Nicht nur bei uns in der Schweiz, auch in unseren deutschsprachigen Nachbarländern steigen die Neuinfektionen mit dem Coronavirus wieder an. Insbesondere in Österreich und Deutschland zeigen die Kurven vor allem in eine Richtung: steil nach oben.
Die Zahlen vom Donnerstag zeigen es: Innerhalb von 24 Stunden wurden in Österreich 8183 Fälle verzeichnet. Es ist der mit Abstand höchste Wert von Neuinfektionen mit dem Coronavirus in diesem Jahr. Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 424.
Auch in Deutschland ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus auf einen Rekordwert gestiegen. Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages insgesamt 33'949 Corona-Neuinfektionen – so viele wie noch nie! Und die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 155.
«Nicht Zeit für Selbstgefälligkeit»
Besonders dramatisch ist die Lage in Osteuropa. Rumänien und Bulgarien haben in den letzten Wochen so viele neue Fälle gemeldet wie noch nie seit Anfang der Pandemie. Ebenso steigen die Zahlen in den Niederlanden, der Slowakei, Polen, Tschechien und Ungarn. Lettland befindet sich gar bis Mitte November in einem drastischen Lockdown. So will man die vierte Welle in den Griff bekommen.
Europa befindet sich laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erneut im Zentrum der weltweiten Pandemie. Das derzeitige Tempo der Virusübertragungen in den 53 Ländern der WHO-Region Europa sei sehr besorgniserregend, sagte Regionaldirektor Hans Kluge. Es sei nicht die Zeit für Selbstgefälligkeit.
Im Laufe der vergangenen vier Wochen habe Europa einen Anstieg der Neuinfektionszahlen um mehr als 55 Prozent gesehen, sagt Kluge. In der vergangenen Woche seien 59 Prozent aller weltweit nachgewiesenen Corona-Fälle und 48 Prozent aller damit in Verbindung stehenden Todesfälle auf die Region entfallen. Für die Zunahme gebe es zwei Gründe: unzureichende Impfzahlen sowie die Lockerung von Corona-Beschränkungen.
Hohe Impfquote, tiefere Zahlen
Was auffällt: Die vierte Welle rollt anders als noch die vorherigen. In Ländern, die während den ersten Corona-Wellen eher stark gebeutelt wurden, steigt die Kurve jetzt langsamer an. Zum Beispiel in Italien: Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 50, es gelten auch besonders strenge Regeln. So darf etwa seit wenigen Wochen nur noch zur Arbeit erscheinen, wer geimpft, genesen oder getestet ist. Zudem ist die Impfquote mit über 70 Prozent deutlich höher als in Deutschland, Österreich oder der Schweiz.
Am meisten vollständig geimpfte Personen weist mit Abstand Portugal aus: 87 Prozent beträgt die Impfquote. Und auch die Fallzahlen sind dort weiterhin tief. Danach folgt Spanien, das Land hat eine Impfquote von fast 80 Prozent. Das strenge Impfverfahren zeigte Erfolg: Die Termine in Spanien wurden vergeben, niemand musste sich selbständig um die Corona-Impfung bemühen. Auch hier stiegen die Neuinfektionen zuletzt kaum an.
Auch wenn die Impfung hauptsächlich vor schweren Verläufen schützt und nicht in erster Linie vor der Ansteckung selbst, zeigt sich: Der Impffortschritt spielt eine wichtige Rolle.
Österreich verschärft Massnahmen
Österreich erhöht darum den Druck auf Ungeimpfte. Seit Montag dieser Woche gilt die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Am Donnerstag lagen 344 Covid-Patienten auf der Intensivstation. Weil damit die Zahl von 300 Intensivpatienten überschritten ist, tritt ab 8. November die zweite der fünf Stufen des neuen Massnahmenplans der Regierung in Kraft. Dann ist unter anderem der Zutritt zur Nachtgastronomie und zu Après-Ski-Lokalen nur noch Genesenen und Geimpften gestattet. Ab 500 mit Covid-Patienten belegten Intensivbetten gilt diese Regel auch für alle anderen gastronomischen Betriebe und die Hotels. Ab 600 Betten droht ein Lockdown für Ungeimpfte.
Auch in der Schweiz will man noch einmal Gas geben mit impfen. Nächsten Montag startet darum die nationale Impfwoche von Bund und Kantonen. Es sei ein «Last Call», ein letzter Aufruf, sich impfen zu lassen, sagte Bundesrat Alain Berset (49, SP) am Mittwoch vor den Medien. (oco)