Wenn zwei sich streiten...
Warum China auf einen langen Ukraine-Krieg hofft

China hat die Macht, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Tut das aber nicht. Denn ein langer Krieg bringt dem Land nur Vorteile.
Publiziert: 08.03.2023 um 18:04 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2023 um 07:43 Uhr
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Xi Jinping hofft womöglich auf einen langen Konflikt in der Ukraine.
Foto: imago/Xinhua
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Wenn zwei sich streiten, freut sich... China! Seit über einem Jahr herrscht Krieg in der Ukraine – und je länger dieser dauert, desto mehr drängt sich der Verdacht auf: Die aufstrebende asiatische Supermacht könnte als Gewinner hervorgehen.

Die Rhetorik zwischen den USA und China wird immer schärfer, was sich auch in einer brisanten Rede von Xi Jinping (69) am nationalen Volkskongress gezeigt hat. Ungewöhnlich scharf wirft er dem Westen vor, den Aufstieg Chinas verhindern zu wollen.

Zwar betont der chinesische Aussenminister Qin Gang (56) am Volkskongress immer wieder die Wichtigkeit des russischen Bündnisses: «Je turbulenter die Welt ist, umso beständiger sollten die russisch-chinesischen Beziehungen voranschreiten.» Doch um echte Freundschaft geht es China wohl kaum.

Denn das Land von Machthaber Xi profitiert von einem Russland, das vom Krieg und den Sanktionen geschwächt wird. Die Gründe dafür sind vielfältig.

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Wie profitiert China von diesem Krieg?

Russland verliert wegen der westlichen Sanktionen einige seiner wichtigsten Handelspartner – und muss sich nun gegen Osten umorientieren. Dadurch könne China wiederum die Preise und Bedingungen für den Handel diktieren, schreibt die italienische «L’Economia». Das gilt für Rohstoffe wie Gas, Öl und Kupfer, die von Russland nach China exportiert werden. Ein Beispiel: Rohöl aus Russland kann China laut Reuters aktuell zwei US-Dollar pro Barrel günstiger kaufen als Öl aus dem Oman, das aktuell für 16 US-Dollar pro Barrel verkauft wird.

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Da China von den günstigen Verhandlungsbedingungen mit Russland profitiert, kann es in Verhandlungen mit anderen Partnern wie der EU oder Australien zudem breitbeiniger auftreten. So kündigte Australien vor wenigen Tagen an, sich beim Export von Kohle, Gas und Mineralien mehr auf Indien zu konzentrieren, da es zu Reibereien mit China gekommen sei. Umgekehrt ist China nach der Abkehr des Westens weitgehend Russlands einziger Lieferant von Hightech-Produkten. Es kann den Kaufpreis für Computer, Halbleiter, Autos und Chemikalien vorschreiben.

Doch China handelt nicht nur aus einer Position der Stärke heraus. Denn es steht nicht gut um die Wirtschaft des eigenen Landes. Langfristig rechnen Beobachter mit einem deutlich langsameren Wachstum. Die billigen Rohstoffe aus Russland könnten den Rückgang zumindest temporär etwas abfedern.

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Profitiert auch Russland davon?

Die chinesische Volksrepublik bleibt aufgrund der Sanktionen des Westens eine der wenigen Chancen für den Kreml, seine Ware – insbesondere Gas und Öl – exportieren zu können. Zwar kaufte Indien 2022 um die 15 Prozent der rund 150 Milliarden Kubikmeter Methan, die Russland pro Jahr produziert. Doch China bleibt der wichtigste Abnehmer – es kauft Russland 1,72 Millionen Barrel Rohöl pro Tag ab.

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Nichtsdestotrotz: Russland kann von Asien alleine nicht leben, es braucht auch den Westen. Der Krieg und die Sanktionen haben sich erheblich auf die Unternehmen in Russland ausgewirkt. Schätzungen der Weltbank zufolge sank das russische Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 um bis zu 3,9 Prozent.

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Gleichzeitig muss China darauf bedacht sein, Russland nicht zu sehr zu schwächen. Der China-Experte Brian Carlson (44) von der ETH Zürich zu Blick: «Wenn Russland eine totale Niederlage in der Ukraine erleidet, würde es seinen Wert als Partner für China mindern.»

