Peking legt den Schafspelz ab. Mit ungewöhnlich scharfen Worten gehen Staatschef Xi Jinping (69) und Aussenminister Qin Gang (56) auf den Westen los. So warf Xi vor allem den USA vor, den Aufstieg seines Landes in der Welt bremsen zu wollen.
Xi sagte am Rande des Volkskongresses: «Insbesondere die westlichen Länder, angeführt von den USA, verfolgen eine umfassende Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung Chinas, was nie da gewesene schwere Herausforderungen für die Entwicklung Chinas mit sich bringt.»
Worte wie «Einkreisung» hatte schon Moskau vor dem Angriff auf die Ukraine gebraucht.
Wenig später warnte sein neuer Aussenminister Qin Gang am Dienstag bei seiner ersten Pressekonferenz vor «katastrophalen Folgen», wenn die USA «nicht auf die Bremse treten, sondern weiterhin den falschen Weg verfolgen». Dann könnten «noch so viele Leitplanken» nicht verhindern, dass es zu einer «Entgleisung» kommt, «woraus Konflikt und Konfrontation wird».
Eine Kriegsdrohung
Was meinen die beiden mit ihren Drohungen? Laut Simona A. Grano (44), China-Expertin an der Uni Zürich, spricht Xi vor allem auf die Taiwan-Frage an. «China betrachtet das jüngste Vorgehen der USA als Einmischung in seine eigenen inneren Angelegenheiten. Es signalisiert, dass es zu einer echten Konfrontation kommen könnte, wenn die USA nicht zurückweichen.»
«Echte Konfrontation»: Das bedeutet, dass China mit Gewalt gegen die USA vorgehen könnte. Die USA unterstützen den Inselstaat unter anderem mit Waffenlieferungen.
Ob China mit Russland die Zusammenarbeit noch weiter ausbaue, hänge von der Entwicklung der Beziehungen Chinas zu den USA und Europa sowie auch vom Kriegsverlauf in der Ukraine ab. Grano: «Im Moment neige ich zur Ansicht, dass es für China sinnvoller ist, an der ‹prorussischen Neutralitätshaltung› festzuhalten.»
China habe mit seinem 12-Punkte-Friedensplan signalisiert, dass es seinen internationalen Einfluss wieder stärken wolle. «Wenn es sich zu sehr auf die Seite Russlands zu bewegt, sind diese Versuche gefährdet», sagt Grano.
Die China-Expertin glaubt auch, dass Peking – anders als von Washington behauptet – keine Waffen an Russland liefern werde. Grano: «Peking wird versuchen, diese Position beizubehalten, um seine Beziehungen mit den USA und der EU frei von Sanktionen zu behalten.»
Charmeoffensive Richtung Europa
China versucht, mit Europa anzubandeln. Xi sagte, dass China enger mit der europäischen Seite zusammenarbeiten wolle, «um an wahrem Multilateralismus, gegenseitigem Respekt und einer Kooperation zum Nutzen beider» festzuhalten. Eine gestärkte Partnerschaft zwischen China und der EU könne der Welt mehr Stabilität, Gewissheit und positive Energie bescheren. Die aktuelle Situation bewertete Xi hingegen als schwierig.
Diese Charmeoffensive macht laut Grano Sinn, da Europa immer ein Ort war, an dem China seine eigenen Handelsinteressen mit weniger geopolitischen Spannungen als mit den USA verfolgen konnte. Nach drei Jahren schlechter Planung in der Wirtschaft und im Bereich der internationalen Beziehungen wolle China zu viele offene Fronten und Konfliktherde vermeiden, sagt Grano.
Und noch ein Ziel verfolge Xi. Grano: «Es liegt im Interesse Chinas, die seit der russischen Invasion wachsende transatlantische Einigkeit zu brechen.»