Mehr PS per USB-Stick – heute ist das Tunen von Autos schon fast ein Kinderspiel. Weil sie rollende Computer sind, lässt sich die Leistung ganz einfach mit einer umprogrammierten Motorsteuerung erhöhen.
Anfang der 1970er-Jahre war das Aufmotzen von Autos hingegen noch echte Handarbeit. Zylinder aufbohren und Nockenwelle schärfen brachte Power, wofür die Bastler nicht selten viel Lehrgeld bezahlten, wenn ihnen der Motorblock um die Ohren flog.
So geht Tuning
Der deutsche Tuner Theo Decker beherrschte und perfektionierte sein Handwerk und verdiente sich dadurch den Beinamen «Motorpapst von Essen». Sein liebstes Tuning-Objekt war eines der kultigsten Autos der Welt: der VW Käfer (hier gehts zur Geschichte über den vergessenen Käfer-Erfinder). Diesem verpasste Decker in seiner Werkstatt im Essener Stadtteil Borbeck mächtig Zusatz-Vitamine: Aus 50 PS machte er 135 PS! Praktisch alle Teile dafür stellte er in Eigenregie her.
Die sogenannten «Theo Decker Käfer» sind heute noch für jeden Autofan ein Begriff und ein Ritterschlag für den bescheidenen Decker. Zurecht, denn der Zweiliter-Boxermotor ist ein stimmiges Kunstwerk: Riesige Luftfilter, Weber Doppelvergaser und Riemenrollen aus Messing füllen das Heck des weissen Käfers. Bearbeitete Zylinderköpfe sowie vergrösserte Ein- und Auslassventile veredeln die Innereien der Maschine.
Der verkleidete König
Von aussen erkennen nur echte Connaisseure, welches Gefährt da gerade an ihnen vorbeifliegt. Dieser 1302er ist die Krönung von Deckers Schaffen. Ein spätes Werk des Meisters aus dem Jahre 2008. Statt der üblichen 130 km/h, die ein 1302-Käfer mehr schlecht als recht erreicht, ballert der Theo Decker Käfer mit 185 km/h über den Asphalt und die Tachonadel passiert bereits nach 7,6 Sekunden die 100 km/h-Marke. Die Skala des Tachos reicht bis 200 km/h – kein Übermut, wie wir schnell herausfinden. Geben wir dem Power-Käfer die Sporen, stoppt die Nadel erst jenseits der 190 km/h.
Schon der Weg dahin ist ein Ereignis. Mit vollem Grollen erwacht der luftgekühlte Boxermotor im Heck des Käfers zum Leben. Jeder Gasstoss sorgt schon im Stand dafür, das die Härchen am Unterarm strammstehen. Der Ganghebel ähnelt zwar einem dünnen Spazierstock, doch bei jedem Schalten jubelt der Heckmotor voller Inbrunst tief rasselnd.
Der Kurven-Käfer
Dieser Käfer ist mehr Porsche als VW, ultradirekt, spitz und eindeutig in seinen Absichten: Möglichst schnell um die Ecke zu kommen. Damit die ganze Chose auch pfeilschnell um die Ecke schiesst, ist das Sportfahrwerk ein paar Zentimeter tiefer. Hinten hilft anstelle der Pendelachse, die bis in den späten 1960er ihren Dienst verrichtete, eine Schräglenkerachse. Wer sich auf dieses Spiel einlässt, will schon nach der ersten Kurve nicht mehr aussteigen. Dieser Königskäfer hat Suchtpotenzial.
Der Decker-Käfer klebt auf der Strasse und folgt willig den Befehlen, die wir am Sportlenkrad erteilen. Der Boxer lässt seinen wilden Trieben völlig ungehemmt ihren Lauf und brüllt uns in jeder Kurve kehlig an. Damit die rollende Kanonenkugel auch rechtzeitig zum Stehen kommt, installierte Theo Decker vorne Scheibenbremsen.
Das senkrecht stehende Cockpit konzentriert sich auf das Wesentliche: der Drehzahlmesser links und der kleine Motor-Temperaturanzeiger rechts. Auf den bequemen Sitzen sind auch die zackige Hakenschlagerei und lange Strecken kein Problem. Schade, dass die Theo Decker Käfer eher selten sind und noch seltener verkauft werden. Denn dies ist wohl der geilste VW Käfer aller Zeiten!