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Warum will China den Krieg nicht beenden?

Peking hofft, dass ein langer Krieg in der Ukraine die Aufmerksamkeit der USA auf China schmälert. Angesichts wachsender Spannungen will China seine Militärausgaben um saftige 7,2 Prozent steigern, wie am Volkskongress bekannt gegeben wurde. Damit möchte man sich einerseits gegen die «wachsende Bedrohung im externen Umfeld» vorbereiten. Andererseits rechnen Beobachter laut der «Frankfurter Rundschau» mit einer Vorbereitung auf einen Konflikt mit Taiwan. Allesamt Themen, bei denen die Argusaugen der US-Regierung für Xi unerwünscht sind.

Gleichzeitig könnte ein langfristiger Konflikt die Spaltung des Westens vorantreiben. Bereits zu Beginn des Krieges haben Beobachter vor solchen Szenarien gewarnt. Obwohl der Westen nach dem Besuch von US-Präsident Joe Biden (80) in der Ukraine vereinter denn je zu sein scheint, bleibt das Risiko bestehen. Noch immer gibt es Uneinigkeiten, was die Waffenlieferungen an die Ukraine und den Umgang mit Russland angeht. Von einer Spaltung würde China stark profitieren.

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Wie reagiert der Westen auf die Situation?

Mit seinem Vorhaben, den Krieg zu verlängern, befindet sich China auf einer gefährlichen Gratwanderung. Berichte von US-Geheimdiensten, dass China Waffenlieferungen an Aggressor Russland plant, verschärfen die Rhetorik zwischen den beiden Blöcken.

«China kann nicht beides haben, wenn es um die russische Aggression in der Ukraine geht. Es kann nicht auf der einen Seite Friedensvorschläge unterbreiten und auf der anderen Seite das Feuer, das Russland entfacht hat, schüren», sagte US-Aussenminister Antony Blinken (60) Mitte Februar. Konsequenzen wie Sanktionen wurden bereits angedroht, so Reuters. Nach Angaben von vier US-Beamten versucht die US-Regierung bereits, Unterstützung von seinen Partnern zu erhalten.

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Welche Auswirkungen hat die enge Russland-China-Verbindung für den Westen?

Der Westen und China sind noch immer stark voneinander abhängig. Die Angst, dass man ohne China in noch grössere Schwierigkeiten als ohne Russland geraten wird, ist gross. Laut Eurostat-Daten war China das drittgrösste Ziel für EU-Warenexporte, die 10 Prozent der Gesamtmenge ausmachten. China ist mit einem Anteil von 22 Prozent im Jahr 2021 wiederum die grösste Importquelle Europas.

Bei völliger Funkstille zwischen China und dem Westen fürchten Experten eine starke Teuerung, komplizierte Lieferketten und eine starke Abnahme der Wirtschaftlichkeit – auf beiden Seiten. Laut dem Ökonomen und China-Kenner George Magnus (74) gibt es aber keinen Weg zurück: Es wird zu einer «Zeitenwende im globalisierten Zeitalter» kommen.

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Braucht China den Westen überhaupt noch?

Trotz Spannungen sind die USA noch immer das wichtigste Exportland für China, die EU folgt auf dem dritten Platz. Russland schafft es – trotz der aktuellen Lage – nur knapp in die Top 10, wie Daten der Weltbank zeigen. Auch wenn sich China nun etwas auf Russland stützen kann: Ein vollständiger Bruch mit dem Westen würde es stark negativ beeinflussen.

Kein Wunder, startete Xi am Volkskongress – zeitgleich mit der offenen Drohung an die USA – eine Charme-Offensive in Richtung Europa. Denn dort kann China seine eigenen Handelsinteressen mit weniger geopolitischen Spannungen als mit den USA verfolgen konnte. Xi sagte, dass China enger mit der europäischen Seite zusammenarbeiten wolle, «um an wahrem Multilateralismus, gegenseitigem Respekt und einer Kooperation zum Nutzen beider» festzuhalten.

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