Manchmal sind Erfindungen zu revolutionär, als dass man sie gleich als solches erkennt. Das war bereits beim ersten Auto so: Nachdem Carl Benz (1844-1929) in Mannheim (D) 1886 den Motorwagen fertig entwickelt hatte, stiess er auf die Skepsis der Zeitgenossen. Sprit musste man noch in der Apotheke erwerben, Pferdestärken stammten gefälligst von Pferden – wozu also? Erst die mutige Überlandfahrt von Gattin Bertha Benz (1849-1944) als Werbung kurbelte ab 1888 den Absatz an.
Auch der erste Laster wollte anfangs nicht recht. 1896 hatten Gottlieb Daimler (1834–1900) und Wilhelm Maybach (1846–1929), wie Benz Auto-Pioniere, ihr erstes Nutzfahrzeug fertig. Doch nur eines davon – mit 4 PS und 1500 Kilo Nutzlast – wurde von Cannstatt (D) aus verkauft; nach London (GB). Darauf verbesserte Daimler das Prinzip: Der Motor wurde vom Heck nach vorne verlegt, die Ladebrücke tiefer und die Nutzlast höher. Diese Architektur wurde zum Erfolgsgeheimnis der Camions.
Saurer war Diesel-Pionier
Nur fehlte noch der bis heute nicht aus Lastwagen wegzudenkende Dieselmotor. Schon 1887 hatte Rudolf Diesel (1858–1913) bei der Maschinenfabrik Augsburg (D) erstmals seinen Dieselmotor zum Laufen gebracht. Nur fand jener seinen Weg noch lange nicht in LKW, obwohl bald Marken wie Benz (D), Büssing (D), Renault (F), Mack (USA), Magirus (D), Scania (S) und viele, viele mehr den Laster-Boom vorantrieben. Doch dann kam Saurer aus Arbon TG ins Spiel.
Ab 1896 baute Adolph Saurer (1849–1920) Benzinmotoren, ab 1897 Personen- und ab 1903 Lastwagen – die waren so erfolgreich, dass Saurer sogar in den USA Laster fertigte (diese Firma ging 1911 in Mack auf) und 1914 die PW-Sparte aufgab. Ein mit Rudolf Diesel entwickelter Dieselmotor war bereits 1906 fertig, und 1915 wurde in Augsburg M.A.N.-Saurer (die heutige MAN) als Kooperation der Maschinenfabrik Augsburg und Saurer gegründet und zum Dieseltreiber.
Bis heute wird gestritten, wer den allerersten Diesel-LKW baute, weil man frühe Versuche, Kleinserien und kommerziell erfolgreiche Grossserien unterscheiden muss. Fest steht: 1923 (drei Jahre, ehe Daimler und Benz verschmolzen) startet Benz einen Diesel, 1924 baut M.A.N.-Saurer einen Diesel-Direkteinspritzer, und Saurer in der Schweiz lanciert 1928 den ersten wirklich gelungenen Diesel-LKW.
Turbolader aus Winterthur
Saurer bleibt ein führender Technologie-Pionier der Dieselwelt. Der nächste grosse Schritt kommt aus Winterthur ZH: 1905 erhält Alfred Büchi (1879–1959) sein Patent auf den Abgas-Turbolader, der Nutzfahrzeugen viel mehr Kraft bei weniger Durst verleiht. Ab 1938 treibt erstmals ein Turbodiesel ein Nutzfahrzeug an – bei Saurer. Doch erst Jahrzehnte später etablieren sich Turbodiesel ganz. Das war noch schneller als bei «normalen» Autos: Hier fand der Diesel 1936 ins Auto, der erste Turbodiesel kam, ebenfalls bei Mercedes, 1978 (S-Klasse W 116).
Mittlerweile hatten die Lastwagen seit den 1950er-Jahren in Europa nach und nach ihre Motorhauben verloren: Die «Frontlenker» setzten sich durch, weil das bei begrenzten Längen mehr Stauvolumen erlaubte. Damit ist heute fast jeder LKW nicht nur mit Schweizer Motorprinzip unterwegs, sondern auch (fast) mit jenem Layout, das bei Daimler 1899 entstanden war: Motor unten, Fahrer oben.
Laster werden elektrisch
Saurer ging in den 1980er-Jahren ein und teilte damit das Schicksal von Marken wie der Schwester Berna oder FBW; nur wenige hiesige Marken wie Busbauer Hess aus Ballach SO überlebten. Heute neigt sich jetzt die Diesel-Ära dem Ende zu. Auch die Lastwagen werden zunehmend elektrifiziert. Zum Beispiel Daimler – mit Marken wie Mercedes oder Freightliner heute der grösste Nutzfahrzeug-Hersteller der Welt – ist ebenso am Thema wie zum Beispiel MAN, heute Volkswagen-Tochter. Statt Diesel also Akkus oder Wasserstoff-Brennstoffzelle? Derzeit siehts nach beidem aus. Und wir sind dabei: Die Schweiz ist eins der grossen Zulieferer-Entwicklungslabore der Autowelt, und aus Winterthur zum Beispiel rollen E-LKW von Futuricum an: Das LKW-Rad dreht sich also auch elektrisch immer weiter.