Die 1985 in der Schweiz ausgetragene Tour de Sol war das weltweit erste Solarrennen überhaupt. Sie gilt als Vorreiter der seit 1987 alle zwei Jahre in Australien stattfindenden World Solar Challenge – dem wohl umweltfreundlichsten Autorennen der Welt und Tummelplatz von Tüftlern und Studierenden. Denn die teilnehmenden Rennfahrzeuge fahren einzig und allein durch die Kraft der Sonne angetrieben 3000 Kilometer quer durch die australische Wüste.
Die Ansage für die vor drei Tagen am Sonntag in Darwin gestartete und noch bis Freitag durchs Outback nach Adelaide führende Challenge 2023 ist klar: Nach dem Start müssen sie mit ihren Solar-Rennboliden in einer einzigen Etappe autark und nur durch die Kraft der Sonne die vorgeschriebene Marathonstrecke möglichst schnell absolvieren. Es gibt unterwegs neun zu passierende obligatorische Kontrollpunkte, an denen die Teams nur die grundlegendsten Wartungsarbeiten wie Reifendruck-Kontrolle oder Fahrzeugreinigung durchführen dürfen. Gestartet wird täglich nach Sonnenaufgang und gefahren bis genau 17 Uhr. Dann gilt es für alle Teilnehmenden – egal, wo sie sich gerade befinden –, das Nachtlager aufzuschlagen.
Ziel: Ein Platz in den Top Ten
Zum ersten Mal in der über 35-jährigen Geschichte der World Solar Challenge nimmt mit Alpha Centauri auch ein Team der ETH Zürich teil. Wie ihre Studienkollegen, die kürzlich mit dem Elektro-Renner Mythen einen neuen Beschleunigungsweltrekord schafften, baute auch das Alpha-Centauri-Team ihr Solar-Rennfahrzeug Aletsch auf dem stillgelegten Militärflugplatz in Dübendorf ZH auf. «Zu Beginn vor einem Jahr nur ein ganz kleines Fokusprojekt, kamen laufend mehr Freelancer dazu, und investierten viel Freizeit und Wissen in den Bau unseres Renners», berichtet Alexander Ebnöther, Student der ETH Zürich und Teammanager. Er macht sich bei der ersten Teilnahme an der World Solar Challenge keine Illusionen. «Als Newcomer fahren wir unter dem Motto ‹To finish first, you first have to finish›.» Wobei man schon einige Erwartungen im Schweizer Team hat. «Ein Platz in den Top Ten sollte möglich sein», sagt Teamsprecher Suno Diekmann vor dem Start. Und insgeheim träumt er von einem Platz auf dem Podest.
Für die Entwicklung ihres Solar-Rennwagens orientierten sich die ETH-Studierenden an erfolgreichen Fahrzeugen früherer Challenges und tauschten sich auch rege mit anderen Teams aus. «Wir wollten auf dem bestmöglichen Design aufbauen und dies mit unseren eigenen Ideen optimieren», verrät Suno Diekmann. Das Resultat ist ein Rennmobil im sogenannten Bullet-Design. Also ein an der Front spitz zulaufendes Dreirad mit zwei Rädern vorne und einem hinten. «Damit es quasi wie eine Kugel durch die Luft gleitet», erklärt Diekmann. Zur Antriebstechnik verrät er nur so viel: «Im Prinzip fängt das vier Quadratmeter grosse Fotovoltaik-Panel auf dem Fahrzeugdach die Sonnenenergie ein und speichert sie in unserer 20 Kilo leichten Batterie. Diese speist dann den im Hinterrad platzierten E-Motor.»
Luftwiderstand wie ein Aussenspiegel
Weil nur mit Solarenergie gefahren und keine andere Energiequelle verwendet werden darf, muss das Rennfahrzeug sehr aerodynamisch und leicht, aber dennoch robust genug für das raue Wüstenabenteuer bei Cockpittemperaturen von über 50 Grand konstruiert sein. Der ETH-Renner wiegt mit Fahrer nur 260 Kilogramm, wobei der Pilot aus Fairnessgründen mindestens 80 Kilogramm schwer sein muss (wenn leichter gibts Zusatzgewicht). Wie effizient der ETH-Solarrenner ist, verrät Dieckmanns Vergleich: «Der Luftwiderstand unseres Rennwagens ist mit jenem eines Auto-Seitenspiegels vergleichbar.»
Bei der wegen Corona letztmals 2019 ausgetragenen Challenge betrug das gefahrene Stundenmittel des Siegerteams aus Belgien 86,6 km/h. Die besten Solarautos schaffen locker Spitzentempi von über 100 km/h. «Die grosse Herausforderung besteht jedoch darin, diese schnelle Pace über mehreren Stunden aufrechtzuerhalten», so Diekmann. «Möglich, dass heuer ein neuer Temporekord gefahren wird. Wir peilen jedoch einen Schnitt von rund 80 km/h an.» Das hätte 2019 für Rang 3 gereicht.