Sie werfen Suppen oder Kartoffelbrei auf Gemälde, legen den Berliner Flughafen lahm oder kleben sich auf Strassen und an Gebäuden fest: Die deutsche Organisation Letzte Generation sorgt seit Monaten beinahe täglich für Schlagzeilen – im Namen des Klimas.
Erst am Mittwoch schlugen die Klimachaoten in der Hamburger Elbphilharmonie zu. Aktivisten der Klimaprotestgruppe haben sich nach eigenen Angaben während eines Konzerts am Dirigentenpult festgeklebt. Die Verantwortlichen des Konzerthauses machten jedoch kurzen Prozess: Da die Sicherheitsstange des Dirigentenpultes nicht verschraubt war, konnten sie die Aktivisten samt Stange umgehend aus dem Saal führen.
Nicht nur die Vielzahl der illegalen (und gefährlichen) Aktionen hebt die Letzte Generation von anderen Protestbewegungen wie Fridays For Future oder den Schweizern Renovate Switzerland ab. Im Gegensatz zu den eben erwähnten Organisationen haben die deutschen Chaoten auch kein Gesicht – wie Greta Thunberg (19) oder Luisa Neubauer (26) –, keinen zentralen Dreh- und Angelpunkt. Bis jetzt, wie «Focus» schreibt.
Mathematik-Professor leistet rechtlichen Beistand
Im Impressum der Letzten Generation ist Ingo Blechschmidt (32) als Inhaber der Website eingetragen. Der Mathematikdozent aus Augsburg ist spätestens seit dem Sommer 2020 das wohl bekannteste Gesicht der regionalen Klimaszene. Damals gründete er nämlich das Augsburger Klimacamp auf dem Fischmarkt, das bis heute besteht.
Im Gespräch mit dem deutschen Portal erklärt der erfahrene Aktivist, dass er besonders für die jüngeren Aktivistinnen und Aktivisten «rechtliche Verantwortung» übernehmen wolle. «Ich versuche, ihnen den Rücken freizuhalten.» Er selbst stand bereits 2021 vor Gericht – Polizisten warfen ihm üble Nachrede vor, nachdem er sie als rassistisch bezeichnet hatte. Verurteilt wurde er zu einer Geldstrafe von 1200 Euro, wie die «Augsburger Allgemeine» damals berichtete.
In den letzten Wochen musste die «Letzte Generation» immer wieder heftige Kritik einstecken. So kam ein Rettungswagen in Berlin zu spät zu einem Unfallort, weil sich Aktivisten der Organisation auf die Strasse geklebt hatten. Die verunglückte Radfahrerin starb, allerdings wurde bewiesen, dass ihr Tod nicht im Zusammenhang mit der Protestaktion stand. Zur Kritik an den Aktionen sagt Blechschmidt, dass besonders «Berufspolitiker den schrecklichen Unfall instrumentalisieren» würden, «um von ihrer eigenen Verantwortung abzulenken».
Das Image, dass die «Letzte Generation» gefährlich sei, blieb aber in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger hängen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA) erklärt der Soziologe Matthias Quent (36) am Samstag: «Ziviler Ungehorsam war immer ein Mittel in der Auseinandersetzung um die Demokratie.» Auch während der Arbeiterbewegung, den 68ern und bei den Anti-Atom-Protesten habe man dies beobachten können.
«Die bisherigen Mittel der letzten Generation sind mild im Vergleich zu anderen Protesten», sagte der Soziologe von der Fachhochschule Magdeburg-Stendal mit Blick auf Ausschreitungen wie beim G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs 2017 in Hamburg. «Autoritäre Gegenreaktionen und Bestrafungsfantasien sind für die demokratische Kultur gefährlicher als die kurzen Störaktionen an sich.» Forderungen, dass Verfahren gegenüber Mitgliedern der Letzten Generation auch unter terroristischen Gesichtspunkten geprüft werden sollten, lehnt Quent als unverhältnismässig ab.
«Renovate Switzerland» wird in Zürich zur Kasse gebeten
Auch in der Schweiz nehmen Protestaktionen wieder zu. So sorgt Renovate Switzerland in den letzten Wochen immer wieder für Aufruhr auf Schweizer Strassen. Die Aktivisten traten im April dieses Jahres zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung und haben seither immer wieder Strassen blockiert, zuletzt mehrmals im Oktober. Renovate unterscheidet sich von anderen Organisationen dadurch, dass sie eine einzelne konkrete Forderung an den Bundesrat richtet: Er soll die Wärmesanierung von Gebäuden vorantreiben.
Die Strassenblockaden, die in den vergangenen Wochen unter anderem in Zürich durchgeführt wurden, können die Klimaaktivisten teuer zu stehen kommen. Die Kantonspolizei Zürich will ihnen gemäss Angaben des Regierungsrats die Einsatzkosten verrechnen. Die Kantonspolizei wird von den Verursachern der Strassenblockaden Kostenersatz einfordern, wie der Regierungsrat in seiner kürzlich veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage im Kantonsrat schreibt.