«Dieser Krieg muss enden», sagt US-Präsident Joe Biden am Freitag, als er einen neuen Deal für die Beendigung des Gaza-Krieges vorschlägt. «Dieser Krieg endet erst, wenn ich es sage», antwortet der israelische Premier Benjamin Netanyahu (74) am Samstag. Dieser diplomatische Wortwechsel zeigt: Das Wort Amerikas findet kein Gehör mehr in der israelischen Regierung. Sowieso hört Netanyahu nur noch auf eine Person: ihn selbst. Das ist ein Problem. Für Biden, aber auch für Netanyahu selbst.
Netanyahu weigert sich
Der neue Plan selbst ist kaum mehr als alter Wein in neuen Schläuchen. Er sieht einen Austausch von verletzten, alten und weiblichen Geiseln gegen palästinensische Häftlinge während eines sechswöchigen Waffenstillstands vor. Ein Grundkonzept, das bereits bei Gesprächen in Kairo vor knapp einem Monat nach monatelangem Feilschen zusammenbrach.
Biden wirkt triumphal, doch es regen sich Zweifel an der Initiative. Warum enthüllte Biden einen angeblich israelischen Vorschlag alleine in Washington, ohne dass es vorher ein Wort aus Israel gab? Als Biden seine Rede hielt, war es bereits Freitagabend im Nahen Osten, der Sabbat hatte begonnen und die israelischen Regierungsämter waren geschlossen. Erst am Samstag reagierte der israelische Premierminister Netanyahu auf Bidens Rede.
Zwar hat Israel dem Vorschlag zugesagt. Doch Netanyahu will sich das Recht vorbehalten, die Kämpfe jederzeit wieder aufzunehmen – «bis alle Ziele erreicht sind», so Netanyahu. «Die Vorstellung, dass Israel einem dauerhaften Waffenstillstand zustimmen wird, bevor diese Bedingungen erfüllt sind, ist ein Rohrkrepierer», hatte Netanyahu erklärt. Eine Klatsche für Bidens Diplomatie. Sie erinnert ihn daran, dass er nur begrenzt Einfluss auf Netanjahu nehmen kann.
Israelische Regierung übt Druck auf Netanyahu aus
Schliesslich ist Netanyahu – zumindest politisch – nicht von den USA abhängig. Das Einzige, was für den israelischen Premier zählt: dass ihn seine Regierung nicht in den Wind schiesst. Netanyahu sieht im Verbleib im Amt seine beste Chance, die Korruptionsvorwürfe, die er bestreitet, zu entkräften.
Rechtsreligiöse Koalitionspartner Netanyahus drohten dagegen mit dem Platzen der Koalition, sollte sich Israel auf den Deal einlassen. Dieser bedeute einen «Sieg für den Terrorismus» und eine «totale Niederlage» Israels, kritisierte Polizeiminister Itamar Ben-Gvir (48). Der Plan würde den Krieg beenden, ohne dass die Kriegsziele erreicht seien, schrieb Finanzminister Bezalel Smotrich (44) auf X.
Der israelische Regierungschef sieht sich jedoch auch mit wachsendem Druck seitens seiner Militär- und Geheimdienstchefs sowie der zentristischen Mitglieder seines Kriegskabinetts konfrontiert. Diese fordern einen Plan zum Wiederaufbau von Gaza und die Befreiung der israelischen Geiseln.
Biden und Netanyahu setzen sich gegenseitig unter Druck
Und während Biden nur wenig politischen Druck auf Netanyahu ausüben kann, ist die Situation andersrum eine ganz andere: Schliesslich ist der Konflikt zwischen Israel und der Terrorgruppe Hamas eines der wichtigsten Themen im US-Wahlkampf. So wichtig, dass Netanyahu sogar vom US-Kongress zu einer Rede eingeladen wurde. Netanyahu, der am Samstag die Einladung annahm, in den kommenden Monaten vor einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses zu sprechen, hat die Macht, Bidens schwächelndem Wahlkampf weiter zu schaden.
Trotzdem sollte sich Netanjahu hüten, Bidens Versuche komplett auszuschlagen. Am Samstag gingen rund 120'000 Menschen in Tel Aviv auf die Strasse und demonstrierten für ein Abkommen. «Biden, retten Sie [die Geiseln] vor Netanyahu», stand auf grossen Transparenten geschrieben. Die israelische Bevölkerung ist immer unzufriedener mit ihrer Regierung – und Bidens Vorschlag könnte Abhilfe schaffen.