Schweizer Kleinstwagen Soletta 750 im Massstab 1:43
«Mein grösster Misserfolg»

Lange bevor der in der Schweiz ersonnene Smart die Kleinwagen-Welt revolutionierte, erfand 1956 mit Willy Salzmann ein Schweizer ein zukunftsweisendes Kleinstauto. Doch weil Salzmann gar keine Autos fertigen wollte, ging sein Soletta 750 wieder vergessen.
Publiziert: 03.10.2021 um 05:51 Uhr
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Für den Pariser Salon im selben Jahr überarbeitete er die Optik seines kleinen Viersitzers – danach wurde es still um den Soletta 750. Es blieb beim Einzelstück.
Foto: ZVG.
Raoul Schwinnen

Willy Ernst Salzmann (19xx–19xx) war zeitlebens ein Tüftler. So entwarf er schon 1944 als Student an der ETH Zürich ein raffiniertes Fahrzeug mit drei Rädern. Nach erfolgreich abgeschlossenem Studium gründete der junge Salzmann in Solothurn im Elternhaus sein Ingenieurbüro für Fahrzeugbau und konstruierte bald Aufhängungskomponenten für Ford- und Ferguson-Traktoren.

Serie: Modellautos mit Schweiz-Bezug

In Zusammenarbeit mit Modell-Importeur Arwico stellen wir jeden Monat ein Modellauto und dessen Original mit Schweiz-Bezug vor – egal, ob Vitrinen-, ferngelenktes RC- oder Slot-Racing-Modell. Zu Beginn der Serie zeigten wir anhand des Sammlermodells Monteverdi High Speed 375 S High Speed von AutoCult, wie gross der Aufwand für die Entstehung eines kleinen, im Handel rund 95 bis 120 Franken kostenden 1:43er-Modells ist.

AutoCult lässt all seine Modelle in China von Hand produzieren und bietet jeweils nur 333 Exemplare an.
Raoul Schwinnen

In Zusammenarbeit mit Modell-Importeur Arwico stellen wir jeden Monat ein Modellauto und dessen Original mit Schweiz-Bezug vor – egal, ob Vitrinen-, ferngelenktes RC- oder Slot-Racing-Modell. Zu Beginn der Serie zeigten wir anhand des Sammlermodells Monteverdi High Speed 375 S High Speed von AutoCult, wie gross der Aufwand für die Entstehung eines kleinen, im Handel rund 95 bis 120 Franken kostenden 1:43er-Modells ist.

Mitte der 50er-Jahre entwickelte Salzmann ein Fahrwerk, die sogenannte Zweigelenk-Elastikachse Salzmann – im Prinzip eine Kombination aus Starr- und Pendelachse. Am Genfer Autosalon 1956 wollte der Ingenieur seine neue Hinterachse der Öffentlichkeit präsentieren. Doch die Salon-Organisatoren beschieden ihm: Wolle er seine Achse in der Haupthalle des Salons zeigen, müsse er sie schon an einem kompletten Fahrzeug präsentieren. Andernfalls gebe es nur einen Platz in der weniger attraktiven Halle für Teile und Zubehör.

In sechs Wochen gebaut

Folglich entschied Salzmann nur sechs Wochen vor dem Salon, gemeinsam mit dem Karosseriespezialisten (und heutigen Busbauer) Hess aus Bellach SO eiligst einen Kleinwagen zu konstruieren – mit Karosserie-Komponenten des kleinen Renault «Heck» (4CV), einem 750 ccm grossen, luftgekühlten und 22,3 PS starken Boxer-Mittelmotor des jurassischen Töffherstellers Condor und der Zweigelenk-Elastik-Hinterachse. Soletta (der italienische Name für Salzmanns Geburtsstadt Solothurn) taufte er den 3,15 Meter kurzen Viersitzer, dessen Grundfläche kleiner als jene des modernen Smart ist und der dann tatsächlich in der Haupthalle des Genfer Salons als Konzeptfahrzeug Weltpremiere feierte.

Die Reaktionen in Branche und Presse auf das kleine Solothurner Mobil am Salon waren ausgezeichnet. Der legendäre Rennfahrer und Journalist Paul Frère (1917–2008) lobte im deutschen Fachblatt «Auto Motor & Sport» den Soletta ebenso wie eine englische Zeitung, die in dem Zweitürer gar «das richtige Sparmobil für Grossbritannien» sah. Und auch ein gewisser Alec Issigonis (1906–1988), der Erfinder des Mini, zollte Respekt und soll beim Anblick des Soletta in Genf gesagt haben, dass es genau für solche Fahrzeuge einen Markt gebe. Der Erfolg des eigenen, drei Jahre später lancierten Mini gab ihm recht.

