Es weht ein rauer Wind zwischen China und den USA. Pekings Nähe zu Russland gefällt der Regierung von US-Präsident Joe Biden (80) überhaupt nicht – und Chinas Machthaber Xi Jinping (69) scheint nicht von seinem Kurs abweichen zu wollen. Umso wichtiger ist es, einen guten Vermittler zu haben. Als solcher will sich augenscheinlich die EU inszenieren.
Aus Sorge vor einer Achse des Bösen zwischen Moskau und Peking schalten die EU-Staats- und Regierungschefs einen diplomatischen Gang hoch. Am Dienstag reisen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (64) und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron (45) nach China. Nachdem Xi letzten Monat Kremlchef Wladimir Putin (70) in Moskau besucht hat, ist nun die EU an der Reihe, den chinesischen Führer in Peking zu umwerben.
Macrons Bemühungen zum Scheitern verurteilt
Vor dem Treffen sind die Erwartungen an den Franzosen und die Deutsche enorm. Es ist jedoch unklar, wie viel die beiden erreichen können. Schon vor dem Treffen zweifelt das Weisse Haus an einem Erfolg Macrons, schreibt «Politico».
Es sei unwahrscheinlich, dass Xi auf dessen Bitten eingeht, sagten drei Regierungsmitarbeitende gegenüber dem Magazin. Das Weisse Hause erinnere sich reumütig an Macrons gescheiterte Versuche, sich am Vorabend der russischen Invasion vor mehr als einem Jahr als Friedensstifter gegenüber Putin aufzuspielen. Bitter für den Franzosen: Die USA erwarten dieses Mal einen ähnlichen Ausgang der Gespräche.
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Und von der Leyen hat noch am Donnerstag klare Kante gegenüber Peking gezeigt. «Pekings eskalierende Aktionen deuten auf ein China hin, das zu Hause repressiver und nach aussen hin selbstbewusster wird», so die EU-Kommissionspräsidentin. Fu Cong (57), Chinas EU-Botschafter, sagte am Freitag, er sei «ein wenig enttäuscht» von ihren Aussagen. War das eine Kampfansage von der Leyens an China?
EU zankt sich um China
Zumindest an der EU-Spitze scheiden sich die Geister in der China-Angelegenheit. Der Umgang mit China sorgt für Stunk zwischen von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel (47). Während von der Leyen einen härteren Kurs gegenüber China à la US-Präsident Biden fordert, ruft Michel zu einer gemässigteren Haltung auf, wie «Politico» berichtet.
Die Dissonanz zwischen den beiden Spitzenpolitikern stehe stellvertretend für die unterschiedlichen Meinungen zu China in ganz Europa, so Fabian Zuleeg (50), Chefökonom beim European Policy Centre in Brüssel. «Wir haben keine gemeinsame Sicht auf China», sagt er gegenüber Blick. «Das wird zum Problem werden.»
Ohne Einigkeit innerhalb der EU sei es nicht möglich, sich in der China-Frage klar zu positionieren – oder zwischen den geopolitischen Streithähnen China und USA zu vermitteln. «Europa hat es versäumt, sich auf diese Krise vorzubereiten», so Zuleeg. «Und jetzt wissen wir nicht, in welche Richtung wir gehen sollen.» Dass Europa die Qual der Wahl haben wird, sei unausweichlich. Zuleeg selbst ist pessimistisch, was die EU-Zukunft mit China angeht.
EU investiert in China – und umgekehrt
Zu verzahnt sind die Wirtschaftstätigkeiten der EU und China. Kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie erreichten die kumulierten ausländischen Direktinvestitionen (ADI) aus der EU nach China mehr als 140 Milliarden Euro, während die chinesischen ADI in die EU zu diesem Zeitpunkt etwa 120 Milliarden Euro betrugen.
Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang der EU-Investitionen in China während der Pandemie stiegen diese im Jahr 2022 wieder stark an. Im Vergleich zum Vorjahr nahmen sie um 92,2 Prozent zu, wie aktuelle Daten des «China Briefing» zeigen. Obwohl die EU-Investitionen angesichts der Grösse der chinesischen Wirtschaft noch relativ bescheiden sind, zielen sie auf wichtige Lieferketten ab, die die europäische Industrie benötigt.
Befriedigende Lösung für alle? «Schwierig»
Aber auch die USA sind ein Schwergewicht in der europäischen Wirtschaft: Im Jahr 2022 waren die USA der wichtigste Partner für EU-Warenausfuhren (19,8 Prozent) und der zweitwichtigste Partner für EU-Wareneinfuhren (11,9 Prozent). Die Ausfuhren der USA in die EU beliefen sich 2022 auf 349,34 Milliarden US-Dollar. Dies ist ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr, als sich die US-Ausfuhren in die EU auf etwa 271,41 Milliarden US-Dollar beliefen.
Die EU hat in der aktuellen Lage drei Optionen: Den Multilateralismus zu bewahren, stärker auf die USA zu setzen – oder auf China zu hoffen. Letzteres sei laut Zuleeg kaum eine Option: zu gross der Druck der US-Regierung, zu wichtig die USA als Partner. Den Spagat zwischen den USA und China zu versuchen, könnte ebenfalls ein Reinfall werden. Die Wunschvorstellung Europas? «Eine offene Beziehung mit den beiden», meint Zuleeg. Ob das möglich ist? «Schwierig.»