US-Präsident im politischen Kreuzfeuer
Warum Joe Biden den Internationalen Gerichtshof kritisiert

US-Präsident Joe Biden gerät in die Kritik, nachdem er Israels Gleichstellung mit der Hamas durch den Internationalen Gerichtshof zurückgewiesen hat. Warum ein Statement so hohe diplomatische Wellen schlägt.
Publiziert: 21.05.2024 um 16:46 Uhr
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Aktualisiert: 21.05.2024 um 20:10 Uhr
Joe Bidens Äusserungen schlagen hohe Wellen.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

US-Präsident Joe Biden (81) findet es «lächerlich», dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) Israel und die palästinensische Terrororganisation im gleichen Atemzug der Kriegsverbrechen bezichtigt. «Es gibt keine Gleichwertigkeit zwischen Israel und der Hamas», sagte er – und schlägt damit hohe diplomatische Wellen.

Biden eilt Israel zur Seite

Karim Khan (54), der Chefankläger des IStGH, verkündete am Montag, dass er einen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu (74) und seinen Verteidigungsminister, Joaw Galant (65), beantragt hat. Gleichzeitig fordert Khan auch für drei führende Hamas-Figuren – unter anderem Jahia al-Sinwar (61), den ranghöchsten Hamas-Führer – wegen des Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2024 einen Haftbefehl.

Diese Nachricht aus Den Haag veranlasste Biden zur deutlichsten Unterstützungsbekundung für Israel seit Monaten. Das mag für manche überraschend wirken. In den letzten Wochen kritisierte Biden die israelische Regierung zunehmend, setzte sogar Waffenlieferungen aus.

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US-Präsident Joe Biden (81) ist ein grosser Unterstützer Israels.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Allerdings stellte der amerikanische Präsident auch mehrmals klar: «Wir werden immer an der Seite Israels stehen, wenn seine Sicherheit bedroht ist», so Biden in seinem neuesten Statement. Daher eilte er auch Israel zu Hilfe, als Chefankläger Khan das Land mit der Terrororganisation Hamas gleichsetzt. Denn das ist für Biden ein absolutes No-Go – genauso wie der explizite Vorwurf von Kriegsverbrechen. Denn Biden teilt die Annahme des IStGH, dass Israel im Gazastreifen Kriegsverbrechen begeht, nicht. 

Bidens heftige Reaktion könnte aber nach hinten losgehen, aussen-, wie auch innenpolitisch. Bereits jetzt kommt Kritik auf: Die amerikanische Regierung sei heuchlerisch. Schliesslich habe man ja auch einen Haftbefehl gegen Kremlchef Wladimir Putin (71) befürwortet, schreibt beispielsweise «Politico». Der Vorwurf der Doppelmoral fällt. Ob dieser Vorwurf zutrifft oder nicht, hängt davon ab, wie man das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen bewertet.

USA müssen Haftbefehle nicht mittragen

Dabei muss klargestellt werden, dass die USA kein Vertragsstaat des Römischen Statuts und somit des IStGH sind. Sie beanspruchen jedoch für sich, die «regelbasierte internationale Ordnung» zu unterstützen. Also muss die Biden-Regierung keinen Haftbefehl des IStGH mittragen, wenn sie nicht will.

Manche fragen sich trotzdem: Wieso wird ein Haftbefehl gegen Putin von den USA unterstützt, der Antrag für einen Haftbefehl gegen Netanyahu aber nicht? Weil Biden den Putins Angriff auf die Ukraine anders beurteilt, als Netanyahus Vorgehen in Gaza. Im Ukraine-Krieg konnten diverse Kriegsverbrechen – Kindesentführung, gezielter Mord an Zivilisten – nachgewiesen werden. Im Gazastreifen gibt es viele Vorwürfe – der IStGH nennt Aushungerung der Zivilbevölkerung, Ausrottung und gezieltes Töten von Zivilisten – doch Ermittlungen laufen. Chefankläger Khan selbst war noch gar nicht im Gazastreifen.

Böse Zungen behaupten, Bidens Haltung sei primär strategisch – und moralisch. Der Haftbefehl gegen Putin werde von den USA nur deshalb unterstützt, weil Russland ein Gegner des Westens sei. Israel hingegen sei ein westlicher Verbündeter – deshalb werde der Haftbefehl gegen Netanyahu abgelehnt. 

Die USA müssen jedoch in Bezug auf den IStGH «sehr vorsichtig vorgehen», warnt David Scheffer (70), der während der Clinton-Regierung Sonderbotschafter für Kriegsverbrechen war, gegenüber «Financial Times». Jede Kritik gegen den IStGH könnte die Bemühungen der USA untergraben, sich als Vermittler bei Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts zu positionieren, und ihr Ansehen bei vielen Ländern des globalen Südens weiter schwächen.

Trump wittert Erfolg bei Migranten

Auch innenpolitisch wird sein Statement Konsequenzen haben. Biden weiss, dass viele Demokraten Israels Vorgehen im Gazastreifen entschieden ablehnen und das Land sogar des Völkermordes beschuldigen. Zudem könnte Biden mit seinem Statement einen wichtigen Teil seiner potenziellen Wählerschaft vergraulen: Junge, Linke und arabischstämmige Amerikaner, die laut einer Gallup-Umfrage Bidens Israel-Kurs grösstenteils ablehnen.

Das weiss auch Bidens republikanischer Kontrahent Donald Trump (77). Auch wenn er als Republikaner entschlossen pro-israelisch ist, will er sich die unzufriedene muslimische Community als potenzielle Wähler sichern. Laut «Washington Post» soll noch diese Woche ein Treffen mit wichtigen arabischstämmigen Aktivisten und Geldgebern in Michigan stattfinden.

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