine Sportversion der Sportmarke Abarth in die Welt, die noch einen Tick schärfer wirkt. Das wäre frisches Design gegenüber dem gewohnten 500X. Warum also nicht für Europa?
Zumal das Konzept «entwickelt in Brasilien, gebaut für Europa» nichts Neues in der Autobranche wäre. Vor zehn Jahren etwa holte Ford sein Brasilien-Modell Ecosport nach Europa – der Mini-SUV sollte Fords Lücke in dem Segment stopfen. Bloss rollte er mit Hartplastik-Interieur, ohne Allrad und mit einer Schranktür mitsamt Reserverad statt Heckklappe an europäischen Kunden vorbei – Ford musste nachbessern: Reserverad weg und properes Interieur und Allrad nachlegen.
Ford und VW machens vor
Auch VW setzt gerade mit dem neuen Taigo auf eine Idee aus Brasilien: Warum nicht dem T-Cross das Dach abflachen und so ein trendiges SUV-Coupé im Mini-Format lancieren? Nivus heisst das in Brasilien – doch als Taigo wurde das Auto für Europa massiv überarbeitet und angepasst, sogar bei der Optik.
Denn Brasiliens Kundinnen und Kunden legen zwar auch immer mehr Wert auf Chic und Design, aber vor allem ausserhalb der Städte muss ein Auto vor allem zuverlässig laufen. Und zwar auch auf den noch weit verbreiteten Schotter- und Splitpisten. Wichtig sind Bodenfreiheit, SUV-Karosserie, Robustheit und günstige Preise. Und Motoren, die das in Brasilien verbreitete Ethanol als Sprit vertragen.
Noch kein neuer Fiat-SUV
Vor 15 Jahren galt Bioethanol, aus Stärke vergorener Alkohol, auch bei uns als der Treibstoff der Zukunft. Weil er CO2-neutral ist, billig, sieben bis acht Prozent mehr Leistung aus Motoren holt und bloss alkoholfeste Leitungen und Beschichtungen als einzige Anpassungen erfordert. Ideal – bis herauskam, dass Bioethanol nicht bloss aus Grün- oder Holzabfällen, sondern auch Nahrungspflanzen wie Mais gewonnen wird. Sprit als Konkurrenzprodukt zu Brot für die Welt? Inakzeptabel. In Brasilien wird aber noch so getankt. Auch die Pulse-Antriebe vertragen ihn: Die Benziner leisten 98 oder 125 PS mit Benzin und 107 oder 130 PS im Ethanolbetrieb.
Nimmt man alles zusammen, wird klar: Für Europa taugt der Pulse mit Hartplastik-Interieur, noch analogen Instrumenten und den eher knappen Abmessungen im Innenraum eher weniger. Weshalb er auch keine Chance haben dürfte auf eine Europa-Karriere. Nicht einmal als Abarth – der eben auch nur optisch auf Sport gebürstet wurde und sonst mit den gleichen Antrieben antritt. Schade eigentlich.