Etwas verträumt steht das Pfarrhaus da, ein wenig Rosamunde-Pilcher-Roman am Zürichsee: Grün umrankt, Kopfsteinpflaster, nur die Garage passt nicht ganz ins Bild. Andrea Marco Bianca (61) bittet ins Haus. In der Ecke das Lenkrad seiner «Jugendsünde» Alfa GT Junior. Ein Pfarrer als Autofan? «Ich liebe ja auch Punk», sagt Bianca lachend, «nur, weil man keine Kirchenlieder hört und kein Elektrovelo fährt, ist man nicht weniger religiös.»
Ein Rückblick: Mitte 2005 verlosten SonntagsBlick und Walt Disney Schweiz einen Käfer im Design von «Herbie», dem blechernen Held in sechs Kinokomödien, die 1968 mit «The Love Bug» (dt. Titel «Ein toller Käfer») gestartet waren. Hauptdarsteller: «Herbie», der VW Käfer. 2005 folgte der Kinostart von Film sieben, «Herbie: Fully loaded» (dt. «Ein toller Käfer startet durch») mit Lindsay Lohan.
Grosses Los für den Käfer-Fan
Der Film wurde so gnadenlos von der Kritik gebeutelt wie die Hauptdarstellerin von Drogenskandalen. Aber beim grossen Käfer-Los bewies der Zufall (oder war es Vorsehung?) Sinn für Treffsicherheit: Jener 1962er Käfer, der im «Herbie»-Look für den Film geworben hatte, ging an Bianca, der nicht erst seit seiner Tempobusse im Käfer der Mutter direkt nach Führerausweis-Erwerb Käfer-Fan ist – und «Herbie» sofort einsetzte, indem er das Auto mit Eigenleben zum Thema in seiner Kirche machte.
Hat der «Käfer-Pfarrer» seinen Käfer noch? «Ich würde ihn nie verkaufen», betont Bianca, der seine Gemeinde seit über 25 Jahren in Küsnacht an der Zürcher Goldküste hat. Bianca ist dort für Überraschungen bekannt: Im Namen des Glaubens setzt er auch auf Rockmusik, zugunsten der Ukraine gar an der Seite von Chris de Burgh (74), oder er dreht – siehe oben im Video – einen «Herbie»-Gottesdienst-Film.
Statt zum Gottesdienst zum Alfa
«Bereits mein Vater ist in einem Fiat 1100 Tourenwagen-Rennen gefahren, ich bin mit der Liebe zu Autos aufgewachsen», berichtet uns der gebürtige Zürcher. «Mein erstes Wort als Kind war Auto», sagt er schmunzelnd. Sein erstes Auto war ein 1978er Opel Kadett C «für 500 Franken, der hielt nicht lange». Frisch von der Uni kam er dann – die Wege des Herrn sollen unergründlich sein – zu einem Alfa GT Junior. «Ich sollte meinen ersten Gottesdienst halten und fand die Kirche nicht. Dafür bin ich am zu verkaufenden Alfa vorbeigekommen», erzählt Bianca strahlend.
Aber denken wir an Kirche, denken wir doch eben eher an Velos statt an Autos? «Die Kirche gilt oft als technikfeindlich», antwortet Bianca, «aber selbst die Reformation kam nur dank der Technik des Buchdrucks in Gang. Ich glaube daran, dass sich das Auto mit neuer Technik klimafreundlich weiterentwickeln kann. Meine Oldtimer sind zum Glück problemlos, deren Umweltbelastung entspricht etwa einem Smartphone.» Bianca spricht im Plural: Neben dem VW parkiert einer der letzten Ur-Minis von 2000.
Dieser Käfer dient der Seelsorge
Der reformierte Pfarrer nutzt den Käfer auch im Dienst des Glaubens. «Ich setze ihn bei Hochzeiten ein und habe auch einmal eine junge Frau, die sich mit Liebeskummer an mich gewandt hatte, darin herumgefahren – bis es ihr dank der wegen des Käfers strahlenden Gesichter der Passanten wieder besser ging. Herbie ist ein Türöffner, ein generationenübergreifendes Kommunikationsmittel», sagt Bianca, der mit sorgsam gewählten Worten spricht. Ein unkonventioneller Pfarrer.
Stösst dieser Querkopf als Kirchen-Innovator und «Käfer-Pfarrer» nicht auf Kritik? «Sicher. Aber für mich zählt, dass ich so Menschen erreiche, die sonst ohne Berührungspunkte zum Glauben sind. Ich mache das nicht als Marketing, um ein cooler Pfarrer zu sein, sondern weil ich die Kirche aus ihrer Blase führen will.» Das kommt offenbar gut an, denn Bianca muss schon wieder los, ein seelsorglicher Termin ruft. «Mein Käfer hat Endrohre von einem Porsche 356», ruft er uns fröhlich zu, «damit tönt er noch schöner!» Winkt – und knattert davon.