Es blieb beim Einzelstück

Obwohl Salzmann den Prototyp für die später im Jahr stattfindende Pariser Autoausstellung optisch leicht überarbeitete, beabsichtigte er keine Fabrikation. Vielmehr wollte er «nur» seine Techniklösungen auf dem Lizenzweg verwerten. Aber trotz vieler Anfragen, unter anderem von Alfa Romeo, Renault und Regierungsvertretern aus der DDR (Stichwort Trabant), wurde nichts aus einer Lizenzproduktion. «Ich war eben ausschliesslich Konstrukteur. Und ohne Management und Marketing ging schon damals nichts», sagte Salzmann später.

So wurde es bald wieder still um das Einzelstück Soletta 750. Vielleicht zu still. Immerhin überlebte jedoch der Prototyp und gehört heute – wenn auch nicht mehr fahrbereit – dem Swiss Car Register in Safenwil AG, das sich der Erhaltung des schweizerischen Automobil-Kulturguts verschrieben hat.

Die Hinterachse blieb unbeachtet

Die Rechnung von Willy Salzmann, am Genfer Autosalon in der Haupthalle mehr Beachtung für seine Hinterachskonstruktion zu erhalten, ging 1956 nicht auf: Der Soletta 750 sorgte zwar für das erhoffte Medienecho, doch die Zeitungen berichteten vor allem ausführlich über den genialen Aufbau der Karosserie mit Kunststoff-Komponenten (Dach, Hauben) und die symmetrisch konstruierten und daher gegenläufig öffnenden Türen sowie den in eine Triebsatzschwinge gegen Vibrationen verbauten Zweizylinder-Motor mit Dreigang-Getriebe. Nur über die Zweigelenk-Elastikachse – über die schrieb dann kaum jemand.

Salzmanns geniale Hinterachskonstruktion fand bei der Soletta-Weltpremiere 1956 am Genfer Autosalon kaum Beachtung.
zVg

Die Rechnung von Willy Salzmann, am Genfer Autosalon in der Haupthalle mehr Beachtung für seine Hinterachskonstruktion zu erhalten, ging 1956 nicht auf: Der Soletta 750 sorgte zwar für das erhoffte Medienecho, doch die Zeitungen berichteten vor allem ausführlich über den genialen Aufbau der Karosserie mit Kunststoff-Komponenten (Dach, Hauben) und die symmetrisch konstruierten und daher gegenläufig öffnenden Türen sowie den in eine Triebsatzschwinge gegen Vibrationen verbauten Zweizylinder-Motor mit Dreigang-Getriebe. Nur über die Zweigelenk-Elastikachse – über die schrieb dann kaum jemand.

Vor drei Jahren wurde der Soletta 750 im Rahmen einer Sonderausstellung erneut am Genfer Salon gezeigt – und beeindruckte Daniel Gasser vom Schweizer Modellspielzeug-Importeur Arwico. Gasser imponiert die technische Simplizität und die Geschichte des Schweizer Fahrzeugs. Er beschliesst spontan, das Einzelstück im Massstab 1:43 als Sammlermodell in einer Kleinserie nachbauen zu lassen. Gassers deutscher Modellproduzent Thomas Roschmann von Autocult zweifelt allerdings, ob sich ein solches Nischenmodell kommerziell absetzen lässt, und fordert deshalb von seinem Geschäftspartner, dass Gasser die Hälfte der Produktion (rund 150 Exemplare) abnimmt.

Modell wird zum Ladenhüter

«Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt», sagt Daniel Gasser mit einem etwas gequälten Lächeln. «Autocult produzierte das Modell innert kürzester Frist, und seit vier Monaten ist es im Fachhandel zum Listenpreis von 115 Franken zu haben.» Allerdings entwickelte es sich zum Ladenhüter – bislang wurde erst eine Handvoll der detailliert ins Modell umgesetzten Soletta 750 verkauft. Offen gesteht Gasser, der sonst eine gute Nase für verkaufsträchtige Modelle hat, dass dieses Modell bei der Kommerzialisierung sein «grösster Misserfolg» ist. So wird 65 Jahre nach der viel beachteten Weltpremiere am Genfer Autosalon aus dem kleinen Soletta 750 erneut keine Erfolgsgeschichte.

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