Auf einen Blick
- Frankreichs Regierung droht Misstrauensvotum. Premierminister Barnier verknüpft Sozialhaushaltsverabschiedung mit Überleben
- Rechtspopulisten ändern Haltung und unterstützen Misstrauensantrag der linken Opposition
- Macron kann nach zwei Mandaten nicht wieder antreten
Der französische Premierminister Michel Barnier (73) hat die Verabschiedung des Sozialhaushalts mit dem Überleben seiner Regierung verknüpft. Rechts- und Linkspopulisten geben sich entschlossen, die Regierung durch ein Misstrauensvotum zu stürzen. Damit droht Frankreich eine neue politische Krise. Ein Überblick:
Warum steht ein Misstrauensvotum bevor?
Seit den vorgezogenen Neuwahlen im vergangenen Juni hat die Regierung in Paris keine Mehrheit mehr in der Nationalversammlung. Das Parlament ist in drei Blöcke gespalten. Um Haushaltsgesetze zu verabschieden, blieb dem Premierminister nur die Möglichkeit, den Verfassungsparagrafen 49.3 anzuwenden. Dieser ermöglicht eine Verabschiedung ohne Abstimmung im Parlament. Dazu muss die Regierung aber ein anschliessendes Misstrauensvotum überstehen.
Barnier hat von dieser Möglichkeit am Montag Gebrauch gemacht. Mit der Abstimmung über das Misstrauensvotum ist frühestens am Mittwoch zu rechnen.
Welche Rolle spielen die Rechtspopulisten?
Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National hatte zunächst angekündigt, einen Misstrauensantrag der linken Opposition nicht zu unterstützen. In den vergangenen Wochen änderte sie ihre Haltung – obwohl der RN einige Zugeständnisse der Regierung erreichte. So hatte die Regierung eingewilligt, die Stromsteuer nicht zu erhöhen, auf höhere Zuzahlungen für Medikamente zu verzichten und die medizinische Versorgung von Migranten zu verringern.
Dennoch kündigte der RN am Montag an, nicht nur einen Misstrauensantrag der Linken zu unterstützen, sondern auch einen eigenen Misstrauensantrag einzubringen.
Was passiert anschliessend?
Falls die Regierung das Misstrauensvotum verliert, ist sie nur noch geschäftsführend im Amt. Präsident Emmanuel Macron (46) muss dann einen neuen Premierminister ernennen. Dafür gibt es jedoch keine zeitliche Frist. Nach der Auflösung des Parlaments im Juni hatte Macron sich bis September Zeit gelassen. Macron kann theoretisch Regierungschef Barnier erneut ernennen und nur die Ministerriege neu zusammenstellen.
Im Gespräch ist auch die Ernennung eines linken Regierungschefs, etwa Ex-Innenminister Bernard Cazeneuve (61). Dies würde dem Ergebnis der Neuwahl im vergangenen Juli Rechnung tragen. Allerdings hätte auch ein linker Premierminister keine Mehrheit im Parlament. Denkbar wäre auch eine Expertenregierung. Eine Neuwahl des Parlaments ist frühestens im Juli 2025 möglich.
Was ist mit den Haushaltsgesetzen?
Eigentlich müsste die Regierung bis Jahresende drei Haushaltsgesetze durch das Parlament bringen. Der Sozialhaushalt war das erste davon. Es gilt als unwahrscheinlich, dass eine neue Regierung die Verabschiedung der drei Gesetze noch im Dezember durchsetzen könnte.
Sie könnte aber ein Sondergesetz auf den Weg bringen, das es ermöglicht, auf der Basis des Haushalts von 2024 weiterzumachen. Sollte sich dafür keine Mehrheit finden, kann Macron nach Artikel 16 der Verfassung Notmassnahmen ergreifen. Damit würde der demokratische Normalbetrieb vorübergehend ausser Kraft gesetzt.
Wer wird nächster Präsident oder nächste Präsidentin?
Die nächste Präsidentschaftswahl steht eigentlich erst 2027 an. Mittlerweile gibt es aber erste Stimmen von Hinterbänklern im Regierungslager, die den Rücktritt des Präsidenten und eine vorgezogene Wahl ins Spiel bringen. Das hat Macron bislang ausgeschlossen.
Macron kann nach zwei Mandaten nicht wieder antreten. Le Pen möchte gerne Präsidentin werden, könnte aber im März in einem Verfahren wegen Veruntreuung von EU-Geldern dazu verurteilt werden, nicht kandidieren zu dürfen. Ob RN-Parteichef Jordan Bardella (29) dann antreten würde, ist offen.
Im Regierungslager laufen sich unter anderen die Ex-Premierminister Edouard Philippe (54) und Gabriel Attal (35) für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur warm. Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon (73) dürfte auch wieder antreten wollen. Vielleicht versucht es auch der sozialistische Ex-Präsident François Hollande (70) noch einmal.